Review

Season 04

IV
Der Wolf ward ärgerlich, fasste sich aber doch und ging zu dem vierten Schäfer. Diesem war eben sein treuer Hund gestorben, und der Wolf machte sich den Umstand zunutze.
"Schäfer", sprach er, "ich habe mich mit meinen Brüdern im Walde veruneinigt und so, dass ich mich in Ewigkeit nicht wieder mit ihnen aussöhnen werde. Du weißt, wie viel du von ihnen zu fürchten hast! Wenn du mich aber anstatt deines verstorbenen Hundes in Dienste nehmen willst, so stehe ich dir dafür, dass sie keines deiner Schafe auch nur scheel ansehen sollen."
"Du willst sie also", versetzte der Schäfer, "gegen deine Brüder im Walde beschützen?"
"Was meine ich denn sonst? Freilich."
"Das wäre nicht übel! Aber wenn ich dich nun in meine Horde einnähme, sage mir doch, wer sollte alsdann meine armen Schafe gegen dich beschützen? Einen Dieb ins Haus nehmen, um vor den Dieben außer dem Hause sicher zu sein, das halten wir Menschen..."
"Ich höre schon", sagte der Wolf, "du fängst an zu moralisieren. Lebe wohl!"

Gotthold Ephraim Lessing: Die Geschichte des alten Wolfs. Vierte Fabel

Die böse, böse Routine - nun hat sie also auch “The Shield” erwischt.

Wie lange hält ein Running Gag wie der, dass “Dutch-Boy” immer und immer wieder Streiche gespielt bekommt von Vic Mackey, dem Wolf der Geschichte? Wie viele Verschwörungen kann das Strike Team noch vertuschen und wie oft darf es noch rücksichtslos die Wohnungen von Zivilisten stürmen, bevor dem actionbegeisterten Zuschauer das Muster irgendwann eben doch auffällt?
Normalerweise genauso lange, wie sich parallel ein Plot entwickelt, der neu und frisch wirkt. Dem ist erstmalig nicht mehr uneingeschränkt der Fall. Zwar hat Aceveda als neuer Stadtrat den Posten als Captain geräumt, womit die Bühne frei wäre für Glenn Close, was ja für die Schachpartie “The Shield” eindeutig eine neue Konstellation zur Folge haben müsste; nur leider gleicht die Figur, die Glenn Close spielt, so sehr dem ehemaligen Captain Aceveda (der nichtsdestotrotz immer noch mit von der Partie ist), dass sich am Ende praktisch gar nichts ändert. Beim schönen Geschlecht wendet Mackey eben nur andere Mittel an, um sich und seinem Team entscheidende Vorteile zu verschaffen: er schmeichelt und wickelt um den Finger, anstatt offen zu korrumpieren.

Immerhin, die vierte Staffel ist inzwischen von einer Kompaktheit geprägt, dass sie beinahe als überlanger Spielfilm durchgehen könnte. Drei bis vier Protagonisten stehen im Mittelpunkt einer Rahmenhandlung, die fast die kompletten 13 Folgen ausfüllt. Der von Glenn Close verkörperten neuen Leiterin des LAPD, Cpt. Monica Rawling, wird als fast schon klassischer Bösewicht (wobei die Bosheit und Güte der Figuren wie gehabt eher in der Grauzone verankert und damit nicht eindeutig zu bestimmen ist) Anthony Andersons Prediger Antwon Mitchell entgegengesetzt, der mutmaßlich für den Mord an zwei Polizisten verantwortlich ist. Dies ist der große Aufhänger von Season 4. Polizistenmord nimmt die Polizei persönlich und auf der haarlosen Stirn Mackeys bilden sich förmlich die Zornesadern.

Subplots werden infolgedessen nahezu vollständig ausgespart, was der Konzentration auf den zentralen Storystrang einerseits förderlich ist; andererseits verlieren die Figuren damit einen großen Teil ihrer Komplexität. Dass der harte Hund Mackey zu Hause eine kaputte Familie mit einem lernbehinderten Sohn sitzen hatte, machte ihn menschlich angreifbar; inzwischen kommen die Probleme um den Jungen höchstens mal in einem Nebensatz zur Sprache. Dass Juliens Homosexualität nicht mehr weiter thematisiert wird, mag dagegen noch in Ordnung sein, weil es einfach keinen Anlass mehr dafür gibt; aber auch Shanes junge Familie muss diesmal vollständig außen vor bleiben. Kurz: der zu Beginn der Serie noch so gut funktionierenden Dreierachse offizieller Ermittlungen, verdeckter Interna und Privatleben der Cops wird brutal ein Standbein weggerissen, und postwendend nähern sich die Figuren der Eindimensionalität ein Stück an.

Doch wenigstens können die neuen Darsteller auf voller Linie überzeugen. Von Anthony Anderson hatte man, Clown, der er in vielen Hollywoodproduktionen ist, nicht das Geringste erwarten können. Einen jeden Zweifler straft er jedoch Lügen. So humorlos sah man den korpulenten Afroamerikaner noch nie, und es steht ihm erstaunlich gut zu Gesicht. Die Figur, die er entwirft, ist interessant und ambivalent, eindrucksvoll gelingt es ihm, die Ansätze von Klischees aus seiner Rolle zu verbannen.
Noch besser Glenn Close, der es gar gelingt, mit ihrem eiskalten, starren Blick in mancher Szene Gänsehaut zu erzeugen, bloß durch einen Close Up ihres Gesichts. Dass sie trotz der eindrucksvoll zur Schau getragenen Professionalität dazu in der Lage ist, zwischen den Zeilen eine Verletzlichkeit zu kolportieren, die von Vic Mackey immer wieder ausgenutzt wird und die am Ende der Staffel endgültig aufbricht, ist eine bemerkenswerte Leistung.

Von Chiklis, der Mackey spielt, muss gar nicht mehr geredet werden, er hat seine Rolle längst soweit verinnerlicht, dass er wohl kaum mehr spielen muss. Der Rest der Garde hält sich zugunsten dieses Dreigespanns eher zurück. Jay Karnes (Holland “Dutch” Wagenbach”) darf zwar den einzigen größeren Subplot austragen (ziemlich brisantes Material übrigens), wird aber mehr und mehr zur Witzfigur gemacht, nicht nur in den Revierkämpfen mit Alphatier Mackey, auch er und CCH Pounder geben fast schon ein Buddy-Gespann ab wie Riggs und Murtaugh.

Der Spannungsbogen hält aufgrund der straffen Regie ordentlich bei Laune. Insbesondere im Mittelteil wird es unerträglich heiß, als Mackey und sein bester Freund Shane auf eine harte Probe gestellt werden, bevor das Ende ein wenig abflaut und zu Recht bereits nach 13 Folgen Sense ist mit der vierten Runde. Und dann steht man auch schon wieder am Ende einer Reise, die wie üblich unheimlichen Spaß gemacht hat, diesmal aber nur wenig neue Erkenntnisse brachte.

Details
Ähnliche Filme