Der Himmel ist schwarz, der Regen klatscht in Strömen auf tropische Farne und verwandelt den Boden in Matsch. Gelegentlich gewähren Blitze für Sekundenbruchteile einen umfassenden Blick auf die Küste Isla Nubars, an der ein paar Männer mit Bergungsarbeiten beschäftigt sind. Geborgen wird das Skelett des Ungeheuers, das in "Jurassic World" den Themenpark für die Generation 2015 zum Fall brachte - und doch im Maul eines noch größeren Ungeheuers endete. Trotz der direkten Verknüpfung mit dem inzwischen drei Jahre alten Vorgänger befinden wir uns eigentlich mitten in einem Flashback ins Jahr 1993, als der ungeschickte Wayne Knight während eines Monsuns mit einem trotzigen Jeep und einem Dilophosaurus zu kämpfen hatte. Ungünstige Umweltbedingungen gehören bei dieser Franchise seit jeher dazu, Unwetter stellten schon damals so etwas wie eine unmittelbar vollzogene Strafe Gottes für Verbrechen gegen die Natur dar. Der Mensch als das Gott spielende Wesen wird nicht erst in den Labors bei der Zeugung der Dinosaurier an den Pranger gestellt, sondern auch gerade in Sachen Maßlosigkeit im Umgang mit ihnen, wenn er selbst gebaute Transportvorrichtungen und Gerätschaften bedient, die um ein Vielfaches größer sind als er selbst (oder: wenn die Augen größer sind als der Bauch). Infolge der menschlichen Selbstüberschätzung hatte "Jurassic Park" schon immer viel mit dem Abdriften in unwirtliche "Off Track"-Bereiche zu tun und bezog seinen Reiz aus dem oberflächlichen Schein der Kontrolle, der in Wirklichkeit Tür und Tor weit aufriss in offenes, ungesichertes Gelände hinein, wo der Schöpfer ohne Netz und doppelten Boden mit seiner Kreatur konfrontiert wurde.
In seinen wenigen Szenen in einem Gerichtssaal, völlig losgelöst von der eigentlichen Handlung, fungiert Jeff Goldblum demzufolge als passiver Mahner und Prophet, der zynisch gestikulierend bloß das wiederholt, was er schon in "Vergessene Welt" mantra-artig predigte: Der Mensch lernt einfach nicht aus seinen Fehlern. Und je mehr Fortsetzungen die "Jurassic"-Reihe bekommt, desto selbsterklärender sein Argument und resignativer seine Körpersprache. Denn Filmunterhaltung ist in der einzigen großen Dino-Franchise Hollywoods gleichbedeutend mit der Betrachtung einer entsetzlich dummen Abfolge immer gleicher Fehler. Meistens, so auch hier wieder, schöpft sie sich aus kapitalistischer Habgier.
Nach der kurzen Reminiszenz an das Original im verregneten Prolog stürzt sich der inzwischen fünfte Eintrag in die Reihe postwendend mitten in das "Gefallene Königreich", das unter dem Strich nichts anderes ist als ein Synonym für die "Vergessene Welt", die Spielberg für seine Fortsetzung im Jahr 1997 erschuf. Es liegt eben in der Natur der Sache, dass der Attraktion (Phase 1) und einer aus ihr entstehenden Katastrophe (Phase 2) das große Saubermachen (Phase 3) folgt; hätte man einen Wall-E-Roboter irgendwo im Urwald einsam beim Aufräumen erblickt, hätte es kaum überraschen dürfen. Die 90er-Trilogie und die 10er-Trilogie, so viel steht schon früh fest, nehmen einen auffallend ähnlichen Ablauf an. Will man das positiv deuten und mit Goldblums Zeigefinger sprechen, könnte man behaupten, es unterstreicht nochmals die Dummheit menschlicher Zivilisation. Nur unterstreicht es leider in gewisser Weise auch die mäßige Originalität des Drehbuchs, das sich gerade mit dem modellartigen Vulkanausbruch und der daraus resultierenden Frage "Dinos retten oder nicht" kaum einen Gefallen tut. Die Topoi, die hier eröffnet werden, lassen jede Komplexität oder Vielschichtigkeit vermissen, gleichen eher einer vereinfachten Grundschul-Lektion in Sachen Erdgeschichte, Naturwissenschaften und Ethik. Ein vorstellbares, greifbares, realistisch anmutendes Szenario entwickelt dieser wie auf Knopfdruck in die Luft gehende Vulkan jedenfalls nicht.
