Review

kurz angerissen*

Dass Brian De Palma gern im Schatten Hitchcocks fuhrwerkte und ihm damit oft auf plakative Art und Weise huldigte, ist längst keine exklusive Meinung. „Dressed To Kill“ ist ein absolutes Extrembeispiel dessen. Von der Auswahl der Locations (Dusche, Hotel) über die Schnitttechnik in den Mordszenen und die Psychologisierung des Mörders selbst bis hin zum strukturell ungemein wirkungsvollen Austausch der Hauptfigur nach einem Drittel Spielzeit wird insbesondere „Psycho“ auf einer Vielzahl von Ebenen nachgestellt. Dabei geht De Palma immer einen Schritt weiter als Hitchcock; während jener dem Zuschauer durch verschiedene Mittel der Filmkunst gerne suggerierte, etwas gesehen zu haben, das er tatsächlich nie sah, filmt De Palma die Szenen aus der Vorstellungskraft des Zuschauers ab und fügt sie schamlos in seinen Film ein. Detailreiche Mordszenen von fast schon Argento’scher Prägung überraschen, fast mehr noch die explizite Nacktheit, mit welcher die Eröffnung stattfindet.

Die Wirkung bleibt davon natürlich nicht unberührt. Obwohl einige Szenen in der Montage absolut meisterhaft umgesetzt sind (als Highlight ist die völlig dialogfreie, über Close Ups und Schnitte in Blickrichtung zusammengestellte Galerie-Sequenz herauszuheben, aber auch die Attacken des Killers sind allesamt handwerklich als exquisit zu bezeichnen), haftet dem Film etwas Obszönes an. Man möchte ihn nicht in einer Liga mit einem originalen Hitchcock wissen, zumal De Palma das Inhaltliche eklatant schleifen lässt und somit wiederum einem Argento gleich den Stil über die Substanz erhebt. An der Verschleierung der Identitätslüftung des Killers zeigt der Regisseur ebenfalls kein besonderes Interesse; etwaige Verwischungsversuche seiner Identität, etwa doppeldeutige Textzeilen oder verschwommene Gesichtsaufnahmen bei der Tat, werden halbherzig umgesetzt und verdecken damit genauso wenig wie ein transparentes Kleid, was den verruchten Ton sogar nochmals verhärtet.

Leugnen lässt sich allerdings nicht, dass „Dressed To Kill“ bei aller Grobschlächtigkeit und fehlenden Originalität als durchaus sinnlich und extrem spannend empfunden werden kann. Wie sehr die Einstufung dieses erotischen Thrillers eine Glaubensfrage ist, zeigen nicht zuletzt die Auszeichnungen und Nominierungen für verschiedene Preise und Anti-Preise. Sie dokumentieren ein Hadern der Kritik mit der eigenen Position zu diesem Epigon, der wahrhaft widersprüchliche Gefühle provoziert.

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