Review

Italo-Regisseur Fernando Di Leos („Milano Kaliber 9“) dritter Film ist der 1969 entstandene „Note 7 – Die Jungen der Gewalt“. Hinter dem Titel verbirgt sich eine Mischung aus Sozial-/Milieu-Studie, Drama und Krimi um den im Absinthrausch gemeinschaftlich begangenen Mord jugendlicher Problemschüler an ihrer Lehrerin, den Kommissar Lamberti (Pier Paolo Capponi, „Die neunschwänzige Katze“) aufzuklären versucht und darauf stößt, dass eine weitere Person mit der Tat zu tun haben muss.

Lamberti wird zunächst als reaktionärer Knochen gezeichnet, dem der Einsatz von Gewalt und Folter bei seinen Verhören nicht fremd ist und nichts als Verachtung für die verrohte, verkommene Jugend übrig hat, jedoch unter anderem unter dem Einfluss der attraktiven Sozialarbeiterin Livia (Nieves Navarro alias Susan Scott, „Nackt unter Kannibalen“) eine Entwicklung erfährt, unter die Oberfläche blickt und sich den Jugendlichen annähert – nicht zuletzt, weil er mit seinen herkömmlichen Ermittlungsmethoden auf der Stelle tritt.

Nach seinem recht harten Anfang, der noch während der Eröffnungscredits zeigt, wie sich die Schüler auf ihre Lehrerin stürzen und letztlich eine blutige Leiche zurücklassen, widmet sich der Film Lamberti, wie er einen der Täter nach dem anderen verhört – einige herrliche, junge Charakterfressen. Meines Erachtens gehören bereits diese Szenen zu den stärksten des Films, Lambertis Mischung aus Macht, Ohnmacht und Verzweiflung gegenüber der Desillusioniertheit, Aufmüpfigkeit und Abgebrühtheit, aber auch offensichtlichen Schwäche und Verletzlichkeit der jugendlichen Delinquenten wurde fesselnd und mitreißend eingefangen und man ist gespannt, auf den weiteren Verlauf der Handlung. Diese gestaltet sich sodann leider etwas ermüdend. Lamberti mimt plötzlich den Verständnisvollen und nimmt einen der Jungen bei sich auf, zeigt ihm das gute, anständige Leben, um mehr aus ihm über die wahren Beweggründe herauszukitzeln. Unfreiweillig komisch wird es gar, als Lamberti den Knaben in einen blauen Anzug mit Krawatte steckt und dieser nicht einmal etwas dagegen zu haben scheint. Navarro hingegen musste sich vermutlich sehr zusammenreißen, sich ausnahmsweise einmal nicht ihrer Kleidung zu entledigen – zum Leidwesen des sleazegeilen Zuschauers. Ihre Lamberti untergeordnete Rolle als dessen Objekt der Begierde ist jedenfalls eher überflüssig. Dennoch steht natürlich weiterhin die spannende Frage im Raum, wer nun wirklich hinter dem Mord steckt und warum – und die Frage nach der Intention dieses Films.

So ganz sicher war sich Di Leo nämlich anscheinend nicht, in welche Richtung das alles gehen sollte. Progressive Ansätze den Umgang mit auffälligen Jugendlichen im Allgemeinen und jugendlichen Straftätern im Speziellen betreffend legen die Vermutung nahe, dass man Schluss machen wolle mit dem Märchen von der „harten Hand“ als wirksame Erziehungs- und Sozialisierungsmethode, werden aber immer wieder relativiert durchreaktionäre Ansichten und markige Sprüche des machoartigen, aber zur Identifikationsfigur gereiften Lamberti, denen nichts entgegengesetzt wird. Einerseits kritisiert man Polizeigewalt als kontraproduktiv, andererseits fordert man mehr Rechte für die Exekutive zum Eingriff in die Privatsphäre. Zum Ende hin wird die Spannungsschraube noch einmal angezogen: Lambertis Schutzbefohlener trifft sich mit der ominösen, im Hintergrund agierenden Person, offensichtlich eine Frau, die man aber nur von hinten sieht bzw. deren Gesicht von ihren Haaren verdeckt wird. Hier gesellt sich ein Schuss pathologischer Wahnsinn hinzu, wie man ihn aus manchem Giallo kennt, der Film gewinnt wieder eindeutig an Fahrt. Jedoch ist die große Auflösung letztlich unsagbar dämlich, führt jegliche zuvor geschilderten Ansätze ad absurdum und macht „Note 7“ zu einer eher halbgaren Angelegenheit. Sehr schade, denn viele gute Ansätze, gerade auch im Hinblick auf Di Leos später mit fulminanten Poliziotti verknüpfer Sozialkritik, sind erkennbar. So aber hat man gegen Ende eher das Gefühl, einem fragwürdigen Sleaze-Trash-Vergnügen beizuwohnen, zumal noch einmal in einer ellenlangen Vision des Schülers die Tat Revue passiert gelassen wird.

Fernando, auf „Note 7“ einen Absinth, den edlen Roten hole ich aber erst zu deiner Mafia-Trilogie aus dem Keller. Prost!

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