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„Denkt dran: Wer zuerst schießt, lebt länger!“

Nach seiner Sandalenfilm-Phase, aber noch bevor er sich am Italo-Western versuchte, zum gefragten Giallo- und Poliziesco-Regisseur avancierte und mit „Mondo Cannibale“ das umstrittene Subgenre des Kannibalenfilms begründete, inszenierte der Italiener Umberto Lenzi mehrere Agentenfilme, sog. Eurospy-Beiträge, die im Fahrwasser der „James Bond“-Big-Budget-Filmreihe mitschwammen und einen Teil vom Kuchen abzubekommen versuchten. Auf „Heiße Grüße vom C.I.A.“ („A 008, operazione Stermino“, 1965) folgte noch im selben Jahr „Höllenhunde des Secret Service“ („Superseven chiama Cairo“) in italienisch-französischer Koproduktion mit Roger Browne in der Hauptrolle. Und wie der „James Bond“-Reihe die Romane Ian Flemings zugrunde liegen, handelt es sich angeblich auch hierbei um eine Romanverfilmung, nämlich von „S7 calling Cairo“ des Autors H. Humbert. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass ein solcher Roman tatsächlich existiert, zumal Lenzi „Humphrey Humbert“ mehrfach als Pseudonym bei späteren Regiearbeiten verwendete.

„Sie genießen zu oft die Gesellschaft schöner Frauen!“

Der britische Geheimagent Martin Stevens (Roger Browne, „Argoman – Der phantastische Supermann“) erhält in der Londoner Zentrale den Auftrag, eine Schmalfilm-Handkamera zu beschaffen, und zwar eine ganz bestimmte: Eine skrupellose Gangsterbande hat aus einer nuklearen Forschungsstation in Liverpool ein neues Metall entwendet, das hundertmal radioaktiver als Uran ist. Dieses Baltonium, so der Name des Elements, wurde in das Objektiv der Kamera eingebaut und über die Grenzen bis nach Kairo geschmuggelt, wo es jedoch abhandenkam: Arglose Touristen haben die Kamera erworben. Hinter ihnen sind nun sowohl die Gangster um Anführer Alex (Massimo Serato, „El Cid“) als auch Stevens her, ein regelrechter Wettlauf beginnt. Stevens reist nach Kairo, wo man die attraktive Faddja (Rosalba Neri, „Arizona Colt“) auf ihn angesetzt hat. Zwar durchschaut er rasch Faddjas Spiel, doch lauern zahlreiche weitere Gefahren auf ihn. Das Baltonium darf keinesfalls wieder in falsche Hände geraten, stellt es doch eine Gefahr für den Weltfrieden dar!

„Wir bieten Ihnen ein äußerst interessantes Programm und ich bin sicher, Sie werden damit zufrieden sein.“ (Na, schauen wir mal…)

Roger Browne, der mit seinem markanten Kinn und der Pfeife im Mundwinkel ein wenig an Nick Knatterton erinnert, mimt also den Schmalfilmspur-007 „Superseven“ alias Stevens, einen machistischen Frauenheld und Dressman, der im Prolog knutschend mit der Blondine Cleopatra [sic!] im Bett liegt, als sie wegen eines vermeintlichen Termins plötzlich aufspringt. Sie zückt ihren Revolver, doch Stevens ist mit seinem umfunktionierten Kugelschreiber schneller und erschießt die Dame süffisant lächelnd. Durch diesen Einstieg ist die Genrezugehörigkeit bereits festgezurrt und jeder weiß, womit man es hier zu tun bekommt. Die Secret-Service-Kampfsportausbildung inklusive scharfem Maschinengewehr, deren Zeuge Stevens wird, mutet bereits derart unglaubwürdig übertrieben an, dass sich die Frage stellt, ob man sich gerade einen unfreiwillig komischen oder bewusst parodistisch angelegten Film ansieht. Dies bleibt bis zum Ende unklar.

„Er starb an einem Messerstich – eine im Orient weitverbreitete Krankheit…“

Rosalba Neri sorgt als Faddja direkt bei ihrem ersten Zusammentreffen mit Stevens für ein paar knisternde Akzente, auch ohne, wie so oft in ihren späteren Produktionen, blankzuziehen. Die später hinzustoßende Fabienne Dali („Die toten Augen des Dr. Dracula“), die als Denise in Konkurrenz zu Faddja tritt, verblasst gegen Neri und mogelt sich mit ungefähr eineinhalb Gesichtsausdrücken durch den Film. Neri meistert ihre Rolle auch hier mit ihrer ihr eigenen Anmut, sodass man es regelrecht bedauert, wenn ihre Rolle nach relativ kurzer Liebelei mit Stevens durch Denise „ersetzt“ wird. Umso gelungener die Überraschung, wenn sie später wieder in die Handlung eingreift. Lenzi ist bemüht, nicht nur die Damen, sondern auch Kairo ansprechend in Szene zu setzen, greift jedoch auch auf recht durchschaubar eingearbeitete Rückprojektionen bei Autofahrten sowie eingefügtes Archivmaterial zurück. Abgeschmeckt wird die Exotik mit orientalischen Tanzeinlagen in einem Vergnügungsclub.

