Bisher war Christian Gudegast in erster Linie als Drehbuchautor der Männerfilm-Stangenware „A Man Apart“ und „London Has Fallen“ aufgefallen. Folgerichtig gibt er nun sein Regiedebüt mit Männerfilm-Stangenware mit dem Star des letzteren Films in einer Hauptrolle: „Den of Thieves“, hierzulande „Criminal Squad“ genannt, vielleicht um sich an „Gangster Squad“ anzuhängen, obwohl auch der nur mäßig erfolgreich war.
„Den of Thieves“ ist ein Cops-contra-Gangster-Stück auf der Spur von Michael Manns Maßstäbe setzendem „Heat“ und gibt sich von Anfang an kaum Mühe seine Inspiration zu verbergen. Nicht nur, dass der Auftakt ein Überfall auf einen Geldtransporter ist, bei dem es Tote gibt, nachdem ein Wachmann nach der Waffe greift, nicht nur, dass diese Actionsequenz bereits die Professionalität der militärisch vorgehenden Heistcrew einführt, selbst das Sounddesign lehnt sich mit seinen realistischen, extrem lauten Waffengeräuschen an den Stil Michael Manns an. Die Crew um Anführer Ray Merrimen (Pablo Schreiber) versucht menschliches Leben zu schonen, drückt aber in Notfällen ohne mit der Wimper zu zucken ab und entkommt den Cops nach einem Feuergefecht, nicht zuletzt wegen exzellenter Planung. Immerhin handelt es sich bei allen um ehemalige Mitglieder der Armee.
Den kriminellen Profis wiederum setzt das Script eine Truppe tougher Son-of-a-Bitch-Cops entgegen, angeführt von Nick Flanagan (Gerard Butler), der mit Alkoholfahne zum Dienst erscheint, am Tatort Donuts aus dem Karton in der Hand einer Leiche futtert und sich von einem Bundespolizisten, der zu allem Überfluss auch noch Veganer ist, schon gar nichts vorschreiben lässt. Er führt ein ähnlich ruppiges und ungehobeltes Team von Atzen an, offiziell als Major-Crimes-Team tätig, deren Umtriebe zum Glück nicht irgendwann ins unfreiwillig Komische abgleiten wie bei der artverwandten Truppe aus David Ayers „Sabotage“.
Flanagan ahnt, dass Merrimen hinter dem Überfall steckt und dieser lediglich die Vorbereitung für einen größeren Coup ist. Bei der Suche nach Beweisen stößt er auf den vorbestraften Barmann Donnie (O’Shea Jackson Jr.), der zu Merrimens Crew gehört, was Flanagan und seine Jungs in einem unkonventionellen Verhör aus ihm herauspressen. Sie zwingen Donnie zu einem Doppelspiel, bei dem einerseits den Raub mit vorbereitet, andrerseits Informationen an Flanagan weitergibt…
Wenn es eine Sache gibt, die an „Den of Thieves“ wirklich beachtenswert ist, dann ist es das Casting. Der bekannte Curtis ’50 Cent‘ Jackson ist nur einer der Räuber, für deren Reihen ebenso wie für jene der Major-Crimes-Einheit man markante Gesichter aus Hollywoods zweiter bis dritter Reihe gecastet hat, die aber vollkommen in ihren Rollen aufgehen, etwa Evan Jones, Maurice Compte oder Brian Van Holt. Aus jener Bekanntheitsklasse stammt auch Pablo Schreiber, der allerdings goldrichtig für die Rolle des kriminellen Masterminds gecastet wurde – ein dankbarer Job für den talentierten Mimen. Auch Ice-Cube-Sohn O’Shea Jackson Jr. leistet in seiner dritten Kinorolle Brauchbares. Ein weiteres verlässliches Nebenrollengesicht ist Oleg Taktarov, der aber nur eine kleine Rolle hat, für einen Cameo mit weiterer Street Credibilty gewann man MMA-Fighter Michael Bisping. Für kommerzielle Zugkraft sorgt natürlich in erster Linie Actionstar Gerard Butler, der auch als Produzent tätig war, und Spaß daran hat als regelrecht asozialer Brutalo-Cop so richtig die Sau rauszulassen, in einer Tour zu pöbeln und Streit anzufangen.
