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Giorgio, genannt Flauto, lernt Maria kennen, als er sie fast über den Haufen fährt. Sie verlieben sich heftig ineinander, und obwohl Maria drogenabhängig ist, steht Flauto zu ihr. Er lernt ihre Freunde kennen und ihren Dealer (und Ex-Freund) hassen, und gemeinsam zieht man aufs Geradewohl durch Rom. Der Tag ist nicht weit, dass auch Flauto heroinabhängig wird. Die Beziehung erkaltet, die Abhängigkeit wird größer, und die Ziellosigkeit gewinnt zunehmend die Oberhand. Gleichgültigkeit macht sich breit und tötet alle Gefühle. Nur eines ist noch wichtig: Dass man Stoff bekommt …

Sergio Nuti nimmt den Zuschauer für 2 Stunden mit auf einen Spaziergang durch die Hölle der Interesselosigkeit. Das Fegefeuer der Gleichgültigkeit. Alles ist egal, Hauptsache man bekommt einen neuen Schuss. Die Düsternis und Verzweiflung von zum Beispiel CHRISTIANE F. fehlt hier völlig, das Gefühl der Wurschtigkeit ist das alles beherrschende Element. Es scheint Sommer zu sein in Rom, es ist warm, die Charaktere laufen die meiste Zeit halb- oder ganz nackt herum, und eigentlich könnten sie das Leben genießen. Pupo stirbt in Flautos Wohnung an einem Bauchschuss? Egal. Robi kommt ins Krankenhaus. Das ist dramatisch, aber selbst dort will Robi nur das eine: Stoff. Der hartnäckige Kommissar Corto stellt den Freunden nach und sperrt sie ein? Nun ja, geht auch vorbei. Flauto sticht dem Dealer Andy ein Messer in den Mund? Es gibt wichtigeres …

Ohne Zeitgefühl oder Spannungsbogen driften wir mit Sergio und Maria durch den römischen Sommer, immer auf der Suche nach dem nächsten Schuss. Dieses Gefühl der Zeitlosigkeit teilen wir mit den Protagonisten, was dem Film einen starken realistischen Ton gibt. Die Verzweiflung, die Wut, die Enttäuschung, das alles wird hautnah mitgeteilt und überschwemmt den Zuschauer geradezu. Und trotzdem bleibt vor allem diese Antriebslosigkeit immer präsent, ist das desinteressierte Treibenlassen ununterbrochen spürbar. Während an die Wand des Junkie-Treffs ironischerweise der Satz “Es lebe das temperamentvolle Leben“ gesprüht wurde ...

Mit den Bildern der damaligen Polizotteschi im Kopf wird diese Reise noch viel intensiver. Wir kennen Rom aus den Merli- und Milian-Filmen dieser Zeit, aber hier schaut das alles so anders aus.  Viel … realistischer. Die Straßen, der Verkehr, die Menschen – Die Kameraführung versetzt uns mitten hinein in das Viertel Primavalle im Nordwesten von Rom, wo keine klassizistischen Prachtbauten die Präfektur repräsentieren, und wo (fast) keine Polizeiautos mit quietschenden Reifen um die Ecken jagen. Ein ganz normales Arbeiterviertel mit hoher Arbeitslosigkeit und stetig wachsendem Elend, aber vor allem mit ganz normalen Menschen und ihren ganz normalen Alltagsproblemen. Man achte mal auf das Kränzchen der alten Frauen bei Robis Wohnung, wie NORMAL das ist. Robi ist auch nicht der üble und verkommene Junkie, sondern er ist in seiner Nachbarschaft als lieber und guter Mensch anerkannt, der sich halt zufällig Drogen spritzt. Andere saufen. So what? Die Drogen sind längst im Zentrum der Gesellschaft angekommen, und sie machen nicht böse (was uns die allermeisten Filme immer und immer wieder weis machen wollen), sondern sie machen lethargisch. Der heroinabhängige Dieb Pupi erzählt, dass er gestern ein Auto aufgebrochen hat, und dann darin eingeschlafen ist …

Eine Charakterstudie über ganz gewöhnliche Menschen mit ganz gewöhnlichen Drogengewohnheiten. Eine Zeitreise in ein tatsächlich existierendes Rom der späten 70er-Jahre.

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