Review

Geradezu verblüffend schlecht, was Robert Rodriguez mit „Irgendwann in Mexiko“ abliefert.
Ähnlich dem zeitlich nicht näher definierenden Titel, bleibt auch der Rest ein form- und substanzloses Zeugnis beachtlicher Schludrigkeit.
Der ganze Film wirkt, als würde ein beachtlicher Musterschüler nach eigentlich schon abgelieferter Diplomarbeit, hysterisch seine Ideensammlung mit diversen angesehenen Mitschülern an einem Nachmitttag verfilmen und schneiden, um sich zusätzlich bei seinem Prof anzubiedern.
Das Ergebnis ist einfach nur furchtbar dilletantisch.

Da stellt sich die Frage: war Rodriguez einfach nur am Ende, überarbeitet vielleicht, übernächtigt gar? Oder verfiel er in eine Art manischen Tatendrang, der ihm jeglichen Sinn für Realität raubt, so daß er im halben Fieberwahn einen Zettelkasten voller Notizen zusammenklebte?
Anders läßt es sich nicht erklären, denn im Vorspann lesen wir wieder mal „screened, chopped and scored“ by R.R. und selbstverständlich folgt darauf noch die Regie. Doch dieses Mal hat er sich eindeutig übernommen.

Fangen wir bei dem wirren Skript an, daß so ziemlich jedes Klischee aus irgendwelchen Italo-Western aufklaubt und mit aus derselben Quelle stammenden Rache-Storys aufkocht.
Leider ein paar zuviel, denn die Handlungsstränge produzieren lediglich dramaturgischen Wirrwarr.
Ist es schon kompliziert genug nachzuvollziehen, wer hier wie wem ans Leder will (immerhin geht das noch halbwegs), sind die Handlungsweisen der Figuren gänzlich bla.
Johnny Depp CIA-Agent Sands, der sich das komplizierte Aufeinanderhetzen wohl ausgedacht hat, scheint als einziger durch das Gewimmel durchzublicken, nur hat Sands ordentlich einen am Sträußchen, was es für uns nicht leichter macht.
Antonio Banderas‘ Mariachi dagegen hat wohl so was wie ein Gelübde abgelegt (was für eins auch immer), kickt das aber kurz darauf lässig in die Tonne. Ansonsten will jeder was anderes, nur der Präsi hat Brauchbares im Sinn. Es soll wohl überraschend sein, wenn diverse Figuren diverse Figuren hintergehen, mit anderen paktieren und dann mal wieder jemanden auslöschen, nur muß das auch was bringen für den Plot.

Hier scheint es eher, als hätte sich Rodriguez so verzettelt (oder er war in Zeitnot), daß er die dramaturgischen Knoten nicht anders gelöst bekam, als am Ende schnell mal alle umzulegen. Der Abgang am Ende geht so flott von der Hand, als wäre gleich das Filmmaterial alle gewesen.
Aber die Logik hat sich da eh schon verabschiedet, wenn der Präsident in irgendeinem Kuhkaff eine Rede will und den nebenan stehenden Palast dazu nutzt, das Straßenvolk die Revolutionsarmee erfolgreich bekämpft, der Revolutionsführer eigenhändig kommt und ein vorgetäuschter Tod so nachlässig ausgeführt wird, daß der Zuschauer schon gähnt, wenn er angekündigt wird. Das Ausstechen von Johnny Depps Augen ist so sinnlos, wie es nur dem lustigen Folgeeffekten gelten soll. Und sowohl Dafoe als auch Mendes, ja selbst der anscheinend immer noch an Sufffolgen und Gesichtslähmung leidende Rourke müssen sich so scheiße-doof benehmen, daß man nicht mal nießen darf, weil man sonst ihr Ausscheiden kaum bemerkt.

Was aber nichts als ein Beweis dafür ist, daß Rodriguez hier alles falsch macht, was nur geht. Allein der Rahmen, das Setting, ist so ausgefranst offen nach allen Seiten, daß Verwirrung herrschen muß. Nicht einmal ansatzweise ist die Zeit definiert, in der das alles spielt, ganz abgesehen von einer eventuellen politischen Lage. Es ist ein phantastisches, halb fantasy-haftes Mexiko, irgendwo halbwegs gestrandet in der Realität, doch in jeder Szene fernab des Realismus.
So gehen denn die Westernverweise auch gleich ins Seitenaus.
Alles ist so katastrophal geschnitten, als hätte Rodriguez die Spy-Kids-Hauptdarsteller an die Aufgabe gelassen. Ruppig, hektisch, mit seltsamen Perspektivwechseln und viel zu viel sinnfreier Handkamera wird so ziemlich jede eindrucksvolle Szene verschenkt, jeglicher mythische Atem, der „Desperado“ noch wenigstens zum Teil umwehte, im Keim erstickt.