Auch in der Inszenierung hat man zunächst das Gefühl, einer gerafften Version von "Vergessene Welt" beizuwohnen. Der Rettungstrupp ist mit Sympathieträger Chris Pratt, dessen zur Umweltaktivistin mutierter Love Interest Bryce Dallas Howard und einem jungen IT-Nerd ohne Abenteuer-Erfahrung (Justice Smith) belegt, dem gegenüber steht ein rabiat vorgehender Militärtrupp unter der Leitung von "White Hunter" Ted Levine, der als skrupelloser Trophäenjäger dem Vorbild Pete Postlethwaites nacheifert, ohne jedoch wie dieser nach einer Philosophie zu agieren, die ihn und sein Handeln interessanter erscheinen ließe. Bayona lässt derweil auf dem Regiestuhl ungewohnt früh die Hunde von der Leine und übt sich in einer Bildsprache, die man in Blockbustern dieser Art normalerweise erst kurz vor dem Abspann zu sehen bekommt. Die Blätter und Farne werden mit Hilfe des Computers ordentlich geföhnt, digitale Staubwolken entströmen derselben Box der Pandora und auch CGI-Lava verteilt sich flüssig sickernd aus ihr heraus über den Boden des Dschungels, während die Echsen gemeinsam mit den Abenteurern eine bunt gemischte Stampede Richtung Küste bilden, unschlüssig, ob sie sich nun gegenseitig fressen sollen oder doch lieber vor dem flüssigen Tod flüchten. Und weil all das in Windeseile noch im ersten Abschnitt abgehandelt wird, fehlt die Atmosphäre und vor allem die Zeit, die es braucht, um darin packende Situationen unterzubringen. Vom Suspense eines tanzenden Wasserglases oder einer T-Rex-Mutter, die auf der Suche nach ihrem verletzten Baby einen Wagen umkreist, sind wir jedenfalls ganz weit entfernt.
Die gute Nachricht ist allerdings: Bayona kann dank des ungelenken Aufbaus die synthetischen Krawall-Sequenzen für das Popcorn-Publikum schnell abhaken und zum eigentlichen Hauptakt übergehen, der ihn wesentlich mehr interessiert haben dürfte. Wegen des unrunden Übergangs fühlt sich das Ganze zwar wie eine Superhelden-Origin-Story an (schnell die Pflicht abhandeln, damit wir zur Kür übergehen können), doch wenigstens erzählt ein Trailer vorab ausnahmsweise mal nicht den ganzen Film, selbst wenn es den Anschein hat. Doch da kommt noch mehr. Und es gibt sogar die ersehnte Steigerung.
Von Spielberg im „Vergessene Welt“-Anhang bloß als Spielerei gedacht, mit der "King Kong" eine Reminiszenz zuteil werden sollte, geht man 20 Jahre später also völlig auf in der Idee, die Dinosaurier in die Zivilisation zu befördern. An dem Uncanney-Valley-Effekt, den ein aus dem Swimmingpool schlürfender T-Rex damals erzeugte, hat sich seitdem nichts geändert: Den neuen, noch besseren, noch tödlicheren und noch intelligenteren Super-Mega-Indoraptor durch die Hausflure wetzen zu sehen, ist ein Anblick, an den man sich erst noch gewöhnen muss. Es gelingen aber nun endlich diverse packende Momente, alleine schon über die visuelle Ebene. Wenig überraschend fühlt sich Bayona als Regisseur des Psychothrillers "Das Waisenhaus" in den dunklen Fluren mit Museumsfenstern, verschnörkelten Wendeltreppen und blumigen Tapeten äußerst wohl und veranstaltet für den Rest des Abends eine zünftige Predatoren-Hatz im fahlen Mondschein, die er mit einfallsreichen Schattenbildern und anderen optischen Spielereien eher auf Horror denn auf Action münzt. So wenig Kreativität man der nochmaligen Steigerung des T-Rex-Gen-Cocktails aus dem direkten Vorgänger zusprechen kann, der Indoraptor wird immerhin beängstigend in Szene gesetzt und weckt nicht selten Erinnerungen an die ersten Auftritte von Gigers „Alien“, denn zwischen dem Gepolter gibt es auch etliche Momente der leisen Anspannung, in denen die Intelligenz des Monsters mit leisen Klick-Geräuschen eine stetige Evolution erfährt.