Was freilich auch bedeutet, dass der Film vor allem in der ersten Hälfte des Proll-Potential seines Stoffs komplett ausspielt: Gangster und Bullen belauern sich, beleidigen sich gegenseitig, provozieren einander, inklusive obligatorischem Schwanzvergleich-Wettgeballer auf dem Schießstand. Frauen haben da wenig zu vermelden, sind in erster Linie da um Essen zu bringen, an der Stange zu tanzen oder eine Rolle in den Plänen ihres Mannes zu erfüllen – insgesamt also stellenweise schon unfreiwillig komische Macho-Bullshit-Vorstellungen von Männlichkeit, die selbst in einem solchen Genrekontext etwas zu weit gehen. Aber vielleicht liegt darin auch ein Kniff des Drehbuchs: Wenn die Cops beinahe schon asozialer sind als die Gangster mit dem Ehrenkodex, dann weiß man nicht genau, wem man jetzt eigentlich die Daumen drücken soll.
Vielleicht am ehesten Donnie, der zwischen die Fronten von Merrimen und Flanagan gerät, der stets in Teufels Küche kommt, weil jeder ihn vor allem als Spielball einsetzen will. Zumal er am meisten Skrupel zu haben scheint: Auch die Cops fangen auf der Gangsterjagd eine Schießerei im Stau an, selbst wenn sie versuchen Zivilisten in Sicherheit zu bringen – doch das Zur-Strecke-Bringen des Kontrahenten ist zu wichtig um später zuzugreifen. Und ähnlich, wenn auch nicht ganz so sehr als Todesschwadron wie die Einsatzgruppe in „Extreme Justice“ versuchen sie Gangster auf frischer Tat zu ertappen um dann mit Gewalt eingreifen zu können. Nicht uninteressant allerdings ist die Tatsache, dass sowohl bei den Cops als auch bei den Ex-Soldaten-Räubern alle problemlos zusammenarbeiten, egal welche Farbe ihre stark tätowierte Haut hat – eine Macho-Utopie, in der Rassenkonflikte angesichts gemeinsamer Männlichkeitsrituale vollkommen überwunden sind. In kleinen Gesten kann man am Ende ablesen, dass trotz aller Prollerei ein gewisser Respekt zwischen Gangster und Bullen besteht, die spüren, dass sie aus dem gleichen Holz geschnitzt sind, aber eben auf verschiedenen Seiten stehen.
Wobei ein ähnliches Ethos ja auch in den zahlreichen Vorbildern finden war, an die sich „Den of Thieves“ brav anhängt. Doch immerhin hat Gudegast seine Inspirationen sorgfältig studiert und liefert einen handwerklich sauberen Schema-F-Reißer ab, der zudem in Hälfte zwei ordentlich Fahrt aufnimmt. Der zentrale Coup, der auf ellenlangen Vorbereitungen und einem komplizierten Plan fußt, aber auch mit diversen Komplikationen aufwartet, ist ein wirklich schweißtreibender Heist, der Genrefans auf jeden Fall glücklich macht. Nichts daran ist neu, aber das Tempo in der zweiten Hälfte kommt mit hoher Schlagzahl daher und hält so die Spannung aufrecht. Ein letzter Twist versucht noch einmal oberschlau zu sein, ist es vielleicht nicht unbedingt, wirkt aber auch nicht störend oder anmaßend.
Natürlich sprechen zwischendrin die Waffen in bewährtem Michael-Mann-Stil, auch wenn „Den of Thieves“ die Action eher dosiert einsetzt. Doch die vorhandenen Shoot-Outs liefern gelungen choreographierte Feuergefechte mit taktischem Vorgehen und reichlich Munitionsverbrauch, bei denen sich kriminelle und gesetzeshütende Profis nichts schenken, wobei sich das Ganze in erster Linie auf zwei dafür umso exzessivere Szenen konzentriert: Die Auftaktballerei und den ausgiebigen Showdown.
„Den of Thieves“ ist Standardware, der man die Vorbilder von Michael Mann bis David Ayer ansieht, die anfangs etwas hängt und das Atzentum seiner Hauptfiguren zelebriert. Aber es ist (vor allem in der zweiten Hälfte) flotte Standardware mit einem spannenden Heist, famosen Feuergefechten und einer starken Besetzung. Kein „The Town“ und erst recht kein „Heat“, aber okaye Cops-contra-Gangster-Heist-Unterhaltung in einer Güteklasse zwischen „Triple 9“ und „Takers“.