Review

Angry Ranger war bis zu seiner Wiederveröffentlichung im März 2007 auf Joy Sales VCD stark gesucht und heissbegehrt. Die bis dato enorm eingeschränkte Verbreitung des Filmes und seine entsprechend raren, aber durchweg lobpreisend ausfallenden Kommentare erhöhten automatisch die Nachfrage nach dem verschollenen Werk und schufen ihm rasch seinen eigenen Mythos. Wie bei den ähnlich gelagerten [und noch ausstehenden] Mission of Condor, Innocent Interloper, Secret Police, License to Steal, Slickers vs Killers etc. konnte es demzufolge nicht Ausbleiben, dass der Film selber zum fabulösen Ammenmärchen wurde, dass Wenig kannten und allein wegen des unwiderstehlichen Rufes Viele wollten. Nach den jahrelang hochgesteigerten Erwartungen muss die Ernüchterung letztlich aber ebenso unweigerlich eintreffen; das fällige Risiko öffentlicher Enttäuschung, weil der ganz grosse Knaller eben doch nicht gezündet wird.

Angry Ranger ist fürwahr formidable, aber halt ebenso typische, mit all den positiven und eben auch negativen Attributen versehene 80er Jahre Action. Die sicherlich sehr gut als Beschäftigungsmaßnahme für Jackie Chan's Stuntmen Association herhalten kann, deren Mitglieder wie Ben Lam, Mars, Benny Lai, Danny Chow, Johnny Cheung, Anthony Carpio, Chris Chan usw. als Belohnung hierfür bestimmt einen Monat beitragsfrei trainieren durften. Ihren Arbeitgeber und Versicherungsnehmer Chan höchstpersönlich allerdings nur auf dem Papier involviert sieht und abgesehen von dessen knochenbrechenden regulars und der Zugehörigkeit zum physisch-akrobatischen Actionkino auch nicht derartige Qualitäten [ sprich: Police Story oder Project A Maßstäbe ] aufweisen kann.

Zwar kann man sich darauf verlassen, dass die Stehaufmännchen vom Sing Ga Ban Stuntmen - Team gut beschäftigt sind, sich allerorten mit Elan als Komparsen und Kaskadeure gleichermaßen verdingen und ein allgemein strammes Offensivspiel abziehen. Statt Dialoge zu verbreiten lieber fleissig Tritte entgegen nehmen und ebenso emsig austeilen, Gegenständen ausweichen und auch mal schmerzverzerrt einstecken, blutige Gesichter wegen Ellbogenchecks, Schlägen, Stürzen, Vibrationen einholen, ungeschützt durchs Glas fliegen, sich in Brand stecken lassen und ganz ausnahmslos die urbane Einrichtung demolieren. Das allein hebt die Produktion aber noch nicht auf den Schemel der Filmkunst. Es mangelt auch nicht an einer gescheiten Geschichte, die die jeweiligen Schlageinheiten zumindest per Sekundenkleber und Holzhammer miteinander verbindet. Aber die Umsetzung dessen und das allgemeine Gehabe reisst abseits des herrlichen Showdowns jetzt nicht gerade vor beeindruckender Begeisterung die Kinnlade herunter; schon etwas erstaunlich angesichts der sonstigen Filmographie von Regisseur Johnny Wang Lung-wei. Ein B-picture Experte, der eigentlich prädestiniert für einen räudigen Handkantenreisser erster Klasse ist, seit jeher die Erzählungen mitsamt Figuren auf blanke Klischeegrösse flachklopft und dann zur ausschweifenden Destruktion freigibt, hier das Handlungsalibi und das settingstellende Umfeld aber mit weniger Überzeugung, Härte und Biss postuliert. Die spürbare Bedrohung fehlt, die Ausraster und die Skandale. An die Stelle tritt ein Rahmenprogramm, dass dramaturgisch in etwa so effizient ist wie die erste Hälfte von Ong Bak. Nämlich gar nicht.

Nicht nur die ersten Minuten wirken wegen diversen damals üblichen Begleiterscheinungen mittlerweile nicht nur blumig-nostalgisch, sondern beinahe parodiehaft. Ausserdem startet man als Todsünde prompt mit zwei halbierten Rückblenden – Erinnerung / Gegenwart / fortführende Erinnerung – , die der Ursache für die Gefängnisstrafe des gerade frisch Entlassenen Peter [ Ben Lam ] auf den Grund gehen: Vor acht Jahren während einer Triadenschlägerei seinem Freund Chen Hsing [ Edward Mok ] herbeigeeilt, musste er wegen Totschlags hinter Gittern. In sein altes Territorium zurückgekehrt und als Fischverkäufer nicht wirklich glücklich mit seinem neuen Leben passt ihm auch die sonstige Veränderung nur wenig. Das einstmals im Vergleich geradezu friedliche Gebiet ist mittlerweile von den Gangstern Macau Hua [ Rocky Lai ], dessen rechter Hand AIDS Lun [ Jackie Lui ] und deren Konkurrenz Big Circle Han [ Sun Chien ] aufgeteilt, die die Örtlichkeit mit Schutzgelderpressung, Prostitution und Drogen überziehen.

