Jeder kennt den Stimmungsverlauf von Partys, auf denen neben gebranntem Wasser womöglich noch anderweitige Stimmungsveränderer gereicht werden: Tanzen, singen und fröhlicher Smalltalk und dann kommt der „Climax“, der den letzten, vielleicht noch halbwegs arbeitenden Gehirnzellen befielt, die Feier sofort und ohne Umschweife zu verlassen, bevor die Stimmung völlig kippt.
Bei Gaspar Noé geht allerdings niemand und dazu benötigt es noch nicht einmal einen Feuerlöscher.
Winter 1996: Irgendwo in Frankreich üben 21 Tänzer eine Choreographie in einer alten Turnhalle ein. Bevor es auf US-Tournee geht, darf noch einmal gemeinsam gefeiert werden, doch die Leute ahnen noch nicht, dass der Sangria heimlich mit LSD versetzt wurde…
Der Stoff beruht auf wahren Ereignissen, was zunächst nicht sonderlich spektakulär klingt, da Feiern in regelmäßigen Abständen eskalieren, und das nicht erst seit den Neunzigern.
Doch spätestens seit „Irreversible“ ist Noé für seine skandalträchtigen Momente bekannt und auch hier macht sich im Verlauf ein merklich unangenehmes Gefühl unter der Bachdecke bemerkbar. Vor allem, wenn die Kamera in teils minutenlangen Takes durch die schummrig ausgeleuchteten Räumlichkeiten fährt und ein Gefühl des Ausgeliefertseins untermauert.
Ein Sympathieträger findet sich, bis auf einen kleinen Jungen, der anfangs noch am Rande mitmischt allerdings nicht. Viele Dialoge wirken improvisiert und kommen inhaltslos daher, Themen wie Sex oder kleine Beziehungsprobleme packen nicht wirklich und weil zunächst nicht viel passiert, kann man nach rund einer Dreiviertelstunde ja mal kurz die Credits einschieben. Und weil es sich auch um einen Tanzfilm handelt: Ein paar solide Akrobaten sind dabei, einige zappeln aber auch nur mit dem Oberkörper, während wieder andere ihren Namen vor und zurück tanzen.
Als sich schließlich der Zustand geistiger Verwesung breit macht, gerät die Chose ein wenig interessanter. Während zunächst noch einige Figuren die Tanzfläche unsicher machen, was leider recht beharrlich aus der Vogelperspektive festgehalten wird, gibt es einige drastische Vorkommnisse und obgleich nicht allzu viel Blut fließt, erscheint eine FSK16 sehr grenzwertig, schon hinsichtlich der verstörenden Grundstimmung innerhalb des exzessiven Höllentrips.
Dummerweise entwickelt Noé im letzten Drittel ein Faible für die 180-Grad-Perspektive, - da kann man sich quasi auf den Kopf stellen, damit Einzelheiten nicht verpasst werden. Zudem schaltet sich die Notbeleuchtung ein, es flackert in Rot und Schwarz, was letztlich doch etwas anstrengend zu verfolgen ist. Wesentlich besser ist es da um den Soundtrack bestellt, der mit Erik Satie ungewöhnlich einsteigt, einiges an New Wave um Soft Cell einbringt, dazu Coil und Aphex Twin, aber auch einige typische Technobeats der Neunziger einfließen lässt.
Gaspar Noé ist zweifelsohne ein Meister der Plansequenzen, denn zu dem was der in nur 15 Tagen abgedreht hat, gehört eine verdammt gut durchstrukturierte Planung. Inhaltlich tun sich zwar ab und an menschliche Abgründe auf, doch kaum etwas gestaltet sich nachhaltig, kaum ein Schicksal geht einem nahe. Insofern zwar eine interessante Erfahrung und in spezieller Hinsicht sehenswert, - ein zweites Mal braucht es so einen Trip jedoch nicht.
6,5 von 10