Schade, dass man sich die gute Arbeit beim Aufbau von Spannung zum Teil wieder unnötig selbst verbaut, indem man die Dinosaurier mit anthropomorphen Zügen versieht (sehr grenzwertig: die beinahe schon an Slapstick grenzende Käfig-Szene mit Levine) oder anderweitig in obskure Kontexte setzt (Stichwort Löwe). Zumal einige der digitalisierten Bewegungen wie schon im Vorgänger der Glaubwürdigkeit nichts Gutes tun: Mauern zerbröckeln und Gitterstäbe verbiegen sich, als bestünden sie aus Butter, und das nur, um die ungebremste Kraft der Tiere zu demonstrieren.
Die Vermenschlichung von „Blue“ steht dabei noch einmal auf einem ganz anderen Blatt; wer sich an der Beziehung zwischen dem Raptoren und Alpha-Pratt bereits im letzten Teil störte, dürfte angesichts des fein ausgearbeiteten Raptoren-Charakterprofils im vorliegenden Teil die Hände zusammenschlagen (fehlt nur, dass Blue am Set seinen eigenen Stylisten hatte).
Viele Stars aus „Jurassic World“, die Pteranodons beispielsweise oder der Mosasaurus, fristen im neuen Ableger interessanterweise ein Schattendasein mit Cameos und Kurzauftritten. Dass sich das Skript auf ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem Indoraptor beschränkt, hat entsprechende Auswirkungen auf die Artenvielfalt. Ein Pachycephalosaurus darf immerhin mit seinem schlagkräftigen Auftritt als „Party-Aufmischer“ die Ehre der Pflanzenfresser verteidigen, wohingegen sein großer Vegetarier-Kollege, der Apatosaurus, mit seiner majestätischen Größe hauptsächlich wieder die Melancholie des Aussterbens unterstreicht. Ein wenig tragisch ist dagegen der Umgang mit dem einstigen König der Echsen, dem Tyrannosaurus Rex: Wie ein alternder Actionstar schaut er immer mal eine Szene lang vorbei, um mit vergangenen Taten zu prahlen und den einen großen Oneliner aufzusagen. Einen Auftritt, der über das postmoderne Spiel mit den Erfahrungswerten aus „Jurassic Park“ hinausginge, hat er in der neuen Trilogie leider noch nicht hinlegen dürfen.
Und die andere Seite? Neben Levine, dessen primitive Beweggründe nun wirklich keine tiefere Auseinandersetzung mit seiner Figur verlangen, kann auch der Hauptbösewicht keine weiteren Akzente setzen. Toby Jones spielt einen Falschen Fuffziger mit falschen Zähnen, damit er auch so richtig schön falsch aussieht. Doch die Motivation der Villains und ihrer bewaffneten Helfer ohne Gesicht bleibt so modellartig wie der Vulkanausbruch zu Beginn. Ein introvertiertes Mädchen mit Dinosaurier-Vorliebe, das durch ihr Museums-Heim huscht wie einst Newt durch die Gänge der Raumstation in „Aliens“, wirkt wie ein automatisiertes Skript, wobei einlenkend zu sagen ist, dass der Nerv-Faktor relativ gering ausfällt. Das Gespann Pratt / Howard verschiebt das Liebesgeflüster auf später, wenn es mal etwas ruhiger ist. In diesem Fall ist man sogar irgendwie froh, dass die Beziehung über die aus dem Trailer bekannte Bar-Szene hinaus kaum ausgearbeitet wird. Als Krönung weiß auch Michael Giacchino mit seinem lärmigen, überakzentuierten Soundtrack nichts Tiefgründiges beizutragen, sondern unterstreicht die Eindrücke, die man von den Figuren bekommt.
Der Ausblick auf Teil 3 allerdings hat es noch einmal in sich. Eine solche Ausgangslage verwandelt man in der Regel entweder zum Volltreffer oder man versemmelt sie komplett. Definitiv wird es reizvoll zu sehen, welche Abzweigung die Trilogie zu ihrem Ausklang nimmt. Das Mittelstück garniert den Übergang immerhin mit einer atmosphärisch dichten Menschenjagd, die zum Teil für das verquaste Drehbuch und den viel zu hektischen ersten Akt entschädigt.