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Ursprünglich sollte „Overlord“ ja mal das „Cloverfield“-Universum erweitern, zehn Jahre nach dem Erstling und kurz nach den Neuzugängen „10 Cloverfield Lane“ und „The Cloverfield Paradox“, doch dann entschlossen sich Produzent J.J. Abrams und die anderen Hintermänner dagegen. Angesichts der pulpigen Prämisse wäre eine Anbindung zur „Cloverfield“-Reihe sicherlich möglich gewesen, hätte sich aber wohl forciert angefühlt.
So kann man „Overlord“ als B-Movie mit Kinobudget genießen, das schon zu Beginn freudig Genreversatzstücke einsetzt, wenn sich eine Horde amerikanischer Fallschirmjäger kurz vor dem D-Day im Anflug auf das besetzte Frankreich befindet und die Invasion vorbereiten soll. Der Film umreißt die Mission der Protagonisten (einen strategisch wichtigen Funkturm der Nazis in einem Dorf sprengen) und führt seine markigen Figuren ein, vor allem den in sich gekehrten Boyce (Jovan Adepo), den „Overlord“ schon früh als Zentrum etabliert und der durchaus als Identifikationsfigur taugt, ist er doch kein überlebensgroßer Kriegs- oder Actionheld. Dazu würde sich eher Rensin (Bokeem Woodbine) eignen, der vorgesetzte Offizier, der markige Sprüche reißt und das Missionsbriefing für seine Soldaten und die Zuschauer gleichermaßen gibt, noch im Anflug.
Es folgt eine explosive Actionsequenz, in welcher die Flieger beschossen und teilweise vom Himmel geholt werden, derjenige, in dem sich unsere Protagonisten befinden, getroffen wird und wir quasi mit ihnen aus dem Flugzeug springen – also jene, die es schaffen. Am Boden warten deutsche Truppen, weshalb auch mit Bokeem Woodbine das einzige bekannte Gesicht ausscheidet und nur wenige Soldaten am Treffpunkt ankommen. Auch hier herrscht das pure Genre: Neben Boyce haben wir da Tibbet (John Magaro), Scharfschütze und Plappermaul, Chase (Iain De Caestecker), den Träumer mit Fotographen-Ambitionen, Dawson (Jacob Anderson), den Country-Boy, sowie Corporal Ford (Wyatt Russell), den Sprengmeister und die potentielle harte Sau der Truppe, der direkt das Kommando übernimmt.

Nachdem der kleine Trupp sich zum Zielort durchgeschlagen hat und bei der französischen Zivilistin Chloe (Mathilde Ollivier) untergekommen ist, müssen die amerikanischen Soldaten feststellen, dass die Nazis dort nicht nur ihren Funkturm haben, sondern auch grausige Experimente mit unglaublichen Ergebnissen durchführen…
Man muss den Machern schon irgendwie dankbar sein: „Overlord“ ist eigentlich ein B-Stoff, den man aber nicht nur in der Mid-Budget-Klasse für eine Kinoauswertung gedreht hat, sondern ironiefrei als zackigen Genrereißer angelegt. Und es funktioniert. Die Vorbilder sind neben Horror- und Zombieklassikern vor allem jene Men-on-Mission-Filme traditioneller Bauart, von „The Secret Invasion“ über „Das dreckige Dutzend“ bis hin zu „Agenten sterben einsam“. Als Throwback zu jener Ära klassischer Kriegsactioner gönnt sich „Overlord“ auch kein sonderlich differenziertes Deutschenbild: Die sind eigentlich alle Nazis, in den Geschmacksrichtungen gesichtsloses Kanonenfutter oder fiese Sadisten verfügbar. Neben dem üblichen Mad Scientist mit Mengele-Anleihen bekommt auch nur eine Schurkenfigur Profil: Wafner (Pilou Asbæk), der Kommandeur der lokalen Nazitruppen. Den legt „Overlord“ auch als wahrlich hassenswertes Nazischwein an, der nicht nur eiskalt mordet, sondern auch Zivilisten mit Drohungen und Erpressungsversuchen gefügig macht, in Chloes Fall auch sexuell.

