Das Kino denkt wieder in großen Buchstaben. GODZILLA und KING KONG halten sich schon mal fit für ihr direktes Kräftemessen, The Rock zieht in RAMPAGE mit der Tagline „Big meets Bigger“ in den Krieg gegen überdimensionales Pelz- und Schuppenvieh... und MEG? Das Urzeittier von Beyond Time and Sea schickt sich konsequenterweise an, den gefürchteten Weißen Hai ganz klein mit Hut zu machen.
Steve Alten, Autor der reißerisch geschriebenen Romanvorlage, beruft sich bei seinem megalomanischen Horrorthriller-Entwurf auf existierende wissenschaftliche Theorien um das Überleben des Ungetüms, dessen fossile Funde bis ins viele Millionen Jahre zurückliegende Milozän zurückreichen. Das reicht ihm schon, um seine hanebüchene Unterhaltungslektüre mit der Gegenwart in Einklang zu bringen und dem Hai-Horror eine neue Sensationsstufe zu verpassen, ohne dazu zwangsläufig komplett in die Fiktion auszuweichen. Und die Verfilmung? Der reicht es, in Flüsterpost-Manier knapp auf Altens Roman zu verweisen, um den unerklärlichen Hunger des Publikums nach Jason-Statham- und Haifilmen in Einklang zu bringen.
Dass es diesem Film nicht ernst damit ist, eine richtige Mythologie um das mit riesigen Zähnen bewaffnete Monster aufzubauen, merkt man bereits am Verzicht auf den Urzeit-Prolog, der im Roman kurz und knapp die Hierarchie der Super-Prädatoren klarstellte (wenn Riesen unter sich sind...) und den Menschen dabei nicht einmal ansatzweise in Tuchfühlung zur Spitze brachte. Gerade mit Blick auf das für einen Film dieser Art erstaunlich hohe Budget, wie gerne hätte man die Attacke eines Megalodon auf einen T-Rex gesehen („Meg vs. Jurassic-World“, ick hör dir trapsen). Doch Jason Statham spielt die Hauptrolle, und wer einmal einen Film mit Jason Statham gesehen hat, der weiß: Jason-Statham-Filme sind niemals Haifilme, sondern immer Jason-Statham-Filme. Also befehligt der coole Brite in der ersten Szene ein U-Boot-Set. Es wackelt, es rummst, Knöpfe blinken wild und Schatten ziehen vorbei, ohne den Schattenwerfer zu enttarnen. Ein enttäuschend träger Auftakt für diesen so lange angekündigten Super-Haifilm, der doch gewaltiger werden sollte als alles, was es bis dato unter Wasser zu sehen gab. So verrückt wie einige der Billigheuler von Asylum, nur eben viel professioneller umgesetzt.
Die Enttäuschung versiegt nicht, als das Drehbuch in den ersten Hauptteil überleitet. Fünf Jahre sind verstrichen seit dem nautischen Gerumpel aus der Einführung, Statham verweilt inzwischen, wie er das eben gerne tut, mit Strohhut und Bier in paradiesischer Kulisse im Quasi-Ruhestand, so lange, bis er von seiner Vergangenheit für eine riskante Rettungsaktion zurückbeordert wird. Dieser schematische Aufbau unterscheidet sich soweit kein Stück von einer beliebigen Produktion für den Videomarkt. Das Budget wird frühestens mit der Präsentation der Unterwasserstation spürbar, die der ersten Filmhälfte als Setpiece dient. Doch bleibt sie hübscher Oberflächenlack. Assoziationen zu „Deep Blue Sea“, der in ähnlicher Umgebung spielte, sind gegeben und wenden sich bald gegen den Film, denn zu keiner Zeit kann Jon Turteltaub in der Anlage auch nur einen Funken der Spannung erzeugen, den der um genetisch manipulierte Makohaie gestrickte Pulp-Entertainer von Renny Harlin vor knapp 20 Jahren zu bieten wusste. Was innerhalb und außerhalb der futuristischen, gleichwohl sterilen Röhren geschieht, hat nicht einen Fingerbreit Thrill oder gar Suspense zu bieten, selbst wenn einzelne Schlüsselbilder, beispielsweise der riesige Megalodon Auge in Auge mit einem kleinen Mädchen, genau dazu aufrufen.
