Review

Staffel 1 + 2


Wie baut man ein Mikroversum um einen Mann, der eigentlich nur in Ruhe gelassen werden will? Gar nicht so einfach, den Einzelgänger mit Verlust-Trauma im Zentrum einer Serie festzunageln. Der Wunsch nach einem "Punisher"-Spin-Off ist derweil durchaus nachvollziehbar; wann immer Jon Bernthal in der Mutterserie "Daredevil" aus dem Schatten hervorstieß, haben seine Aufräumaktionen schließlich frischen Wind in die Handlung gebracht.

Bernthals Darstellung rechtfertigt dann auch die Entscheidung, ihm einen eigenen Spielplatz zu spendieren. Bei den Filmen wird nach wie vor herzhaft gestritten, wer denn nun die beste Inkarnation Frank Castles ist, da prügelt sich der Neue aus dem Streaming-Zeitalter wie ein Boxer mit stoischer Miene an den Kollegen vorbei und empfiehlt sich als neuer Vorzeige-Bestrafer. Weil die nach inzwischen zwei Staffeln abgeschlossene Serie von Steve Lightfoot in den vielen Dialogen einen hochgradig psychoanalytischen Charakter annimmt, wird dem Hauptdarsteller die Möglichkeit zuteil, aus der archaischen Verkörperung der Mann gewordenen Exekutive, einem alten Relikt der 80er Jahre, etwas Tiefschürfendes zu ziehen. Und das funktioniert nur deswegen, weil dieser Castle nicht einfach ein grobmotorischer Schlägertyp ist, sondern jemand, der in Momenten von fast autistischem Charakter mit Narben überdeckt, was früher einmal ein sozialer, fürsorglicher Mensch gewesen sein muss.

Deswegen fordert das Drehbuch den störrischen Antihelden immer wieder heraus mit Charakteren, die sich ihm eng verbunden fühlen, obwohl sie oftmals auf der "anderen Seite" stehen. Amber Rose Revah knüpft hier als Special Agent Dinah Madani vielleicht das engste Band, aber auch viele andere schmiegen sich tief in seine private Zone: Alte Freunde vom Militär, das besonders für die Hintergründe der ersten Staffel eine wichtige Rolle spielt, ein Hacker (Ebon Moss-Bachrach), der gemeinsame Erfahrungen mit Castle teilt, später die Teenagerin Amy (Giorgia Whigham), die den Beschützerinstinkt zu wecken verspricht, der sich in der konfusen Gefühlswelt der Hauptfigur zu väterlicher Fürsorge zu entwickeln verspricht...

Weil "Daredevil" in der Kategorie "Action, Stunts & Gewalt" so schön vorgelegt hat, erwartet man das natürlich erst recht bei jemandem, der mit einem Totenkopf-Motiv auf der kugelsicheren Weste durch die Gegend läuft. So steigert sich vor allem das Finale der ersten 13 Folgen in wilde Raserei mit äußerst blutigen Finishern und Hinrichtungen von Fieslingen, die man regelrecht als befriedigend bezeichnen kann. Dabei ist man vor allem darauf bedacht, den Punisher nicht zu sauber aus den Gemetzeln zurückkehren zu lassen. Die Menge an Schnittwunden, Faustschlägen und Einschusslöchern, die er hinnehmen muss, reichen manchem Militärveteranen für zwei Leben. Viele Situationen verlässt er halbtot, das Gesicht völlig zu Brei geprügelt; hier wird eben auch der Masochist im Publikum bedient.

Solche Momente völliger Eskalation bleiben allerdings auf ein Mindestmaß beschränkt. Es ist weniger eine Action-Serie als vielmehr ein Drama mit Action-Spitzen, entpuppt sich die Serie doch im Ganzen als überraschend dialoglastig. Zunächst geht diese Marschrichtung dank einiger Geistesblitze der Dialogschreiber auch auf. Gerade die Lieberman-Storyline hat einige psychologische Raffinessen zu bieten, zumal Lieberman als Figur streckenweise fast noch interessanter ist als der Punisher selbst. In der zweiten Staffel allerdings geht vieles zu Bruch; die Neuzugänge funktionieren nicht (Giorgia Whigham ist die Inkarnation des berühmten Klotzes am Bein und Floria Limas Militärpsychologin möchte man am liebsten ihr eigenes Diplom in den Rachen stopfen) und die Restbestände der Vorgängerstaffel haben Mühe, in ihre neuen Rollen zu finden (Ben Barnes). Da kommt die Entscheidung, die Serie einzustellen, dann auch gerade zur rechten Zeit; noch ein solcher Entwicklungsschub bei den Figuren und der Punisher kann sich gleich zu Dr. Freud auf die Couch legen...

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