Die Däne Pilou Asbæk spielt den Oberfiesling mit Charisma und Lust am gepflegten Sadismus, eine gleichsam eindimensionale wie schillernde Schurkenperformance, die definitiv Eindruck hinterlässt – in diesem Film klar am meisten. Wyatt Russell hat leider nicht die Ausstrahlung seines Vaters Kurt, gibt zwar einen routinierten Kriegsactionhelden ab, aber zum Starpotential fehlt da noch etwas. Jovan Adepo als nachdenklicher Gegenpol, der an seinen Aufgaben reift, ist da etwas besser, beim Support punktet vor allem John Magaro als Soldat mit losem Mundwerk, aber auch Ian De Caestecker und Mathilde Ollivier können noch ein paar Akzente setzen.
Aber ein Schauspielerfilm ist das hier eh nicht. Auch kein Film der sonderlich originellen Drehbuchvolten. Denn da „Overlord“ schon im Vorfeld als „der Film mit den Nazi-Zombies“ gehandelt wurde, ist es keine Überraschung, was die Fallschirmjäger über das Dorf und die dort stattfindenden Experimente herausfinden. Stattdessen ist das hier klassische Men-on-a-Mission-Kost mit Zombie-Bonus, dessen spannendste Frage wohl diejenige ist, wer denn nun nach Hause zurückkehrt und wer auf der Strecke bleibt. Das Ergebnis ist in Teilen vorhersehbar, in Teilen überraschend. Große Zuschauertrauer dürfte kein Todesfall auslösen, denn sonderlich tiefgründige Figuren hat „Overlord“ nicht im Gepäck, auch wenn die Charaktere im Genrerahmen mit wenigen Pinselstrichen markig gezeichnet werden.

Doch davon einmal abgesehen macht „Overlord“ sehr viel richtig, gerade im Vergleich zu dem ähnlich gelagerten Rohrkrepierer „Frankenstein’s Army“. Wo jener auf eine lange Phase großer Ödnis dann den Zombie- und Kreaturenoverkill in der Schlussphase folgen ließ, da setzt „Overlord“ seine Untoten ausgesprochen dosiert ein. Langsam tastet sich der Film an das Grauen heran, lässt den Zuschauer mit den Figuren nach und nach die Spuren der Experimente entdecken, zeigt die ersten Zombies etwa zur Filmmitte und setzt diese nie inflationär ein, sodass sie Schreckgestalten bleiben. Besagte Zombies sehen stark aus und werden – so wie die meisten Tricks in dem Film – wann immer möglich mit praktischen Effekten dargestellt. Regisseur Julius Avery verbindet den Schrecken des Krieges und den Schrecken des Horrorfilms überraschend stimmig zu einer unheilvollen Melange, die sich ihrer Pulpwurzeln nie schämt, diese ernst nimmt und mit viel Atmosphäre zu punkten weiß. Dieses Ernstnehmen des Ganzen schlägt sich auch darin nieder, dass im Film realistischerweise sowohl Englisch als auch Deutsch und Französisch gesprochen wird. Diese Tatsache, ebenso wie eine Spannungsszene, als Nazischergen ein Haus durchsuchen, mag an Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ erinnern, auch wenn „Overlord“ die Sprachwechsel weit weniger nutzt und sich dann vor allem knalliges Genre-Entertainment versteht.
Als solches kann „Overlord“ mit harter Action überzeugen. Nach dem explosiven Auftakt beschränkt sich diese im Mittelteil in erster Linie auf kleine Feuergefechte und Fluchtszenen, ehe Avery und seine Stuntkoordinatorin Jo McLaren dann ein zünftiges Men-on-Mission-Finale (inklusive teils feuriger weiblicher Unterstützung) abfeiern: Da werden die Gegnerhorden mit Scharfschützengewehr, Sprengladungen und MG-Sperrfeuer dezimiert, für kleine, gelungen choreographierte Nahkämpfe ist ebenso Platz wie für ein paar Härten in Form blutiger Einschüssen und anderer Körperdeformationen. Auch filmisch haben Avery und seine Kameraleute Laurie Rose und Fabian Wagner einige Kabinettstücken parat, vor allem in zwei aufwändigen Plansequenzen, die den Film quasi rahmen: Die erste zeigt den Absprung der Fallschirmjäger, während sich das Flugzeug gerade in seine Bestandteile auflöst, die zweite zeigt die Flucht einer Figur aus einem explodierenden Gebäudekomplex.

„Overlord“ ist kein Film der leisen Zwischentöne, der tiefgründigen Figurenentwicklung oder des komplexen Plots. Dafür aber ein atmosphärisch dichter Mix aus Action-, Horror- und Kriegsfilm, der seine Prämisse von Supersoldaten-Experimenten und Nazi-Zombies erfrischend ernst nimmt und noch dazu erfreulich gut budgetiert und mit knalligen Schauwerten versehen daherkommt. Das Men-on-Mission-Kino der 1960er trifft auf eine Popcornhorror-Prämisse der 1980er, inszeniert mit den technischen Mitteln von heute – ein Spaßfilm für Genrefans.

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