Wenn mal wieder der alljährliche Quoten-Schriller in den Player wandert und es Zeit dafür ist, dass gröbste Morde von einem Grobian mit Rätsel-Fetisch verübt werden, der den ganzen Film über die Polizei am verschnupften Näschen herumführt, dann merkt man in aller Regel, was für ein Geniestreich damals, im Jahre 1995, „Sieben" war. David Fincher vermochte es, eine zum Nägelkauen spannende Story ohne die geringsten Längen oder irgendwelchen Ballast zu erzählen, die in einen der finstersten Showdowns der Filmgeschichte mündete. Ein sozusagen traumhafter filmischer Alptraum! Johnny Martin, der Typ, der sich hier auf dem Regiestuhl breitmacht, kann da wohl nur Bauklötzchen staunen. Denn seine irgendwo auf Tatort-Niveau geparkte Geschichte ist allenfalls Sieben für Bedürftige, Schnitzeljagd für Hirntote, ein (Un-)Fall für zwei oder ein selbst für den Onkel Doktor nachvollziehbarer Grund, sich ins Koma zu saufen.
Ein Beamter (Karl Urban) holt seinen ehemaligen Kollegen (Al Pacino) aus der Rente, um gewissermaßen auf alle Fälle auf jeden Fall einen Fall zu lösen, der knifflig ist. Ein Typ hängt wie in guten alten Zeiten reihenweise Leute auf und gibt der örtlichen Polizei dankenswerter Weise auch noch Hinweise darauf, wann und wo der nächste Mord geschehen wird. Und trotzdem ist der unbekannte Killer den beiden überforderten Profilern stets einen Schritt voraus. Was nicht schwer ist, denn Al Pacino wirkt den Film über, als hätte man ihn tatsächlich aus dem Altenheim geholt. Und obendrein sediert. Schlimmer als einst in „Insomnia" schlafwandelt der einstige Star - und zwar durch nicht vorhandene Ermittlungsarbeit, an Reihen von austauschbaren Komparsen vorbei, mit Mühe die Augen offen haltend, geradewegs auf ein Finale zu, dessen Einfallslosigkeit in Sachen Qualität nur noch von seiner fernsehformatigen Inszenierung unterboten wird. Was zum Scharfrichter ist mit Al Pacino los? Was meint der Mann, was er da tut? Keinesfalls jedenfalls sich oder sonst jemandem einen Gefallen.
Da bahnt sich in der Stadt die Verbrechensserie des Jahrhunderts an, mit toten Polizisten und deren Eheleuten und so, und um den Fall zu lösen, ermittelt die örtliche Staatsgewalt - zu zweit. Und holt sich noch dazu einen der beiden Beamten - den mit der Geschwindigkeit einer Weinbergschnecke - sozusagen aus dem Seniorenheim. Da metzelt sich der schlimmste Finger seit Jack the Ripper durch die Gassen und selbst den Boulevard-Medien ist das nur eine beiläufige Pressemeldung wert. Da wird den Kommissaren auch noch Tatzeitpunkt und Ort des Geschehens vorher (!) vom Täter verraten - und trotzdem kommen die beiden zu spät. *Spoiler* Und da muss ein Kind im Grundschulalter die Zwangsräumung des elterlichen Hauses samt Papas Selbstmord mitansehen und gerät deshalb derart in frühpubertäre Rage, dass es zwanzig (!) Jahre später die halbe Nachbarschaft aufknüpft. *Spoiler Ende* Es muss doch Al Pacino, dem Typen aus „Der Pate", selbst nach dem siebzehnten Glas Whisky glasklar gewesen sein, dass diese Story keinen Beifall ernten wird. Ist der alte Knabe so abgebrannt, dass er das wirklich nötig hat? Tumbler hin, Konto her. Da wirkt ja sogar Kollege Robert De Niro mit „Dirty Grandpa" nicht nur geistig vifer, sondern auch intellektuell salonfähiger. In manchen Szenen macht man sich regelrecht seine Gedanken: Stirbt Pacino jetzt? Also in echt. Also live. So vor laufender Kamera?
Während Filmpartner Al Pacino allmählich mit offenen Augen ins Koma fällt, fällt Karl Urban („Herr der Ringe") nichts Sinnvolles ein, was er unternehmen könnte, seinen Kollegen aus dem Tiefschlaf zu wecken. Ein mitreißender Darsteller ist nämlich leider auch der Neuseeländer nicht, doch trug er in der Vergangenheit eben meist seine ja gar nicht so furchtbar charakterlosen Rollen. Man denke da zum Beispiel an den Komödienhit „R.E.D. - Älter. Härter. Besser." (2010). Oder an die Krachfilmgranate „Dredd" (2012). Zugegeben, da sah man auch nicht viel von ihm. Jedenfalls scheint Urban - trotz „Star Trek" - die große Karriere versagt zu bleiben, denn mit (Rally-)Streifen wie diesem hier hält man sich noch nicht einmal über Wasser. Beim Badengehen.
„Hangman - The Killing Game" ist lieb- und ideenlose Stangenware, die einem die Lust an Thrillern verleiden könnte, wäre da nicht die kontemporäre Filmkunst David Finchers, Christopher Nolans oder natürlich Jonathan Demmes. Selbst leicht überdurchschnittliche Genrebeiträge, wie „Untraceable" (2008) oder sogar „Mindhunters" (2004), wirken wie Oberliga im Vergleich zu diesem zähen, gar peinlich langweiligen Stück. Wenn Al Pacino so weitermacht, holt man ihn das nächste Mal nicht aus dem Ruhestand, sondern von der letzten Ruhestätte. Wahrlich schauderhaft.