Davon sieht man nur wenig. Die Kriminalität hält hier entweder als knappe Andeutung oder gar nur verbale Erwähnung Einzug. Bis zum Auftreten Peters ging auch alles relativ einträchtig und zumindest geordnet seinen Gang; er bastelt sich seine Scherereien mit den Verbrechern quasi eigenhändig und dies auch recht unverfroren zusammen. Wie ein Derwisch auf Ecstasy legt er sich noch am selben Tag seiner Freiheit mit gleich beiden Gangsterparteien an: Han klaut er nach geringer Anlaufzeit die Freundin Jane [ Leung Yuen Jing ]. Und Lun stiebitzt er den Sportwagen vor den Augen. Da Peter nicht nur das New Kid in Town ist, sondern auch der coolste Eisblock in der Stadt – der von Zigaretten die Filter abbeisst und die Schuhe ohne Socken trägt –, wird das entliehene Auto nicht nur für eine Spritztour benutzt, sondern erstmal absichtlich per quer stehendem Laster rasiert und anschliessend dummdreist im Hafen versenkt.

Ähnlich wenig Gedanken um den weiteren Fortgang und bevorstehende Konsequenzen wie seine nachlässige Hauptperson macht sich dann auch das Skript; welches offensichtlich bloss um die entsprechenden Konfrontationen herumgestrickt ist und sein Heil demnach in Gärung und Gewalt sucht. Aggression und Eskalation als die einzigen Plotelemente, um die Laufzeit zu überbrücken. Das kontinuierlich steigernde Hin und Her zwischen den vielzähligen Rivalen und ihr beizeiten explosiver Meinungsaustausch vermeidet eine narrative Kreislaufschwäche oder gar Atemnot, zuweilen hätte man sich aber ein bisschen mehr Plausibilität oder sei es nur Mehrdimensionalität in Bezug auf Personen und Taten gewünscht. Muss das Setting mit seinem bescheidenen Unterschichtsflair, der post atomar anmutenden Ausstattung und dem ergrauten, mühsam vor dem Müll geretteten Interieur als korrespondierendes Bindemittel herhalten.

Peter landet im verschmutzten Slum von Shek Kip Mei, eine Low-cost housing Squattersiedlung zwischen Armenspeisung und Restaurantabfällen, in der die Wohnungen drinnen noch viel kleiner aussehen als von außen, die Automobilfabriken genau ein Fahrzeug im Lager beherbergen, die Nachtclubs schummriger sind als die anliegenden Hinterhöfe und die thugs selbst im Dunkeln ihre breiten "Ray Ben" Sonnenbrillen aufbehalten. Die Abendschule als Sprungbrett in die Zukunft wird ebenso belästigt wie der tägliche legale Arbeitsplatz, Frauen schon automatisch als Besitztümer angesehen und Dates bevorzugt im abgelegenen, halb verschütteten Luftschutzbunker abgehalten. Da Neuankömmlinge in dieser trüben Heimeligkeit unerwünscht sind, lässt man sich selbst beim Halbnackt-Fussball nicht von einer Spielunterbrechung zwecks zünftiger Drohung aufhalten; auch werden die Ballonseiden-Blousons ständig bis zum Ellenbogen aufgerollt, um dann im Notfall schneller ungehindert zuschlagen zu können.

Das tut man dann auch andauernd, was dem Film selbstredend den vorherigen Publicity-Wahn und den Aufruhr um den finalen Erscheinungstermin beschafft hat. Da die Finanzierung nichtmal im Traum für Materialschlachten oder anderweitige Effektspektaktel wie Waffengerassel ausreicht, wird sich strikt auf die eigene flexible Beweglichkeit, die sehr flinke Handarbeit und das ausgestreckte Bein verlassen. Ohne Rücksicht auf Schmerz, Verluste, Sach- und Flurschäden. Grob und skrupellos direkt zur Sache kommend statt mit einkalkulierter Ansage in zahlreiche Stilarten zu zerfallen. Und löblicherweise auch ohne jede ironische Komponente, nicht einmal Sarkasmus, Zynismus oder markige Oneliner werden bemüht.

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