Review

„Gut, dass ich den Käsespachtel nicht benutzen musste!“

Nach dem überragenden Erfolg des selbstparodistischen „X-Men“-Ablegers „Deadpool“ aus dem Jahre 2016, der bis dahin humoristischsten Marvel-Comicverfilmung, griff man weitaus tiefer in die Tasche und spendierte der Fortsetzung der Superhelden-Actionkomödie ein stattliches Budget. Auf dem Regiestuhl nahm zunächst wieder Tim Miller Platz, wurde nach Differenzen mit Hauptdarsteller Ryan Reynolds aber durch den „Atomic Blonde“-Regisseur David Leitch ersetzt.

„George Michael hatte Recht...“

Superheld wider Willen Wade Wilsons alias Deadpool (Ryan Reynolds) will nicht mehr und beschließt daher, aus dem Leben zu scheiden. Doch X-Man Colossus (Stefan Kapičić, „Der Ruf der Wale“) rettet ihn und nimmt ihn zu den Mutanten mit, wo er ihn zu einem Azubi macht und es zu einem Wiedersehen mit Negasonic Teenage Warhead (Brianna Hildebrand, „First Girl I Loved“) kommt. In Russell alias Firefist (Julian Dennison, „Wo die wilden Menschen jagen“) lernt er einen weiteren Teenage-Mutanten kennen – und den Superschurken-Cyborg Cable (Josh Brolin, „Die Goonies“), der hinter Firefist her ist. Da entwickelt Deadpool väterliche Gefühle für den Jungen, gründet ein eigenes Superhelden-Team und wappnet sich mit Dominos (Zazie Beetz, „Atlanta“) und Zeitgeists (Bill Skarsgård, „Es“) Hilfe der Konfrontation mit Cable…

„Kannst du lauter reden? Man versteht dich so schlecht mit dem Schwanz des Selbstmitleids im Mund.“

Bei seinem ersten Suizidversuch schimpft der Drogen bei seiner blinden Mutter hortende Antiheld Deadpool als Voice-over-Erzähler auf Marvel-Kollege Wolverine, was eine Rückblende zu Ereignissen vor sechs Wochen einleitet. Unvermittelt folgt eine Aneinanderreihung deftiger, blutiger Actionszenen auf der ganzen Welt, wie sie sich andere Produktionen fürs Finale aufsparen würden. Deadpool weiß, dass er sich in einem Film befindet, und kommentiert diesen Umstand süffisant in seiner Zweitrolle als Off-Erzählinstanz. Immerhin ist er mittlerweile in festen Händen, seine Freundin Vanessa (Morena Baccarin, „V – Die Besucher“) und er wünschen sich ein Kind. Doch dann wird sie erschossen. Überraschung: Alles dies war erst der Prolog! Auf diesen folgt natürlich kein normaler Vorspann, sondern die Parodie auf einen solchen.

„Bleib stehen oder Justin Bieber stirbt!“

Nach seiner Zeit bei den X-Men und einem kurzen Knastaufenthalt zusammen mit Firefist zeigen Rückblenden das Martyrium, das Firefist zu erleiden hatte, im Sinne einer Origin Story. Deadpool lässt sich lange bitten, die Gründung eines Knastteams zusammen mit Firefist lehnte er noch ab. Erst nachdem mit Cable eine Art Terminator aus der Zukunft, der hinter Firefist her ist, den ganzen Knast auseinandernahm, beginnt er umzudenken. Man lässt ihn nicht sterben, weil er zu Lebzeiten noch etwas von Bedeutung erreichen soll. Nun glaubt er, seine Mission sei es, Firefist vor seinen Feinden zu retten. Von Altruismus also auch in diesem Falle keine Spur. Das Superhelden-Casting für die X-Force, das neue Team, führt er zusammen mit seinem Kneipier durch. Bereits nach dem ersten Fallschirmsprung gehen alle X-Forcer in einem weiteren Anflug schwarzen Filmhumors drauf, mit Ausnahme Dominos – da es deren Superkraft ist, Glück zu haben. Herrlich.

„Manchmal muss man schmutzig kämpfen!“

Fortan gerät „Deadpool 2“ zu einem spektakulären Action- (u.a. wird Deadpool in zwei Stücke gerissen) und einem selbstironischen bis vulgären Spruchfeuerwerk inklusive zahlreicher popkultureller Anspielungen und Zitate. Das Tempo ist hoch. Und dennoch gelingt es, auch eine „richtige“ Geschichte zu erzählen: Auf jener Ebene, auf der „Deadpool“ ein Liebesfilm war, gerät „Deadpool 2“ aller charakterlicher Indisponiertheit seines Antihelden zum Familienfilm. Fraglich ist dabei indes, wie man einem Jungen vermitteln will, niemanden umzubringen, wenn man zuvor selbst zahlreiche Mitarbeiter eines Jugendheims niedergemetzelt hat. Hierin beißt sich dann auch tatsächlich ein wenig die innere Logik des Films (sofern man diesen Begriff bei einem Film wie diesem bemühen möchte). Die Regeln des Superheldenfilmsujets stellt „Deadpool 2“ jedenfalls wieder mit Vorliebe auf den Kopf. Kunststück, ist er doch vielmehr ein Metafilm, sogar inklusive Vorspulszenen. Trotzdem bekomme ich in der Schlussszene, die von einer „Take on me“-Akustikversion untermalt wird und das a-ha-Musikvideo zitiert, ein bisschen Gänsehaut. Zuvor erfreuten bereits AC/DC mit „Thunderstruck“ das Ohr.

„Du bist so düster! Sicher, dass du nicht aus dem DC-Universum kommst?“

„Deadpool 2“ greift also die Qualitäten seines Vorgängers auf und macht den fehlenden Überraschungseffekt mit viel Fan-Service wie einem wahren Actiongewitter wett. Deadpool dazu: „Jetzt gibt's ‘ne riesige CGI-Schlacht!“ Der respektlose Humor sitzt meist und ist eine willkommene Abwechslung sowohl zur verkrampften Ernsthaftigkeit und zum Pathos des handelsüblichen Actionfilms als auch zum gefälligen, familienfreundlichen Duktus hollywood’schen Blockbuster-Kinos. Einige Cameos runden den positiven Gesamteindruck ab, der lediglich durch die eine oder andere Inkohärenz beim (zugegebenermaßen schwierigen) Spagatversuch zwischen parodistischer Karikatur und das Publikum mitnehmender Story-Entwicklung getrübt wird. Zudem reißt manch mir viel zu realitätsbezogener Verweis auf Deadpools Krebserkrankung einen immer mal wieder aus der Fantasiewelt heraus. Nur beipflichten kann ich dem Film hingegen bei seinen sehr wahren Worten über feuchtes Toilettenpapier.

„Fuck, mehr ist den Autoren nicht eingefallen?!“

Nein, daher meine Wertung: 7,5 von 10 Fallschirmsprüngen!

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