Review

„Die Spuren weisen auf die Tat eines anormalen Mannes hin, gequält von einem Kastrationskomplex.“

In seinem 1978 in italienisch-spanischer Koproduktion erschienenen „Blutiger Zahltag“ spielt der italienische Regisseur Flavio Mogherini („Luncatics and Lovers“) mit Kriminalfilm- und Giallo-Motiven in ungewöhnlicher Erzählweise. Die Handlung basiert auf einem spektakulären australischen Verbrechen: Im Jahre 1934 wurde „Pyjama Girl“ Florence Linda Agostini ermordet.

„Wir haben das Bett ganz schön bearbeitet!“

Die Polizei von Sydney steht vor einem Rätsel, nämlich der Identifikation einer halbverbrannten Frauenleiche, die, gekleidet in einen gelben Pyjama, in einem Autowrack am Strand aufgefunden wurde. Erst das Einschalten der Öffentlichkeit führt zu einem Ergebnis. Die Mordkommission um Inspektor Ramsey (Ramiro Oliveros, „Asphalt-Kannibalen“) tritt bei der Suche nach dem Täter jedoch auf der Stelle, während Sydneys Bevölkerung verlangt, den brutalen Mörder dingfest zu machen. Erst durch die Hilfe des pensionierten Inspektors Thompson (Ray Milland, „Der Mann mit den Röntgenaugen“) scheint Bewegung in die Angelegenheit zu kommen – zum Leidwesen Ramseys, der glaubt, mit der Verhaftung eines Voyeurs (Giacomo Assandri, „Hi-Hi-Hilfe, sie liebt mich!“) den Täter bereits geschnappt zu haben. Andere Sorgen hat das ehemalige holländische Freudenmädchen Glenda (Dalila Di Lazzaro, „Frankenstein ‘80“), das zwischen gleich drei Liebhabern steht und sich letztlich für den falschen entscheidet…

„Wenn ich nicht zweimal am Tag ein Bad nehme, werde ich leicht hysterisch.“

In das hörenswerte, von Amanda Lear gesungene Titelstück platzt ein Voice-over-Sprecher, der betont, dass der Film auf wahren Begebenheiten beruhe – was ja sogar stimmt. Ein kleines Mädchen findet die verkohlte Leiche am Strand und schreit – aber wie! Auf diesen markerschütternden Prolog folgt das Kompetenzgerangel zwischen den Inspektoren Ramsey und Thompson, bevor Regisseur Mogherini zur Rückblende in eine Frauen-WG mit nicht ungefährem Erotikanteil lädt. Mit seinen flinken Figureneinführungen droht „Blutiger Zahltag“ sich zu überschlagen, wenngleich die daraus resultierende Verwirrung zur intendierten Wirkung des Films passt.

„Ich wünsch' dir einen recht schönen Bumsurlaub!“

„Blutiger Zahltag“ entwickelt sich zunächst weiterhin zu einem freizügigen Giallo: Nachdem die Inspektoren den stadtbekannten Spanner Quint bei der Selbstbefleckung überrascht haben, rückt Glenda in den Mittelpunkt der Handlung. Sie treibt’s sowohl mit Professor Douglas (Mel Ferrer, „Der Antichrist“) als auch mit Roy (Howard Ross, „Unmoralische Novizinnen“) aus dem Stahlwerk und sucht ständig ihre Schlüpfer. Dann bekommt sie auch noch Besuch von ihrem italienischem Freund Antonio (Michele Placidom „Magnum 45“), einem eher feinfühligen Typen. Mit der plötzlichen Wiederaufnahme des Erzählstrangs um die polizeilichen Ermittlungen wird Mogherinis Konzept für diesen Film deutlich: Das gleichberechtigte Nebeneinander zweiter Handlungen, der gialloesken um Glendas Promiskuität und der kriminalen um Ramsey und Thompson (in deren Rahmen auch ein pensionierter Cop mal ein Korn findet, genauer: ein Reiskorn…).