Zu allem Überfluss häufen sich um die Konferenztische auch noch Pappkameraden aus dem kleinen Einmaleins für Charakterzeichnung. Die Darsteller sind darum bemüht, gegen ihre Holzschnittentwürfe anzukämpfen, gerade Robert Taylor und Rainn Wilson, jene Darsteller mit den unsympathischsten Rollen, versuchen, etwas Gutes aus ihren Charakteren zu kitzeln. Es bleibt am Ende reines Bemühen. Das Ergebnis sind klassische Debatten über Ethik und Anstand zwischen wissenschaftlichen und kapitalistischen Interessen, gemischt mit persönlichen Aversionen und auch Sympathien (die in einer fragwürdigen Sequenz münden, in der sich Li Bingbing und Stathams nasser, nackter Oberkörper auf den ersten Blick ineinander verlieben). Für einen pragmatischen Helden wie Statham vereint sich all das natürlich zu einem fruchtbaren Biotop, bietet sich ihm doch reichlich Gelegenheit, seinen Ichhabsgleichgesagtismus in reine Tatkraft umzuwandeln (und den ein oder anderen ironischen Oneliner unterzubringen).
Würde die Nummer bis zum Abspann so weitergehen, wäre wohl von einem der ödesten Haifilme der Kinogeschichte zu sprechen - und das bei einem fetten Joker von 20 Metern Länge, der, obwohl er regelmäßig ins Bild schwimmt, gefühlt immer noch zu selten in Erscheinung tritt. In der Filmmitte wird dann glücklicherweise eine Wendung vollzogen, so dass man wohlwollend behaupten könnte, „Meg“ biete zwei Filme in einem, so wie früher die guten alten Double-Features. Dem (gewünscht) klaustrophobischen Unterwasser-Horrorthriller folgt eine Haijagd über dem Wasserspiegel. Die aus dem Wasser ragende Rückenflosse ist von nun an ständiger Repräsentant seines Trägers und somit rücken die unvermeidlichen Assoziationen zu „Der Weiße Hai“ in den Vordergrund. Wahrhaftige Vergleichswerte ergeben sich selbstverständlich nicht, da „Meg“ offensichtlich nicht in der gleichen Liga spielt. Heftig wird die Logik in dieser Phase auf den Prüfstand gestellt. Sie spielt aufreizend mit sinnesbezogenen und physikalischen Ungereimtheiten, dehnt Erklärbares bis zum Bruchpunkt und stellt damit die Geduld des Publikums trotz der nicht ganz ernst gemeinten Präsentation auf die Probe. Will man sich nicht völlig den Spaß verderben lassen, muss man das Duell Hauptdarsteller vs. Riesenhai einfach mal so schlucken, dann kann der zweite Teil viele Längen des ersten Teils sogar wettmachen. Vor allem gilt das für die zum Highlight auserkorene Badestrand-Sequenz, die immerhin eines richtig macht: Die Dummheit des Menschen, der sich in der Masse bewegt, führt er gekonnt vor. Mit chinesischem Geld werden chinesische Badegäste am Sanya Bay verschluckt wie Müll von einer riesigen Baggerschaufel – welch köstliche Ironie. Ob es nun ein idiotisches Mannkind in einem Gummiball ist oder ein kleiner dicker Junge mit Stieleis, den der Megalodon ins Visier nimmt, Mitleid hat man dann doch eher mit dem Hai, der so viel Plastikmüll und Gummi schlucken muss, wenn er die Menschen erwischen möchte.
Inzwischen schlägt die Navigation also klar in Richtung von Alexandre Ajas Partystrandgemetzel „Piranha“ aus... und prompt verliert „Meg“ schon wieder sein Duell um Längen. Wenn das PG-13 besonders schmerzt, dann in der Strandsequenz, die abgesehen von etwas aufgewühltem Wasser und einem riesigen grauen Körper im Kontrast zu Aberhunderten von panisch um sich schlagenden Menschenkörpern wirklich nichts zu bieten hat. Ob halbierte Leiber und rot gefärbtes Wasser die Chose nun besser gemacht hätten, bleibt natürlich fraglich, aber zumindest wäre ein wenig physischer Kontakt da gewesen. Auch wenn der „Meg“ insgesamt ansehnlich animiert wurde und auch ein paar nette Moves zeigen darf, es bleibt aber doch ein Objekt aus dem Rechner, das kaum mit seiner Umwelt interagiert.
Egal woran sich „Meg“ also versucht, er scheitert jeweils krachend an den Vorbildern. Wer kurz und schnell ein wenig von allem haben will, kann sich vielleicht mal irgendwann zu Hause die Blu-ray einlegen (die Kinoleinwand wirkt dann doch ein wenig zu groß und bedeutungsvoll für das, was geboten wird). Von einem schönen Filmabend mit „Der Weiße Hai“, „Deep Blue Sea“ und „Piranha“ hat man jedoch länger, man kann mehr daraus ziehen und wird viel besser unterhalten. Sollten allerdings Steve Altens Roman-Fortsetzungen jemals verfilmt werden, könnte das noch einen Versuch wert sein. Denn das Misslingen von „Meg“ liegt hauptsächlich an den Entscheidungen auf Produktions- und Regieebene, weniger am Stoff.