Review

Die Dinos sind los. Nein, nicht diese gruselig anthropomorphen Latexkameraden der Sitcom vom Anfang der 1990er, die in ihrem halbmodernen Neandertal aussahen wie „V - Die außerirdischen Besucher", sondern die echten. Also die aus der Kreidezeit. Dem Jura. Der Trias. Es ist aber eigentlich und genau genommen vollkommen egal, wenn man da irgendwas verwechselt, denn das anvisierte Zielpublikum dürfte heute wie damals im Schnitt um die zwölf Jahre alt und damit nicht daran interessiert sein, groß zwischen sprechenden Sauriern im Monteuranzug und knuffigen Gruppenkuschel-Dinos zu unterscheiden. Und um die geht es nämlich in „Jurassic World: Fallen Kingdom" hauptsächlich. In allen Größen, Formen und Farben. Ist man beispielsweise lieb zu seinem Velociraptor, dann erteilt der einem nicht nur eine Lektion in Sachen Tierquälerei und Umweltbewusstsein, sondern erwidert die Zuneigung, wie das Reptilien eben naturgemäß so machen. Hier wird geknuddelt und rumgetollt, gehopst und geknutscht, dass man meint, da hüpft trotz einer schlimmen Stoffwechselstörung - Lassie. Ist sie natürlich nicht. Ist natürlich ein seit 80 Millionen Jahren ausgestorbener Saurier aus dem Mesozoikum, der sich in Chris Pratt verknallt hat, den austauschbaren Hauptdarsteller dieses Affentheaters.

In wirklich astreinen, makellosen und über jeden Zweifel erhabenen Computeranimationen wird der Untergang Disney-Dino-Worlds ins Werk gesetzt. Ergänzt um das ein oder andere Modell sind das die besten Ur-Riesen seit langem. Dafür ist die Geschichte völlig vom Brachiosaurus geplättet. Die Insel aus „Jurassic World" (2015), dem Teil zuvor, die im östlichen Pazifik liegt, geht wegen eines Vulkanausbruchs ihrem Ende entgegen. Also will man die Mega-Echsen retten. In Einstellungen, die an die Arche Noah erinnern, wird das Eiland, von kindlicher Fantasie ersonnen, geräumt. Dort hängt ein Triceratops am Helikopter, hier fährt einer auf der Ladefläche einen Tyrannosaurus, da vertauen Männer einen Diplodocus und drüben hat es sich ein Allosaurus auf einem LKW gemütlich gemacht - und schnarcht. Und das alles gleichzeitig. Es ist wie in der Villa Kunterbunt. Fast zumindest. Denn ein unglücklicher Brontosaurus muss zurück bleiben und wird vom pyroklastischen Strom des Vulkans erfasst. Und da das bestimmt weh tut, gibt er Laute von sich. Das hört sich dann ungefähr so an, wie wenn Chewbacca kotzt. Anlass genug für Bryce Dallas Howard, die sich hier erneut an der zweiten Hauptrolle versucht, eine Runde zu weinen. Es sind aber auch wirklich Dramen, die sich hier abspielen. Allerdings vor allem in Sachen Endzeit des Blockbusterkinos. Da wird es nämlich immer katastrophaler.

Bryce Dull Hogwarts, die sich hier erneut nebenher an Chris Pratt ranmacht, verfolgt, aufgeweckt wie sie ist, die geretteten Dinos in die USA. Nur leider wurden die Saurier nicht nur in Sicherheit gebracht, sondern auch entführt. Von ein paar Spitzbuben aus dem Kinderbuch, äh Bilderbuch. Weltwirtschaftskritisch treffen sich da, man glaubt es nicht, schon ein paar Stunden später, in einer Art riesigem Puppenhaus (dessen Dachgeschoss ein kleines Mädchen bewohnt), mitten im Wald, hunderte reicher Schnösel, die alle ihren eigenen Dino zum Spielen haben wollen und dafür fleißig Geld bieten. Das Höchstgebot erzielt ein Halluzinogenoirgendwassaurus, der genetisch modifiziert im Keller des Hauses zum Killer-Dino geupgradet wurde und eine Art Wachhund werden soll (Man fragt sich wo: Roswell? Trump Tower? Reichskanzlei?). Mit dem unheimlichen Viech bekommen es Chris Pratt, Bryce Coward und das kleine Mädchen naturgemäß bald zu tun. Und zwar handfest. Auch wenn man diese böse Kalamität keinem der Beteiligten irgendwie anmerken würde, denn das Laientheaterspiel der drei grenzt an eine mittlere Unverschämtheit. J.A. Bayona, dem Regieabenteuermann dieser debilen Geschichte, scheint es jedenfalls egal gewesen zu sein, dass seine beiden weiblichen Hauptakteure moralische Dilemmata ungefähr so gefühlvoll rüberbringen wie ein Münzautomat. Doch es wird noch apokalyptischer.

Die Kleine (Isabella Sermon), deren darstellerisches Geschick sich in dieser Szene ungefähr auf dem Niveau einer Schulaufführung einpendelt, hat die Dinos so lieb, dass sie es nicht übers Herz bringt, die haushohen Megalomanosaurusse und Zerfleischoraptoren dem im Keller des Disneyschlosses entwichenen Gas zum Opfer fallen zu lassen. Also entlässt sie sie, im Beisein von Chris Pratt und Dull Hogwarts, in die Freiheit. Wohl gemerkt irgendwo in Kentucky. Da werden sich die Nachbarn aber freuen. Die müssen sich allerdings sowieso langsam daran gewöhnen, dass da ein Tyrannosaurus durch ihr Gemüse stapft - jedenfalls wenn es stimmt, was von einem benebelt vor sich hin brabbelnden Jeff Goldblum in einem Gerichtsprozess prophezeit wird. Nämlich, dass sich die Nachkommen der Knuffelmonster dieser Kindergeschichte die Welt zurückerobern werden. Von den Menschen (Außer natürlich Japan. Denn da wohnt schon Godzilla).

„Jurassic World: Fallen Kingdom" ist nur eine weitere versehentliche Persiflage der Qualität hochbudgetierten Kinos. Irgendwo zwischen den „Transformers" und „Ant-Man and the Wasp" werden auch die Spielzeugfiguren der Disneydinos ihren Platz im Kinderzimmer finden. Erzählerisch wie intellektuell kommt das hier also quasi einem Massensterben der Hirnzellen gleich. Was dann doch etwas überraschend kommt, war doch der Teil zuvor, „Jurassic World" (2015), auf seine Weise nette, wenn auch seichte Sommerlochunterhaltung. Damit ist es nun aber vorbei. Wie mit der seriösen Paläontologie. Denn wie bei Michael Bay scheinen die Zielgruppenanalysen zu ergeben, dass es ohnehin völlig wumpe ist, was man an groteskem Blödsinn der juvenilen Menge vorsetzt. Da wird nämlich alles gefressen. Es muss nur cool aussehen und irgendwie rumhüpfen.

Details
Ähnliche Filme