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„Ich säe Zwietracht – ich bin nämlich Regierungsbeamter!“

Es lohnt sich doch immer wieder zu betonen, dass der italienische Regisseur Lucio Fulci keinesfalls auf seine Splatterfilme, die er ab Ende der 1970er drehte, reduziert werden darf und immer einmal wieder einen Blick auch auf seine anderen Genre-Arbeiten zu werfen, so z.B. auf die 1973 in italienisch-französisch-spanischer Koproduktion erschienene Jack-London-Verfilmung „Wolfsblut“.

Der mit seinem Vater Charlie (Daniel Martin, „Für eine Handvoll Dollar“) in der Natur lebende Inuit-Junge Mitsah (Missaele) freundet sich mit einem Mischling aus Wolf und Hund an und zähmt ihn. Als Mitsah eines Tages ins Eis einbricht, wird er zwar von „Wolfsblut“, wie er die Kreatur getauft hat, gerettet, benötigt jedoch ärztliche Versorgung. Aus diesem Grunde reist er mit seinem Vater in die Goldgräberstadt Dawson City, die unter dem Einfluss des Klondike-Goldrauschs steht. „Beauty“ Smith (John Steiner, „Der Verfahren ist eingestellt – vergessen Sie’s!“) kontrolliert dort mit seiner Gefolgschaft die Geschicke und beutet die Goldschürfer aus. Der Regierungsbeamte Kurt Jansen (Raimund Harmstorf, „Der Seewolf“), sein Freund, der Autor Jason Scott (Franco Nero, „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“) und die katholische Schwester Evangelina (Virna Lisi, „Blaubart“) machen dort ebenfalls Station. Eine Krankenstation soll eingerichtet werden und just in diese wird der kleine Mitsah eingeliefert. Mr. Smith jedoch interessiert sich nur wenig für das Schicksal des Jungen und verwickelt Wolfsblut in einen blutigen Hundekampf – den er gewinnt. Als sich Mitsahs Vater jedoch das Tier nicht von Smith abkaufen lassen will, akzeptiert Smith diese Entscheidung einfach nicht…

Der beste Freund des Menschen ist mitnichten der Mensch, denn dieser ist dem Menschen ein Wolf. Nein, die Rede ist selbstverständlich vom vom Wolf abstammenden Hund. Das wusste anscheinend seinerzeit schon Jack London, dessen literarische Vorlage ich inhaltlich allerdings nicht kenne, weshalb sich jeder Vergleich mit ihr erübrigt. Fulcis Ende des 19. Jahrhunderts angesiedelte Verfilmung präsentiert sich als Abenteuerfilm im Western-Gewand mit anfänglich weiten weißen Landschaftsaufnahmen winterlicher Idylle sowie tierdokumentarischen Bildern eines Angriffs eines Wolfsrudels auf Wild, der überleitet in die Geschichte der Domestizierung Wolfsbluts. Sämtliche naturbelassene Idylle endet jedoch jäh, als es in die vom Goldrausch beseelte Stadt geht, in der Jansen und Scott schon bald zwei Nervensägen nach allen Regeln der Kunst verprügeln müssen. Ein zunächst parallel verlaufender zweiter Handlungsstrang zeigt die schlimmsten Auswüchse und macht „Wolfsblut“ auch zu einem Lehrstück in Sachen Frühkapitalismus: Mr. Smith beutet die naiven Goldschürfer mit Wechsel- und Zinswesen aus. Doch dies ist nicht das einzige Übel der amerikanischen Geschichte, das Bestandteil des Films wird, auch den Rassismus der Siedler gegen die Ureinwohner zeigt Fulci in ungeschönter Form. Die Inuit werden als Menschen zweiter Klasse behandelt und ihrer Rechte beraubt.

Der von Smith initiierte Hundekampf ist grausam, passt aber zu seinem Charakter: Er ist der Typ Mensch, der glaubt, alles kaufen zu können – und kann er es einmal nicht, setzt er seinen Willen mit Gewalt durch. U.a. zu diesem Zwecke unterhält er eine Bande aus Betrügern, Tierquälern, Frauen- und Kinderschändern und Mördern. Nach einem von ihnen begangenen Mord erklingen einige zum Kontext passende Bibelzitate aus dem Munde des falschen Pfaffen Oatleys (Fernando Rey, „Blutiges Blei“). Wesentlich deutlicher wird da die fromme Gebetschwester, wenn sie schließlich im Finale ein flammendes Plädoyer gegen Lynchjustiz hält – während Smith weitestgehend unbeeindruckt weitermordet.

Ja, der von einem klassischen orchestralen Soundtrack begleitete Film beinhaltet schreiende Ungerechtigkeiten zuhauf, die nach etlichen Verlusten schlussendlich (Achtung, Spoiler!) gesühnt werden. Leichen pflastern den Weg zum Ziel und somit ist „Wolfsblut“ keinesfalls mit niedlichem, anheimelndem Kinderkino zu verwechseln. Hier geht hart zur Sache und am Goldrausch mit seinen von der Habgier getriebenen Menschen wird kaum ein gutes Haar gelassen. John Steiner als Mr. Smith spielt mit diabolischem Lächeln und überheblicher Mimik seine Rolle überaus hassenswert und schmierig, auch Harmstorf und Nero überzeugen in ihren Rollen (taten sie dies jemals nicht?). Nachwuchs-Mime Missaele macht seine Sache auch prima und eine Virna Lisi wünscht man sich nicht nur fürs Geistliche. Die Tierdressur klappte anscheinend prima und die verwendeten Hunde „spielen“ gut genug mit, um den Subplot von Tiertreue etc. nicht zu konterkarieren. Mit Fulcis sorgfältiger Inszenierung, seiner emotionalen Wirkung, seinem Anspruch, und spannenden Unterhaltungswert empfiehlt sich „Wolfsblut“ als Abenteuerklassiker für die ganze Familie ab den größeren Kindern aufwärts, ohne dafür Kompromisse eingehen zu müssen. „Wolfsblut“ hat sich als stubenrein und zwar etwas bissig, jedoch nicht tollwütig erwiesen, gehört definitiv nicht auf die Liste der Problemhunde und hat sich damit 7,5 von 10 Leckerlis ganz ohne Betteln redlich verdient.

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