„Ihr habt euch auf dieses arme Schwein gestürzt, nur weil er ein Voyeur ist und masturbiert! Im Laufschritt, ihr dummen Ärsche! Nur damit der Alte die Scheißwahl nicht verliert!“

Nach Ermittlungen in einer Wäscherei wird die Leiche in einer ebenso überraschenden wie unangenehmen Szene öffentlich ausgestellt, was Mogherini mit Bildern einer gaffenden Menschenmasse, die sich an ihr vorbeischiebt, kombiniert, unterlegt von Elektromusik Riz Ortolanis. Die Mutter der Toten identifiziert sie schließlich bei der Polizei. Und man darf sich fragen, ob eine solche Zurschaustellung für diesen ersten Teilerfolg wirklich nötig war. Aber auch das passt gewissermaßen zum Film, in dem fast ausschließlich Figuren agieren, die irgendwie neben der Spur sind – inklusive der Ermittler. So schreckt man auch nicht davor zurück, Quint auf der Wache zu foltern. Man lässt quasi seinen Frust über die erfolglose Mördersuche gewaltsam an ihm aus.

„Frauen wie du sind nur zum Bumsen gut!“

Glenda wiederum behauptet plötzlich, schwanger zu sein, und verliert kurz darauf angeblich ihr Kind. Zwischen beiden Szenen muss ein großer Zeitsprung liegen, auf den der Film aber nicht hindeutet. Auch dies ist Teil des Konzepts, Mogherini spielt mit der Chronologie – was sich in Momenten wie diesem aber als störend erweist. Auch dass Glenda sich mittlerweile scheinbar für einen Mann entschieden und Antonio geehelicht hat, ist unvermittelt Teil der neuen filmischen Realität. Doch steht sie weiterhin zwischen drei Männern, die verschiedene Typen verkörpern: dem väterlichen, vermögenden Professor, dem aufregenderen blonden und blauäugigen Roy und dem eher ärmlichen, aber romantischen Südländer Antonio. Aber keiner kann ihr alles bieten – und deren individuelle negative Eigenschaften richten sich schließlich gegen Glenda. Antonio verliert nach der Heirat viel von seinem Zauber und wird zum Pascha und Kontrollfreak.

Eine der Hauptfiguren wird überraschend ungefähr zur Filmmitte umgebracht, was ins Gedächtnis zurückruft, dass da immer noch mindestens ein gefährlicher Mörder frei herumläuft. In einer weiteren unangenehmen Szene prostituiert sich Glenda und es kommt zu hässlichen Szenen einer Ehe. Die Polizei steht dem kaum nach, auch Roy wird von ihr misshandelt und gefoltert. Gegen Ende offenbart sich dann, was zunächst unwahrscheinlich schien: Die Tote ist Glenda, ihre Szenen sind allesamt Rückblenden. Beide Handlungsstränge verlaufen also mitnichten parallel. Dieses interessante Erzählprinzip hat den Nachteil, dass – zumindest während der Erstsichtung – manch Sequenz als irrelevant abgetan werden könnte, obwohl sie eigentlich die Vorgeschichte eines Mords erzählt.

Und tatsächlich holpert es in diesem (auffallend viel in der Gastronomie spielenden) Film dramaturgisch hier und da. Dies wird jedoch zu großen Teilen von seinen Qualitäten wettgemacht, zu denen Riz Ortolanis stilistisch abwechslungsreiche Musik (gleich zwei seiner Stücke darf Amanda Lear singen) ebenso zählt wie die sonnendurchfluteten Bilder, für die die Kamera häufig die Sydney-Oper ins Bild rückt (die Außenaufnahmen wurden tatsächlich in Sydney gedreht) und darüber hinaus sehr bunte, ästhetisierte Bilder liefert. Eine Bank ist zudem Ray Milland, der seinen Ex-Inspektor mit einigem Charme spielt. Eine lautere Figur übrigens, die inspektor Thompsons Methoden kontrastiert, der wiederum als kritischer Kommentar zum damaligen Zustand der italienischen Polizei angelegt worden war. Placido gelingt der Spagat zwischen südländischem Lover und furchtbarem Macho auffallend gut, seine Rolle darf auch als Warnung an die Damenwelt verstanden werden. Di Lazzaro führt ebenfalls souverän durch den Film, wurde in ihren Nacktszenen aber leider gedoubelt. Howard Ross hingegen irritiert in seiner Nebenrolle mit übertrieben blauen Kontaktlinsen, durch die er unfreiwillig befremdlich bis gruselig aussieht.

Interessantes, überwiegend ansprechendes, dabei recht exaltiertes und leicht experimentelles italienisches Kino, das auf zahlreiche Poliziesco- und Giallo-Konventionen pfeift und dabei das Herz am rechten Fleck hat. Sympathisch!

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