„Ich begreife nicht, was das Ganze soll!“

Prügeleien, konspirative Treffen und Gespräche, Manipulationen und Fallen greift Lenzi als typische Genre-Ingredienzien auf, gibt Stevens als Gadgets aber lediglich erwähnten Kuli, einen Rasierapparat sowie ein, ähm, als Revolver getarntes Feuerzeug an die Hand. Als Zuspitzungen der Handlung fungieren ein fieser Mord in einer Autowerkstatt, eine Schießerei an den Pyramiden (bei der sich das Opfer reichlich dämlich verhält, indem es die Pyramiden hochklettert, um an möglichst exponierter Stelle abgeknallt zu werden), die Misshandlung und Tötung einer heroinabhängigen Handlangerin der Gangster sowie eine Elektroschockbehandlung Stevens‘. Grafisch explizit geht es dabei nicht zu, die Kamera blendet stets ab, bevor es richtig unappetitlich wird, stiehlt sich damit aber auch aus der Affäre, etwaige Spezialeffekte verwenden zu müssen.

Skurril und bizarr wird es, wenn man eine geschminkte Leiche gegenüber der Polizei als Puppe ausgibt – immerhin von vornherein als humoristische Szene angelegt –, sich die Gangster an barocker Aktmalerei aufgeilen, durch einen Fotofund ein Nazibezug hergestellt, aber nie wieder aufgegriffen wird, oder sich die Szenerie auf einen klischeehaft dargestellten Campingplatz verlagert, wo sich Stevens im strengen Anzug inmitten eines etwas zu vergnügten und sich offenbar über den gesamten Platz erstreckenden Ballspiels ins Bild schiebt. Ganz zu schweigen davon, dass es mit keiner Silbe problematisiert wird, welche gesundheitlichen Folgen ein derart radioaktives Metall bei den arglosen Besitzern, aber auch bei den Gangstern oder bei Stevens anrichten könnte. Ratlos zurück lässt auch der Umstand, dass Stevens‘ Bedrohung zweiter Grenzbeamter mit einem Revolver für die Polizei und Staatsanwaltschaft keinerlei Problem mehr darstellt, sobald sich herausstellt, dass es sich um ein getarntes Feuerzeug handelte. Man kann sogar kollektiv herzlich darüber lachen…

Beeindruckend sieht dagegen eine mit Rotfilter und Negativbildern visualisierte Szene aus, deren Sinn sich mir jedoch nicht ganz erschlossen hat. Zu London als Handlungsort gesellen sich im Laufe der Zeit Locarno und Rom hinzu, auf ein ausladendes Schurken-Hauptquartier muss man jedoch ebenso verzichten wie auf Gegner mit übermenschlichen Kräften und/oder besonderen Waffen respektive Fähigkeiten, mit denen die Originalreihe um James Bond so gern wucherte. Generell ist Alex keinerlei Konkurrenz zu manch exaltierterem Bond-Gegenspieler. Gar nicht schlecht gelungen ist das Finale auf dem Wasser, doch wirklich spannend oder aufregend ist dieser Film mit seinem viel zu reißerischen deutschen Titel nur selten. Dafür passiert ständig irgendetwas Verrücktes und scheint mir der Film zwischen unfreiwilliger Komik und einem zumindest zeitweise bewussten Augenzwinkern zu pendeln.

Zu keinem Zeitpunkt bekommt man den Eindruck, „Superseven“ Stevens wolle es wirklich mit Bond aufnehmen; stattdessen lassen Lenzi und Co. ein Abziehbild durch die Weltgeschichte gondeln und demonstrativ über all den Dingen stehen, die ebenso unwahrscheinlich sind wie die Geschehnisse bei 007, jedoch mit weit weniger Budget und Bombast aufgeblasen ihre geringe Substanz auf durchaus unterhaltsame bis amüsante Weise schneller offenbaren. Der humorige Epilog deutet eine Fortsetzung an, die mit „Die Höllenkatze des Kong-Fu“ im Jahr darauf tatsächlich folgte…

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