Stellen Sie sich einmal vor, Ihnen wird das Liebste auf der Welt von skrupellosen Attentätern gewaltsam entrissen und Sie müssen mit dem schicksalshaften Verlust ein Leben lang existieren, käme Ihnen nicht auch der Gedanke an Vergeltung in den Sinn? Diese Thematik und die bejahende Antwort der gestellten Kernfrage ist der storytechnische Hintergrund unzähliger mal mehr bzw. auch mal weniger überzeugender Rache Thriller. Leigh Whannel, der 2004 das erste Drehbuch zum Horror Klassiker SAW lieferte, kombiniert in seinem 2018 veröffentlichten "Upgrade - Weder Mensch noch Maschine" die altbekannte Materie mit einem packenden Science-Fiction Plot sowie knallharter Action und beweist durch die lediglich 5 Millionen Dollar teure Produktion, dass gute Unterhaltung auch aktuell nicht immer Unsummen an Geld verschlingen muss. Inspirieren ließ sich Leigh Whannel bei seiner fesselnden Zukunftsvision von unterschiedlichsten Referenztiteln der Filmhistorie, so bemerken sachkundige Genrekenner nicht ganz unoffensichtliche, überdeutliche Einflüsse von der sechs Millionen Dollar Mann (1973-1978), Terminator (1984) , Robocop (1987), Die totale Erinnerung (1990), Matrix (1999), Repo Man (2010) oder dem fast zeitgleich erschienen Venom (2018), welche Whannel auch auf Nachfrage hin nicht verleugnet.
Amerika im Jahr 2046. Das bis dahin sorglose Leben von Autorestaurateur Grey Trace (Logan Marshall-Green) gerät in einer Minute auf die andere völlig aus den Fugen, als eine Bande von Ganoven bei einem scheinbar zufälligen Überfall seine Frau Asha (Melanie Vallejo) erschießen und er selbst zum querschnittsgelähmten Krüppel geprügelt wird. Daraufhin erhält er vom mysteriösen Erfinder Eron Keen (Harrisson Gilbertson) ein verlockendes Angebot: Eine Implantation eines neuartigen Chips soll Grey das Laufen wieder ermöglichen. Nach kurzem Zögern willigt er ein, der Eingriff glückt und Grey erhält neben der wiedergewonnenen Mobilität auch übernatürliche Kräfte, mit welchen er die Mörder seiner Frau zur Strecke bringen möchte. Dabei gerät er zwischen die Fronten von der ermittelnden Polizistin Dedective Cortez (Betty Gabriel), die von Fisk (Benedict Hardie) angeführten Gangster und seinem eigenen "Heilsbringer" Keen, der vorgibt seine Technologie schützen zu wollen. Doch die größte Gefahr lauert nicht da draußen, sie lauert in seinem eigenen Kopf, denn der ihm eingepflanzte Minicomputer STEM entwickelt sein eigenes Bewusstsein und gerät nach und nach außer Kontrolle...
Zunächst einmal folgt Upgrade dem 1 x 1 der Rachefilme und sympathisiert seinen Hauptprotagonisten mit signifikant kontrastreicher Darstellung von herrschender Glückseligkeit in Einklang mit urplötzlichem Verlust, verursacht von möglichst gnadenlos agierenden Antagonisten. Dabei fährt die Tragik der Situation sowie deren Folgen alleine durch die pure Dramatik des Augenblicks in Mark und Bein und verzichtet auf überzogenen Gewaltvoyeurismus von so manch anderem Genrevertreter, was zwar als ungewöhnlich, aber durchaus begrüßenswert zu deuten ist. Im Moment der völligen Desillusion wirft Whanell seinem Titelhelden den rettenden Anker zu, dessen Tragweite das Publikum anfangs nur erahnen kann und die ausgeübte Macht der künstlichen Intelligenz auf den unmittelbaren Handlungsverlauf steigert sich sukzessive mit fortlaufender Filmdauer. Die subtile verbale Interaktion zwischen STEM und seinem Probanden erfolgt mit einer Mischung aus leicht angedeuteter, schwarz-humoriger Ironie, einem Hauch von Gesellschaftskritik und einer unheimlich bedrohlichen Ausstrahlung, was für den persönlich empfundenen Unterhaltungsfaktor im wahrsten Sinne des Wortes ein spürbares Upgrade bedeutet.
