kurz angerissen*
Das Monstrum hat endlich einen Ausweg aus der Produktionshölle gefunden. Als es seinen fettleibigen, mit viel zu vielen Mythen gefütterten Körper mühsam über die Pforten zur Realität schleift, hinterlässt es unzählige Anekdoten fehlgeschlagener Finanzierungen, verhinderter oder verstorbener Darsteller, mehrere Neuentwürfe und nicht zuletzt einen völlig verzweifelten Regisseur, der im Kampf gegen den größten Dämonen seiner Karriere einfach nie aufgeben wollte. Doch was sich da schlussendlich, zwanzig Jahre nach den ersten Bemühungen, auf der Leinwand manifestiert, ist nicht das Epos, dass sich die Hoffnungen über Jahre still und heimlich als Luftschloss erträumten. So viel war noch zu erwarten; aber wie sich herausstellt, ist es nicht einmal der Versuch, etwas Episches zu schaffen. "The Man Who Killed Don Quixote" ist écriture automatique in seiner reinsten Form, das Erbrochene eines Kranken, der sich radikal gesund kotzt. Rücksicht auf die Historie des Projekts nimmt Terry Gilliam dabei keine, womit er gewissermaßen eingesteht, sich jahrelang für eine irrationale Obsession aufgeopfert zu haben.
Gilliam wusste, dass sein "Don Quixote" in der Imagination wohl das größere Werk geblieben wäre. Weil es jedoch therapeutisch sinnvoll sein kann, das Unvollendete - egal wie - zu vollenden, bekommen wir nun eine kreischende Metapher zu Gesicht, die mit blinkenden Pfeilen auf das Leiden ihres Erschaffers verweist. Dessen Windmühlen sind drei große, fette Riesen, die sich höhnisch lachend in Zeitlupe vor den Horizont stellen und ihn mit ihren überdimensionalen Leibern verstellen. Wie dieser überzeichnete Surrealismus aus einer Szene im letzten Abschnitt funktioniert auch der gesamte Film: Ein profaner Filmdreh wird zum Auslöser einer Kette absurder Ereignisse, mit denen sich die Verrücktheit des Herrn auf den Geisteszustand des Dieners überträgt. Dass Don Quixote dabei für das Filmprojekt steht und Sancho Pansa für Terry Gilliam, ist nicht allzu schwer zu erraten, ebenso wenig, wohin die Reise führt.
Was ein Frederico Fellini in "Achteinhalb" jedoch zu einer brillanten Selbstanalyse zu formen wusste, an deren Entstehen der Betrachter aus der Mittendrin-Perspektive praktisch live teilhaben kann, bleibt "The Man Who Killed Don Quixote" über weite Strecken sperrig und anstrengend. Derweil Adam Driver in der Karikatur eines abgehobenen Künstlers versinkt, hockt Jonathan Pryce wie ein neonfarbenes Ausrufezeichen auf seiner Rosinante und versetzt sich selbst und alles um ihn herum in eine Hysterie, der zu entkommen unmöglich ist. Die Kombination dieser beiden Elemente ergibt einen Humor, der ganz ähnlich funktioniert wie jener aus Gilliams Eskapismus-Fantasie "Brazil", aber eben doch wieder so anders erscheint, dass er nur sehr schwer zu ertragen ist. Selbiges gilt für das merkwürdige Nebeneinander von Semi-Dokumentarischem und Märchenhaftem in Bonbonfarben. Die Sets erscheinen teilweise mit Bedacht ausgewählt und erzeugen schöne Momente, verströmen dann aber wieder so viel hässliches Chaos, dass man kaum in die Vision eintauchen kann.
Hier ist ein Werk entstanden, wie es Künstler unter Laken in ihren Ateliers oder Schriftsteller in ihren Schreibtischschubladen verstecken, um gelegentlich in einsamen Momenten einen Blick darauf zu werfen. Schade für Terry Gilliam, dass ein Film schon wegen der vielen Produktionsbeteiligten niemals eine vollständig private Angelegenheit sein kann.
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