Review

„Jeden Abend knie ich nieder und sprech meine Gebete... Und jedes Mal frag ich dann unseren Herrn: ‚Herr! Wer sind meine Freunde?’ Und weißt du was, Skunk? Jedes Mal ist es dieselbe Sache: Er antwortet nicht..."

Produzent, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Tony Anthony („Ein Dollar zwischen den Zähnen“) wählte den italienischen Regisseur Ferdinando Baldi („Django, der Rächer“) für seinen Western „Blindman, der Vollstrecker“ aus dem Jahre 1971 – eine höchst fruchtbare Kollaboration.

Anthony mimt den bis auf sein zum „Blindenpferd“ ausgebildeten Klepper auf sich alleingestellten, namenlosen Blinden, dem eine 50-köpfige Herde Frauen im besten Alter unrechtmäßig entwendet wurde. Diese befindet sich nun im Besitz des mexikanischen Banditen Domingo (Lloyd Battista, „Flippers neue Abenteuer“, „Trabbi Goes to Hollywood“), der mit ihrer Hilfe eine Division der mexikanischen Armee unter Führung von „El General“ (Raf Baldassarre, „Labyrinth des Schreckens“) anlocken und übers Ohr hauen will. Doch er hat die Rechnung ohne den intelligenten Blinden gemacht, der neben seinem Geschick davon profitiert, dass ihn seine Gegner grundsätzlich unterschätzen – und es für sie meist zu spät ist, wenn sie dies bemerken...

Neben einem unglaublich lässigen, durchtriebenen Tony Anthony, der einen etwas anderen Italo-Western-Antihelden verkörpert, kann „Blindman“ die Beteiligung des „Beatles“ Ringo Starr für sich verbuchen, der mit sichtlicher Freude Candy, den nicht minder schmierigen Bruder Domingos, darstellt. Eigentlich macht die gesamte Besetzung einen bestens aufgelegten Eindruck, was wenig verwundert, wenn sie von 50 nackten, jungen Frauen umgeben ist. Als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, werden die Frauen hier wie Vieh behandelt, was aber hervorragend zur augenzwinkernd-zynischen Ausrichtung des Films passt. Mit Magda Konopka („Die sündigen Mädchen vom Lande“) als bösartige Partnerin Domingos hielt man indes als Kontrast eine starke Frauenrolle parat, die nicht minder attraktiv ist und sich sogar gleichberechtigt bis aufs Blut mit unserem Blinden Frauenfreund bzw. -händler bekämpfen darf. „Blindman“ als emanzipatorischen Film zu bezeichnen, wäre aber sicherlich etwas hochgegriffen, ähem...

Vielmehr handelt es sich um einen oberflächlich betrachtet ultra-harten, dabei originellen Italo-Western mit verdammt vielen Toten, blutigen Schießereien, zahlreichen Explosionen (der Blinde hat sein Dynamit im Dauereinsatz), einigen Sadismen und generell trotz relativ langer Laufzeit sehr hohem Tempo, das niemals auch nur ansatzweise Langatmigkeit aufkommen lässt. Italo-typisch ist alles herrlich schmutzig, staubig, verschwitzt und bis auf die Mädels unappetitlich. Der Mimik der Protagonisten wird viel Platz eingeräumt, besonders Anthony macht seine Sache famos und achtet darauf, bei allen Übertreibungen einen gewissen Realismusgrad für seine Rolle als Blindem beizubehalten, sich also nicht als Übermenschen zu geben, sondern als jemanden, der aus seiner Behinderung insofern Kapital schlägt, als er aufgrund ihrer seine restlichen Sinne besonders geschärft, aus den Demütigungen seiner Mitmenschen gelernt und begriffen hat, dass er erst recht immer einen Tick besser als die anderen sein muss, um zu überleben. Komponisten-Genius Stelvio Cipriani steuerte einen äußerst gelungenen Soundtrack bei, der sehr dominant zum Einsatz kommt.

Die eigentliche Handlung gerät bei der flotten, mit bösem Humor versehenen Inszenierung etwas in den Hintergrund, ist allerdings auch nicht sonderlich komplexer Natur. Sie wird aber wahrhaft meisterlich ausgeschmückt mit einem bunten Strauß an wahnwitzigen Ideen und Überraschungen, die entscheidend zum hohen Unterhaltungsfaktor beitragen. Mal lässt „Django“ grüßen, wenn mit einem Maschinengewehr gleich reihenweise Menschen ins Jenseits befördert werden, dann wieder verblüfft unser Blinder mit ausgebufften Einfällen oder hüpft ein Mexikaner overactend durchs Bild. Man liefert sich einige zitierwürdige, abgefuckte Dialoge und haut ansonsten einfach laut und ordentlich auf die Kacke, ohne dabei das stimmige Gesamtbild aus den Augen zu verlieren. Denn alles fügt sich trotz von Baldi als zeitweise chaotisch beschriebener Drehumstände perfekt zusammen und die Kameraarbeit mit ihren Perspektiven, Fahrten und Schwenks, ihren Panoramen und Zooms sowie ihren Ausleuchtungen ist auf so hohem Niveau, dass sie „Blindman“ nicht nur wegen des für einen Western ungewöhnlich hohen Frauenanteils zu einem visuellen Leckerbissen macht.

„Blindman“ ist zwar beileibe kein Western der leisen Töne, doch der diskriminierenden Behandlung, der unser blinder Geschäftsmann bisweilen ausgeliefert ist, wohnt unschwer zu erkennen Kritik am Umgang mit Behinderten inne. Und wer möchte, kann sich bestimmt auch Gedanken darüber machen, wie viel Sexismus in „Blindman“ steckt oder wie viel davon veranschaulichende Übertreibung zu karikierenden Zwecken ist und das Hauen und Stechen der ganzen Bagage auf dem Rücken der Frauen als zynischen Kommentar zum entfesselten Kapitalismus interpretieren. Zu allererst ist „Blindman“ aber ein perfekt inszenierter Unterhaltungswestern für Erwachsene, dessen Fazit mir angesichts des einmal mehr zynischen Endes zu sein scheint: „Weiber – wie gewonnen, so zerronnen.“

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