Ein Namenloser erscheint beim König von Qin, um ihm zu melden, dass er drei schwergesuchte Königsattentäter erlegt habe. Als Belohnung erhält der Namenlose einige Besitztümer und das Recht, bis auf 10 Schritte an den König heranzutreten und mit ihm zu trinken. Neugierig geworden, horcht der König den Namenlosen aus, wie es ihm gelungen sei, diese hervorragenden Kämpfer (mit den poetischen Namen „Gebrochenes Schwert“, „Fliegender Schnee“ und „Himmel“) zu besiegen. Die eigentliche Handlung des Films sind jetzt die in Rückblenden erzählten Geschichten der Kämpfe zwischen dem Namenlosen und den drei Kämpfen, welche einige Überraschungen für den Zuschauer parat haben.....
In einer Szene lässt der Regisseur Zhang Yimou seinen Protagonisten sagen, Musik und Kampfkunst hätten bei allen existierenden Unterschieden ein gemeinsames Ziel: das Streben nach Perfektion. Nach dem Genuss dieses Films müsste man wohl die Filmkunst ebenfalls zu diesen Disziplinen hinzuziehen. Der Begriff Kino oder Cinema, abgeleitet vom Begriff Kinematographie, bedeutet ja nichts anderes, als die „Abbildung von Bewegung“. So betrachtet ist HERO eventuell der Film, der dem Urideal des Kinos am nächsten kommt. Die Protagonisten kämpfen nicht, sie tanzen, umschmeicheln sich, spielen miteinander und das nahezu permanent. Jede Bewegung, jede Farbgebung, jeder Kamerawinkel ist perfekt gewählt. Ein Film wie ein perfekter Traum.
Und dann diese Credits!!! Wer Aufzählungen hasst, wende sich gleich dem nächsten Absatz zu, alle anderen dürfen jetzt hemmungslos in berühmten Namen des asiatischen Kinos schwelgen. Zuersteinmal der Regisseur Zhang Yimou, der u.a. mit ROTES KORNFELD, ROTE LATERNE und HAPPY TIMES Meilensteine des chinesischen Dramas gesetzt hat. An der Kamera haben wir den Wong Kar-Wai-Intimus Christopher Doyle (CHUNGKING EXPRESS, FALLEN ANGELS, HAPPY TOGETHER, IN THE MOOD FOR LOVE, THE QUIET AMERICAN), dessen Kamera die Figuren umschmeichelt und aus den Gesichtern der Darsteller jede Regung herausholt. Vor der Kamera haben wir alles vom Feinsten: Martial-Arts-Star Jet Li (BLACK MASK, THE ONE, KISS OF THE DRAGON, LETHAL WEAPON 4, THE TAI CHI MASTER), Allround-Genie Tony Leung (BULLET IN THE HEAD, A CHINESE GHOST STORY 3, HARD-BOILED, CHUNGKING EXPRESS, HAPPY TOGETHER, THE LONGEST NITE, IN THE MOOD FOR LOVE, INTERNAL AFFAIRS), die Grand Dame des HK-Kinos Maggie Cheung (AS TEARS GO BY, HEROIC TRIO, ASHES OF TIME, CHINESE BOX, IN THE MOOD FOR LOVE), Martial-Arts-Star Donnie Yen (SHANGHAI AFFAIRS, BALLISTIC KISS, BUTTERFLY SWORD) und zuguterletzt die Ang Lee-Neuentdeckung Zhang Ziyi (CROUCHING TIGER & HIDDEN DRAGON, THE LEGEND OF ZU, MUSA – THE WARRIOR). Für die Actionchoreographie zeichnet sich kein geringerer als Ching Siu-Tung verantwortlich (Regie/Co-Regie: A CHINESE GHOST STORY, SWORDSMAN, HEROIC-TRIO, Action-Choreograph: PEKING OPERA BLUES, A BETTER TOMORROW 2, SHAOLIN SOCCER), der selten in seiner Karriere solche Action-Kunstwerke wie hier geschaffen hat.
