Nach 10 Jahren behutsamem Aufbau eines filmisches Universums machte sich Disney nun endlich daran, alle sorgfältig eingeführten und charakterisierten Comic-Protagonisten zusammen in einem Film (oder vielmehr 2) zusammenzuführen.
Jeder individuelle Held bekam eine meist spektakuläre Einführung, manche gar ihren eigenen Film und zwischendurch steuerte man mit "The Avengers" und "Avengers: Age of Ultron" zwei mehr als würdige Appetithappen auf die spektakuläre Vereinigung der verzweigten Storylines ein, die sowohl story-technisch als auch als der ultimative Höhepunkt der Marvel-Studios entworfen, geplant und ausgeführt wurden.
Hier stimmen Starfaktor und -dichte, Effekte, Action und guter Wille, alles ist hoch professionell gemacht und dennoch ist "Avengers - Infinity War" für mich nicht nur die größte Enttäuschung des filmischen Marvel-Universums geworden sondern auch ein lieblos spektakuläre Szenen aneinander reihendes Spektakel geworden, das nach kurzer Zeit zu viel heißer Luft verpufft.
An den Darstellern kann es nicht liegen, mit Ausnahme von Scarlett Johanssen, die hier mehr als auf Sparflamme agiert, geben alle Haupt- und Neben-Charaktere ihr Bestes, um aus diesem hochgepeitschten Effekte-Gewitter das gewünschte herauszuholen.
Doch bekommt die Fülle der Figuren in "Infinity War" zu keiner Zeit Gelegenheit, sich charakterlich zu entwickeln oder gar zu dramatischen Handlungen hinreissen zu lassen.
Vielmehr wirkt es, als hat man im Drehbuch auf diese in vergangenen Filmen bereits vorher getane Arbeit komplett verzichtet, damit hier einzig und allein die Handlungen im Vordergrund stehen können.
Ohne glaubhafte Motivation kommen einem dabei die Entscheidungen der einzelnen Figuren äußerst seltsam vor (warum geht es nach Wakanda, warum kann StarLord sich im wichtigsten Moment - trotz Aufforderung - nicht wenigstens einmal beherrschen?)
Nur Thanos und im weitesten Sinne Groot machen eine Spur von nachvollziehbarer Charakterentwicklung durch oder werden wenigstens mit einigermassen glaubhaften Motivationen ausgestattet in diesem mit 149 Minuten auch noch viel zu langen Schlachtengetümmel.
Die professionelle Inszenierung der beiden Regisseure steht ebenfalls ausser Frage. Beide haben bewiesen, dass sie das Marvel-Universum gut im Griff haben und unterhaltsam und dramatisch ein gutes Drehbuch inszenieren können, so dass den Marvel-Filmen der Vergangenheit stets ein sehr guter Spagat zwischen Action und emotionaler Dramatik gelungen ist.
Vielleicht brauchen die Avengers auch einfach Joss Whedon zum guten Gelingen.
Es werden parallell Handlungsstränge erzählt, die fast allesamt den gleichen Inhalt haben aber der Funke möchte einfach nicht überspringen. Bei der Jagd nach den Infinity-Steinen geht die Dramatik vor die Hunde, die lieb gewonnenen Charaktere werden einer nach dem anderen zu Stichwortgebern degradiert oder gleich ganz aus der Handlung verdrängt.
"Avengers - Infinity War" ist ganz klar eine One-Man-Show (mit Tony Stark hat das alles auch noch Spass gemacht) für den großen, unbesiegbaren, tragischen und bemüht differenzierten Thanos, der, zugegeben, mit Josh Brolin auch adäquat besetzt ist.
"The First Avenger: Civil War" ist für mich auf jeden Fall der bessere Avengers-Film und irgendwie mag ich gar nicht mehr wissen, wie Avengers-Film Nr. 4 das ganze entstandene Chaos und all die losen Fäden aufräumen und ordnen möchte, denn eines ist mir nach diesem Blockbuster erst einmal komplett vergangen: Die Lust auf Superhelden...
Fazit: Professionelles Starkino, das von allem zu viel bietet aber dadurch leider die Wurzel der "Avengers"-Filme nahezu komplett verkümmern lässt.
Wo Disney mit "Star Wars" eine richtige Richtung eingeschlagen und nachvollziehbar und richtig weiterentwickelt hat, scheint "Infinity War" qualitativ das filmische Ende der Avengers einzuläuten und konsequent durchzuziehen.