"Identität" ist wieder einer dieser modischen Filme, die ihr dramatisches Gewicht an einen ganz speziellen Plot-Twist hängen, die den kompletten Film obsolet machen, wenn man ihn denn erst einmal kennt.
Dementsprechend ist das Spektrum seiner Wirksamkeit fächerförmig angeordnet, irgendwo zwischen durchsichtig und total spitzenmäßig. Betrachten wir den Restfilm also im Schatten dieses Twists und sehen, was dann übrig bleibt.
Also: in der Inhaltsangabe wirkt das alles noch wie ein munteres 10-kleine-Negerlein-Spiel in einem zugeregneten Wüstenmotel, doch sitzt man erst einmal im Film drin, dann erwartet einen zunächst ein freundliches Puzzlespiel rund um die Zurechnungsfähigkeit eines Mehrfachmörders während des Vorspanns, dann aber unterbrochen durch einleitende Szenen für unsere Motel-Menagerie, die die Charaktere zusammenführt.
Das ist noch ganz reizvoll gemacht, denn auch wenn das Zusammentreffen etwas konstruiert wirkt, hat es doch Drive und der Massenmörder ist scheinbar auch anwesend. Sollte man zumindest denken, außer man hat sich den Vorspann gut angesehen. Wer sich aber in die von Agatha Christie gestählte Grundstory versinken lässt, hat eine gute Zeit, wenn auch das Setting zunehmend unwirklicher und lächerlicher erscheint.
Aber düstere Charaktere im Regen, reichlich Leichen (auch welche im Keller bzw. Schrank) und Geheimnisse halten einen bei Laune, so dass man sich gar nicht erst zu fragen beginnt, warum einem das alles so unwirklich vorkommt.
So gehen denn drei Viertel des Films dahin und man hat sich passabel unterhalten und war auch immer wieder gespannt, bis sich im entscheidenden Moment das Filmkonstrukt der Lächerlichkeit preisgibt und in der gleichen Sekunden alles bisher Gesehene als großartiges Konstrukt entpuppt, dessen Hintergrund schon aus dramaturgischen Gründen nicht bekannt gegeben werden sollte.
Der Rest des Films dient dann der Auflösung des Hintergrunds und entwickelt sich folgerichtig, aber leider etwas spannungstötend. Dazu kommt, dass der Killer, um den es geht, durch seine abstoßende äußere Erscheinung nicht gerade angetan ist, beim Zuschauer eine emotionelle Kanalisierung hervorzurufen, die der stattfindende Konflikt bedingen würde.
Das ist im Übrigen eh das Hauptproblem des Films, denn obwohl er es versteht, das Interesse seiner Zuschauer zu wecken, fehlt die unentrinnbare Komplizenschaft mit einzelnen Charakteren, die den Seher in die Geschehnisse miteinbeziehen.
Der Twist beraubt den Film trotz großartiger Grundkonstellation dann der letzten latenten Spannung und führt zu einem überraschend banalen Ende, das nur als folgerichtig erscheint.
Dass darauf noch ein bösartiger Schlussgag folgt, ist ebenso unnütz wie zu erwarten, ist doch das Düpieren des Zuschauers das Hauptanliegen. Leider ist die finale Pointe drehbuchtechnisch schwach geschrieben und kann kaum nachvollzogen werden. Offenbar sollte man diesem Aha-Erlebnis noch ein paar Punkte abringen können.
Insgesamt ist "Identität" ein launiger und weitestgehend auch recht spannender Film mit guten Darstellerleistungen von nahezu allen Beteiligten, wenn auch Rebecca de Mornay ein wenig zu kurz kommt.
Den ganz großen Bringer hat James Mangold aber auch mit diesem Film nicht gerissen, dafür ist das Drehbuch zu wenig ausgekocht und die großen Twists haben sich schon zu sehr in der Filmlandschaft etabliert, dass man nicht sofort versucht ist, einen hinter jedem Thrillerplot zu vermuten.
Hier wird prompt geliefert, aber die ganz große Überraschung bleibt leider aus. Solide 6/10.