Review

Das Grenzgebiet der Vereinigten Staaten zu Mexiko ist auch diesmal der Schauplatz für einen Spezialeinsatz von CIA-Offizier Matt Graver (Josh Brolin): Nach einem Selbstmordanschlag in einem Supermarkt mit über einem Dutzend Toten wird er vom Verteidigungsminister höchstpersönlich dazu ermächtigt, mit einer Undercover-Aktion die als Schlepper der Attentäter vermuteten mexikanischen Drogenkartelle aufzumischen. Da der Menschenschmuggel ein finanziell attraktives Geschäft für die Drogen-Bosse ist, will Graver mit einer False-Flag-Aktion einen Krieg zwischen den Kartellen provozieren - die 16jährige Tochter eines der Bosse soll entführt und im Territorium des rivalisierenden Kartells abgesetzt werden. Für diese vom Verteidigungsministerium bezahlte Operation heuert Graver neben anderen mit Alejandro Gillick (Benicio del Toro) wieder einen bewährten Mitstreiter an, und schon bald wird die junge Isabela (Isabela Reyes) am Heimweg von der Schule in Mexiko City geknidnapt. Der heimliche Flug in die USA und die getürkte Befreiung durch die "gute" US-Drogenbehörde verlaufen ganz nach Plan, beim Rücktransport nach Mexiko jedoch gerät der Militärkonvoi von Graver unter massiven Beschuß...

Kaum drei Jahre nach dem ersten kam auch schon der zweite Teil der Sicario-Reihe ins Kino - wieder mit einem Drehbuch von Taylor Sheridan und erneut mit den bekannten Hauptdarstellern Brolin und del Toro - nur Emily Blunts Rolle wurde ersatzlos gestrichen. Auch Sicario 2 ist wie schon der erste Teil wieder ein packender Narco-Thriller geworden, zumindest bis zur Hälfte - denn dann driftet der Film in eine ganz andere Richtung ab. Ab dem Zeitpunkt, wo Gillick sich aufgrund der politisch motivierten Absage alleine durchschlagen muß, wird das ganze eher ein Survival-Thriller, der ganz auf del Toro zugeschnitten ist. Nichts mehr ist es mit knalligen Action-Szenen, eher nachdenklich mag einen der weitere Verlauf stimmen. Aber so sehr das Drehbuch sich erneut erfolgreich bemüht, ihn als Anti-Helden aufzubauen und so sehr del Toro auch in seiner Rolle aufgeht, so sehr flacht die Spannungskurve ab und so langweilig endet das Ganze dann auch. Die in Gillick erwachten Vatergefühle nehme ich ihm nicht so ohne Weiteres ab, und das schmächtige Bürschchen, dessen Drogenschmuggler-Karriere in einer Parallelhandlung erzählt wird, fand ich schlichtweg uninteressant. Tatsächlich ist Sicario 2 ein zweigeteilter Film: Mit einer fulminanten ersten Stunde und einer völlig anderen zweiten Stunde Filmlaufzeit - bei der zweiten Sichtung des Streifens habe ich nach einer Stunde abgedreht.

Positiv zu erwähnen sind die politischen Untertöne des Films, nämlich daß der Kampf gegen den Drogenschmuggel nicht zu gewinnen ist und sich das offizielle US-Ministerium - freilich hinter vorgehaltener Hand - fast genauso schmutziger Methoden bedient wie der Gegner. Treffend inszeniert, als Graver und seine Vorgesetzte Cynthia Foards (Catherine Keener) mit offiziell vorgeschriebenen, sie jedoch wie Schulkinder aussehen lassenden Visitors-Kärtchen an der Brust eine Audienz beim Verteidigungsminister erhalten - einem Politiker, der redet als wolle er den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Brolin umreißt seinen Plan mit der False-flag-Entführung so diplomatisch er nur kann: "Das kann sehr häßlich werden." Die Antwort kommt prompt: "Wenn wir es schön haben wollten, würden wir sie nicht gefragt haben". Zu tun haben wollen die Herren in den weißen Hemden (zu denen auch ordenbehängte militärische Greise gehören) nichts mit Graver und Konsorten, aber der Zweck heiligt (offenbar) die Mittel. Als die Aktion dann später aus dem Ruder läuft, muß Graver auf Befehl "von oben" sofort alles abblasen und Spuren vernichten - darunter auch befreundete Mitspieler...
Kurz erwähnt wird auch die Urheberschaft des anfänglichen Sprengstoff-Attentats: Es waren keine IS-Terroristen, sondern amerikanische Staatsbürger, womit die ebenfalls zu Beginn kurz gezeigte Kommando-Aktion am Horn von Afrika, in der Graver die Residenz eines aussageunwilligen afrikanischen Schmugglers in die Luft jagen läßt, mehr oder weniger umsonst war. Egal, wo die CIA hobelt, da fallen eben Späne, so die Botschaft zwischen den Zeilen...

Darstellerisch gibt es nicht viel auszusetzen: Brolin spielt wieder einmal die zynische Rampensau, die überall vorn mit dabei ist und den Ton angibt, und del Toro, der im ersten Teil eher im Hintergrund agiert kommt erst im zweiten Teil wirklich zur Geltung - wenn Brolin nur noch wenig Screentime hat. Gut gezeichnet auch die Figur der jugendlichen Drogenboss-Tochter Isabela, die einerseits mit einer Prügelei an ihrer Schule arrogant eingeführt wird ("sie hat mich Drogenhure genannt"), später als Entführungsopfer und noch später im Kugelhagel aber altersgemäß große Angst verspürt und diese authentisch darzustellen vermag. Einen Ersatz für das moralische Regulativ der Kate Macer (Emily Blunts Rolle im ersten Teil) stellt sie jedoch nicht dar - dieses fehlt in diesem zweiten Teil. Der jugendliche Miguel (Elijah Rodriguez), dessen Aufstieg zum "Sicario" in einem Parallelstrang des Films geschildert wird, wirkt dagegen wegen seiner schmächtigen Physis, seiner Zögerlichkeit und seinem traurig-unentschlossenen Blick wie eine glatte Fehlbesetzung.

Höhepunkt des Films ist m.M.n. der gepanzerte Konvoi in der mexikanischen Wüste und der Beschuß desselben: Dramaturgisch hervorragend aus mehreren Perspektiven (Heli-Perspektive, Fahrer, Drohne) abgefilmt kommt plötzlich und unerwartet der Angriff - eine minutenlange Szenerie, die es sich auch öfter anzuschauen lohnt, die einem im Gedächtnis bleibt und die diesen Film auszeichnet - da sieht man auch gerne darüber hinweg, daß ein Humvee (der mittlere) von einer Panzerfaust getroffen wird und dann doch ohne jeden Kratzer wieder weiterfahren kann...
Auch wenn es der schauspielerischen Leistung von del Toro nicht gerecht wird, würde ich Sicario 2 auf einen knallharten Narco-Thriller reduzieren, der er allerdings nur in der ersten Stunde ist - hierfür 9 Punkte, während mich die zweite Hälfte (3 Punkte) nicht mehr sonderlich ansprach. 6 Punkte in Summe für diesen zweiten Teil, dessen unspektakuläres Ende bereits auf einen weiteren, dritten Teil hindeutet.

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