Man sollte schon den einen oder anderen Sergio-Leone-Film kennen, daß sich wortkarge Southern-Helden und Fieslinge nicht mit Dauerpoweraction vertragen. Und auch spannungsfördernd wird hier das ganze Potential auf die Schnelle verballert, wo die schicksalsschweren Szenen nach Exposition schreien.

Nicht, daß die Dauerpower besser dran wäre. Ein ums andere Mal geht die Logik und Wahrscheinlichkeit komplett flöten, sind selbst brauchbare Ideen (wie die angekettete Flucht aus dem 5.Stock) so schlecht geschnipselt und mit so unfähigen Ballerkalles (die offenbar zu doof zum Geradeausschießen auf ein nicht bewaffnetes Ziel sind) bestückt.
Eine Motorradflucht wurde offenbar an vier verschiedenen Locations geschossen und ansatzlos aneinandergeklebt, der Mariachi weist Spider-Man ähnliche Qualitäten auf und die Gitarrenkoffer enthalten nur noch kindische Albernheiten. Von den feurigen Explosionen aus dem Schülerbaukasten, die die Stuntmen auf die Trampoline zwingen, aber der Umgebung nichts tun, mal ganz zu schweigen.

Kein Wunder also, wenn selbst der schauspielerische Auflauf ins Nichts verblasen wird.
Am unbehelligsten kommt da noch Salma Hayek raus, die aber auch nur drei kurze Rückblenden hat. Banderas Mariachi dagegen verkommt zur besseren Nebenrolle, die man mitunter bisweilen im Film komplett vergißt.
Dafoe hat nichts zu tun, Rourke kann offenbar nicht mehr schauspielern, der Darsteller des Marquez ist ein Null-Quality-Face und Eva Mendes sollte wohl auch nur ihre Frisur zeigen.
Trejo und Marin haben sinnfreie Bit-Parts und noch überflüssigere Abgänge und Enrique Iglesias liefert wohl das untalentierteste Debut aller Zeiten ab, denn einen geistloseren Gesichtsausdruck (mit ständig halb offenem Mund) hat man lange nicht gesehen.
Einzig Ruben Blades als Ex-FBI-Agent, die einzige halbwegs realistische Rolle, deren Anstrich in dem überbordenen abstrusen Werk total deplaziert wirkt, muß keine Einbußen hinnehmen.

Gehören tut der Film aber Depp, der noch vor seiner Piratenrolle gleich noch einen komplett wahnsinnigen Charakter darstellen durfte (der Film wurde lange zurückgehalten). Offenbar mit Narrenfreiheit gesegnet und dementsprechend wildwuchernd, bietet sein Sands die einzigen witzigen und einfallsreichen Momente des Films. Nur leider tut diese fast psychopathische Rolle mit ihren ständigen Kostümierungen dem Film damit keinen Gefallen, sondern reisst ihn erst recht damit in den Abgrund. Depp ist over the top und eight miles high und nichts paßt weniger zu einem Mexicano-Epos, vor allem weil ihm wohl noch alle Sympathien gehören, die er ständig nutzt, um noch mehr hanebüchenen Quark zu produzieren.
Die „ich-geh-jetzt-in-die-Küche-und-erschieße-den-Koch“-Nummer ist dabei nicht mal mehr im tarantinoesken Sinne noch irgendwie witzig, sondern gehört in die Twilight Zone oder zu Batman, wo der Joker seiner Wiederauferstehung harrt.
Bei Leone wäre Depp in der Schlußszene einen verdient brutalen Tod gegen Banderas gestorben, aber hier hat man eh schon alle Fäden seit der Filmmitte aus der Hand gegeben.

„Irgendwann...“ ist ein verdientes Stück Schrott von einem Film, mißlungen und überflüssig.
Nicht wirklich ärgerlich, aber bodenlos enttäuschend, weil er an seiner schier drogenberauschten Unmäßigkeit erstickt. (2/10)

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