Italo-Regisseur Carlo Vanzinas Auftakt zu seiner heuer abgeschlossenen Model-Giallo-Trilogie aus dem Jahre 1985 ist ein sehr stilsicher inszenierter, später Genrebeitrag, der zahlreiche Giallo-Charakteristika aufweist.
Zum einen wäre da die Ansiedelung der Geschichte in der Welt der „Reichen und Schönen“, der Mailänder Fotomodell-Branche. Schwarze Handschuhe und Stichwaffen sind ebenso obligatorisch wie zahlreiche falsche Fährten und den US-Amerikaner, der nach Europa kommt, um selbst zu ermitteln, kennen wir ebenso wie ein übersinnliches Phänomen, in diesem Falle die Verbundenheit Bob Cranes (Tom Schanley) mit seiner in Mailand arbeitenden Zwillingsschwester Jessica (Nicola Perring), beispielsweise bereits von Dario Argento.
Bobs Verbundenheit lässt ihn spüren, dass sich seine Schwester in Lebensgefahr befindet. Ausgangspunkt für „The Last Shot“ ist daher ungewöhnlicher Weise ein US-amerikanischer Nationalpark. Doch erst einmal in Mailand angekommen, bekommt der Film sein typisch italienisches Flair. „Naturbursche“ Bob wird mit einer oberflächlichen Großstadt-Welt, in der tiefe Abgründe lauern, konfrontiert, Kommissar Danesi (Donald Pleasence) kommentiert den Kulturschock auf kauzig-sarkastische Weise – einmal mehr eine Pleasence wie auf den Leib geschneiderte Rolle.
Während Bob also seine Schwester sucht, geschehen weitere mysteriöse Morde und ebenfalls Giallo-typisch gestaltet sich das „Whodunit?“ schwierig, denn den letztendlichen Täter kann man höchstens durch das Ausschlussverfahren erahnen. Bis dahin kann man sich aber an einem sich für die künstlerische Entfaltung der 1980er-Neonlicht-Atmosphäre, kombiniert mit dem Charme ernsthafterer, weniger sleaziger Gialli, alle Zeit der Welt nehmenden, gemächlichen Erzähltempo erfreuen, das Raum für einige gewitzte Kniffe in Bezug auf die Kameraarbeit bietet und die Darstellerinnen, allen voran die mit einer blonden Kurhaarfrisur sehr attraktive Nicola Perring, gekonnt in Szene setzt. Mehrdeutige Dialoge hinsichtlich der Modelltätigkeiten sorgen für einen gewissen Tiefgang. Das Finale selbst ist dann ein Musterbeispiel für Suspense à la Hitchcock, eine echte Überraschung und endet mit einem schockierenden Knalleffekt.
Dennoch mangelt es „The Last Shot“ letztlich etwas an Spektakulärem und wer seine Probleme mit 1980er-Stimmung in gemütlichem Tempo hat oder auf zahlreiche blutige Action hofft, dem dürfte „The Last Shot“ vermutlich weniger zusagen. Ich hingegen hatte meine Freude an diesem Stil, konnte Vanzinas Arbeit sehr genießen und bis zum herrlich wahnsinnigen Finale sehr gut entspannen. Deshalb handelt es sich hierbei um einen aus meiner Sicht wirklich guten Genrebeitrag für Freunde der leiseren Töne, von dem ich mir eine vernünftige deutsche Veröffentlichung wünsche.