Dadurch, dass der geneigte Zuschauer in der ersten halben Stunde nie mehr weiß als der Hauptprotagonist, besteht gegenüber letzterem keinerlei Wissensvorsprung.
Obwohl das Gesehene eigentlich keinerlei Interpretationspielraum zulässt, entstehen bei Thornhill und anfangs auch beim Zuschauer gleichermaßen leichte Zweifel, ob das Geschehen tatsächlich so passiert ist.
Auch wenn die Geschichte eher konventionell ist, schafft es Hitchcock aufgrund dieser zwei Faktoren trotzdem, dem Zuschauer einen gewissen Suspense vorzugaukeln. Die Verwirrung ist dementsprechend groß, sodass die Spannung von Szene zu Szene ansteigt.
Hinzu kommt, dass es Thornhill gelingt, nicht nur seinen Häschern zu entkommen, sondern auch der Polizei. Neben dem Rätselraten, warum Thornhill Zielscheibe einer "unbekannten Macht" geworden ist, fiebert man mit ihm auf seiner Flucht und gleichzeitigen Suche nach den wahren Hintergründen mit.
So ist auch das, was in der ersten halben bis dreiviertel Stunde passiert, der beste Part des Films.
Ausgenommen zwei Szenen: Neben der berühmten "Maisfeldszene", in der Hitchcock beweist, dass man auch an völlig unschuldigen Orten und am helllichten Tag unerträgliche Spannung aufbauen kann, bleiben wohl die Szenen am Mount Rushmore bei jedem im Gedächtnis.
Auch wenn die SFX nicht als solche zu bezeichnen sind und gerade auf Blu-Ray doch recht deutlich als gestellt zu entlarven sind, ist deren Inszenierung ungemein "effektvoll".
Allein die Idee, den Mount Rushmore für eine Verfolgungsjagd zu nutzen, ist grandios, auch wenn es sicherlich dem einen oder anderen Amerikaner nicht gefallen haben dürfte, dass jemand auf den vier bekanntesten Präsidenten "herumkraxelt" und "Räuber und Gendarm" spielt.
Ein konstanter Storyfluss bleibt stets erhalten, dass Tempo ist angenehm und die gesamte Inszenierung kann auch aufgrund humoristischer Untertöne als geradezu "easy" bezeichnet werden.
Auch wenn Thornhill recht unfreiwillig die Rolle des Retters wichtiger staatlicher Geheimnisse übernimmt, so ist doch der Mix aus Thriller mit Actionelementen wohl der erste Schritt in die Richtung der heutigen actionlastigen Agententhriller. North by Northwest hat damit auch maßgeblich heutige Genres beeinflusst und hierfür die ersten Ideen geliefert.
Cary Grant überzeugt vollauf in seiner Rolle, gerade auch wegen des humoristischen Untertons dieses Films, auch wenn er das eine oder andere Mal leicht zum Overacting neigt, wofür er ja letztendlich auch bekannt geworden ist.
Eva Maria Saint halte ich für eine nicht so glückliche Besetzung, sie ist Grant nicht gewachsen und bleibt doch ein wenig blass. Da haben mir zB Tippi Hedren oder aber Kim Nowak in anderen Werken Hitchcocks doch besser gefallen und einfach ausdrucksstärkere Leistungen abgeliefert. Okay, es liegt vielleicht auch daran, dass sie mir als Typ nur wenig zusagt.
James Mason agiert gewohnt souverän und geradezu unterkühlt, so dass sein Spiel hervorragend zur Rolle passt.
Fazit:
Der Meister des Suspense liefert hier seinen wohl besten "lupenreinen" Thriller ab. Auch wenn er aufgrund der eher konventionellen Story vielleicht nicht ganz an "Psycho" oder "Die Vögel" heranreicht, gehört er doch imho zu Hitchcocks Top 5.
Absolut und uneingeschränkt empfehlenswert!
9/10