Übersetzt ins westliche Kino wäre das wohl nur mit einem Film von Martin Scorcese vergleichbar, bei dem Robert de Niro, Al Pacino, Marlon Brando, Edward Norton und Kevin Spacey die Hauptrollen einnehmen, Coppopla Second-Unit-Director macht, Ballhaus die Kamera führt und Sam Peckinpah die Actionszenen choreographiert.
Aber Namen machen noch keinen Film. HERO ist ein wirklich ambitionierter Film, der bis ins kleinste geplant wurde und diese Mühe auch ungefiltert an sein Publikum weiterleitet. Die Farbdramaturgie sucht seinesgleichen. Jede Episode hat eine eigene Grundfarbe, von Schwarz beginnend, über Rot, Gelb, Jadegrün und Weiss, der chinesischen Farbe des Todes. Beachtet werden muss die verschachtelte Erzählweise, die an Kurosawas RASHOMON gemahnt. Die Versionen ein und derselben Geschichte ergänzen sich, verdrängen sich oder heben sich gar auf. Wahrheit liegt im Auge des Betrachters, eine letztendgültige Lösung wird nicht geboten (was einige Zuschauer meiner besuchten Vorstellung ratlos – ja wütend – zurückließ). Nicht nur diese Herangehensweise erinnert an Kurosawa, auch Ausstattung und Kostüme gemahnen an das Spätwerk des großen Meisters. Die Kostümdesignerin Emi Wada von HERO war auch seinerzeit für RAN und DREAMS mit der gleichen Aufgabe betreut.
Die pazifistische Botschaft, das Ziel des Kampfes sei die Überwindung desselben, tritt in jeder Minute des Films deutlich hervor. Darüber hinaus bietet Hero keine eindeutigen Lösungen des Problems an. Tyrannenmord steht gegen Anpassung aus Vernunft. Individuelle Ziele gegenüber Zielen einer ganzen Gesellschaft. Emotion, Liebe und Verrat gegenüber Disziplin, Unterordnung unter Gesamtziele und Staatsräson. Genau hier setzt die Kritik der HERO-Gegner an. Yimou hätte sich vom roten Regime kaufen lassen. Der historische König von Qin gilt nämlich als Schlächter und Menschenverächter und wurde von Mao ob seiner Rücksichtslosigkeit verehrt. Aber die Zeichnung ebendieser Person durch Yimou stellt den König als einen besonnenen, jedoch entschlossenen Menschen dar. Der Regisseur selber, auf die Kritik angesprochen, reagiert in der Regel gelassen: Es ginge ihm weniger um politische/historische Wahrheiten sondern um die Poesie der Geschichte.
Wie auch immer: irgendwo in der Mitte wird die Wahrheit liegen. Tatsache ist, dass das wohlwollende Kopfnicken der roten Machthaber dem Film mit Sicherheit nicht geschadet hat, dass andererseits aber dessen pazifistische Aussage konträr zur Praxis der kommunistischen Regierung steht. Auch die Riefenstahlsche Ästhetik (Manche Szenen sind nahezu eins zu eins aus TRIUMPH DES WILLENS übernommen) des Königspalastes lässt eine positive Assoziation mit dem König eigentlich nicht zu. Vermutlich ist diese Diskussion in 20 Jahren sowieso völlig belanglos, wenn man den Film jenseits von tagespolitischen Betrachtungen goutieren wird.
Erfreulich, dass CROUCHING TIGER & HIDDEN DRAGON seinerzeit im Westen den Weg geebnet hat für das asiatische Martial-Arts-Kino im großen Stil. Hoffen wir, dass es so weiterläuft und die Kralle des Kommerzes den Filmemachern nicht so bald die Luft abdrückt.
Erfreulich auch, dass mit der romantischen Variante CR. TIGER & H. DRAGON und dem eher philosophisch-intellektuellen HERO zwei Schwertkampf-Filme die großen westlichen Lichtspielhäuser füllen. Der dritte große asiatische Schwertkampffilm dieser Tage MUSA-THE WARRIOR (die düster-actionlastige Variante aus Korea) hat zwar noch keinen Verleih im Westen, wird aber demnächst mit dem Fantasy Filmfest auf Deutschlandtour gehen. Dort gibt es dann auch ein wiedersehen mit Zhang Ziyi.