Des weiteren wissen alternative phantasievolle Science-Fiction Inhalte wie beispielsweise körperinterne Schusswaffen auf Verbrecherseite oder selbstfahrende High-Tec Autos mit eigener Intelligenz zu überzeugen, so dass der Zuschauer fasziniert von der Gegenwart mit Neugierde auf die bevorstehenden Filmminuten blicken kann, welche mit einigen geschickt eingestreuten, unvorhersehbaren Plottwists überraschen können. Auf die Schulter darf sich Leigh Whannel auch bezüglich der technischen Umsetzung klopfen, nebst Drehbuch zeigte er sich für das Organisatorische als Regisseur ebenso verantwortlich. Trotz überschaubarer finanzieller Mittel wirken die Setbestandteile mit den futuristischen Kulissen für B-Movie Verhältnisse erstaunlich wertig und die actionreichen Fights wurden mit temporeicher, aber dennoch übersichtlicher Kameraarbeit sowie einem spannungsfördernden Soundtrack audiovisuell gefällig in Szene gesetzt. Der an den Tag gelegte Härtegrad ist dabei im gesunden Mittelfeld angesiedelt, Upgrade bietet ein paar gelungene, dezent blutige, handgemachte Gewaltspitzen, auf pausenloses Gemetzel wird aber bewusst verzichtet.
Darüber hinaus verinnerlicht Upgrade größtenteils ansprechend agierende Darsteller, welche die vom Drehbuch gestellten Anforderungen an Ihre Rollen vorlagengetreu umsetzen. Logan Marshall-Green spielt den Wandel vom gebrochenen Querschnittsgelähmten zum mächtigen Rächer absolut überzeugend, gleichzeitig schafft er es aber auch in den unterhaltsamen Zwiegesprächen mit STEM die gewissensbezogene menschliche Komponente zu unterstreichen, während STEM ohne Emotionen strikt seinen egoistischen Zielen nachgeht. Harrisson Gilbertson sorgt mit seiner ausgezeichneten Performance für eine förmlich spürbare Greifbarkeit der wahnhaften Besessenheit eines übereifrigen Wissenschaftlers. Eine ganz starke Leistung liefert auch Benedict Hardie als charismatisch durchgeknallter Oberschurke ab, der mit seiner diabolischen Mimik und seiner psychopathischen Ausstrahlung für mich persönlich das schauspielerische Highlight des Streifens darstellt. Bei all der Lobpreisung muss aber auch ein deutlicher Kritikpunkt meinerseits erwähnt werden: Betty Gabriel als ehrgeizige Polizistin konnte mich mit ihrer unscheinbaren Darbietung so gut wie gar nicht ansprechen, nach meinem subjektiv geschmacklichen Empfinden würde ich sie sogar als glasklare Fehlbesetzung betiteln, ihr Auftreten wirkte auf mich einfach zu hölzern und bestenfalls ausbaufähig.
Wirtschaftlich brachte der Film weltweit knapp 17 Millionen Dollar ein, was in Relation zum geringen Budget gar nicht mal ein so schlechtes Ergebnis ist, Upgrade konnte direkt formuliert das dreifache seiner Kosten wieder einspielen. Meine persönliche Wertschätzung für dieses empfehlenswerte Kleinod schrammt knapp an der Höchstpunktzahl vorbei. In erster Linie begeistert mich der gelieferte Ideenreichtum mit den dazugehörigen Erklärungen sowie die Plausibilisierung des transportierten Tenors und auch die technische Umsetzung des zukunftsträchtigen Szenarios ist nicht von schlechten Eltern. Die Charaktere überzeugen und spannende, atemberaubende Action mit einer Prise schwarzen Humor gibt es obendrein dazu. Upgrade gelingt es, fast alle meine relevanten Ansprüche zur vollsten Zufriedenheit zu erfüllen. MovieStar Wertung: 9/10 Punkte.