Ein frühes Meisterwerk von Regisseur Kawajiri Yoshiaki ("Ninja Scroll"; "Animatrix")! Die Grundidee eines geheimen Bündnisses zwischen der Menschen- und Dämonenwelt kann als Blaupause für "Underworld" und insbesondere "Wächter der Nacht" und seine Fortsetzungen angesehen werden. Das klang vielleicht damals schon nicht sonderlich originell (und bei den späteren Filmen wohl noch weniger), aber auch "Wächter der Nacht" zeigte ja aufs Neue, dass sich niemand an einem banalen Konzept stört, solange die Inszenierung stimmt. Das soll nicht heißen, das "Wicked City" flach erzählt ist, ganz im Gegenteil: Die Story ist knackig, straight und spannend und hält den Zuschauer über die gesamte Laufzeit gebannt. Nur der finale Plot-Twist mag ein wenige aufgesetzt erscheinen.
Die Inszenierung dann aber ist beeindruckend. "Wicked City" hat auch nach fast zwanzig Jahren nichts von seiner Wirkung eingebüßt. Der Film ist wohl einer der am meisten stilisierten Horror-Animes überhaupt. Besonders die Farbdramaturgie ist beachtlich. Rot- und Blautöne dominieren den Film und erzeugen eine gänzlich irreale, beunruhigende Grundstimmung. Auch der Rest des Films setzt eher auf atmosphärische Wirkung denn auf billigen Schock. Die Räume sind teils unheimlich erstarrt und bedrohlich ausgeleuchtet, teils gänzlich abstrakt gehalten. Kawajiri demonstriert hier eindringlich, welch beachtliche Wirkungen im Animationsfilm mit geschickter sttilistischer Umsetzung möglich sind.
Dazu gesellen sich groteske Horrorszenarien und Mutationen, die den menschlichen Körper verzerren, wie es im Realfilm in Ansätzen vielleicht nur Cronenbergs "The Fly" oder Carpenters "The Thing" gelang. Der Übergang zwischen Menschen- und Dämonenkörper ist flüssig und kann jederzeit überraschend umschlagen. Kein Zustand ist sicher und dauerhaft. Die Monsterdesigns sind unglaublich gut gelungen und sehr surreal. Die Gewalt im Film findet eher in stark stilisierten Horrorbildern statt als in derben Splatterfontänen. Das macht sie zwar nicht weniger explizit, aber deutlich weniger Exploitation-haft.
Man mag dem Film vorwerfen, dass er neben der Horror- auch die Hentai-Sparte zu bedienen sucht (wenn auch in vergleichsweise harmlosen Bildern). Allerdings sind die Erotikszenen genauso grotesk und verstörend wie der Rest des Films und gliedern sich somit gut in das Gesamtbild. Hier entscheidet der persönliche Geschmack, aber dem Film selbst kann man daraus keinen Strick drehen.
Die Animation ist für eine Videoproduktion aus den späten 80ern immer noch beeindruckend. "Wicked City" macht dabei auch an Stil locker weg, was vielleicht aus Kostengründen an detaillierter Animation auf der Strecke bleiben musste. Nur der Sountrack wirkt doch schon ziemlich antiqiert, was aber während des Films auch nicht negativ auffällt. Höchtens die J-Pop-Schnulze im Abspann hätte man sich wohl besser schenken sollen.
Unterm Strich ein sehr guter und spannender Horror-Anime in bedrohlichen und verstörenden Bildern. Meisterwerk!