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Leichte Spoiler!

Kate Miller, eine Frau unmittelbar vor den Wechseljahren, fühlt sich sexuell frustriert und geht deshalb zu dem bekannten Psychiater Dr. Elliott. Bei einer Ausstellung lernt sie einen aufregenden Mann kennen, mit dem sie prompt ins Bettchen hüpft. Als sie am nächsten Tag die Wohnung verläßt, wird sie von einer großgewachsenen Blondine mit einem Rasiermesser grausamst umgebracht. Die Prostituierte Liz wird Zeugin des schrecklichen Szenarios und macht sich - selbst in Verdacht geraten - zusammen mit Kates Sohn auf die Suche nach der Mörderin, die ihrerseits Liz aus dem Weg zu räumen beabsichtigt...
Es gibt wohl keinen anderen Film, der Brian de Palma deutlicher als absoluten Hitchcock-Verehrer erkennen läßt als „Dressed to Kill“. Der Thriller ist gespickt mit zahlreichen Zitaten und Augenblicken aus den besten Werken des Großmeisters; man denke hierbei nur an die schwer zu ertragende Fahrstuhlsequenz, in der Kate abgeschlachtet wird, die stark an den Duschmord in „Psycho“ erinnert. Doch reichte es 1960 noch aus, die Details, die Einstiche in den nackten Körper, auszusparen und den Schrecken erst im Kopf des Zuschauers entstehen zu lassen, so mußte De Palma zwanzig Jahre später schon zu rabiateren Mitteln greifen, um sein Publikum zu schockieren. Der Regisseur zeigt die Einschnitte des Rasiermessers in Hand, Schläfe und Hals in all ihrer Brutalität, weshalb dem gemeinen Betrachter das Hinschauen schwerfällt. Mir jagt jedesmal ein Schauer durch den Körper, obgleich ich diese Szene bereits mehrfach gesehen habe. Hier verstehe einer, daß „Dressed to Kill“ auf eine FSK-16-Freigabe heruntergestuft wurde...
Leider macht De Palma beim Erzählen seiner Filmgeschichten immer den gleichen Fehler: Sei es „Carrie“, „Der Tod kommt zweimal“ oder „Blow Out“ - er charakterisiert die Nebenfiguren nur unzureichend, wodurch ein Teil der zweifelsohne vorhandenen Qualität eingebüßt wird. Der Einsatz der visuellen Mittel ist nämlich wie immer brillant: Der zweigeteilte Bildschirm, der es ermöglicht, zwei parallel ablaufende Handlungsstränge gleichzeitig einzufangen, findet ebenso seine Anwendung wie Experimente mit Kamerafiltern. Daraus ergeben sich ausgefeilte und wunderschöne Bilder, die zudem eine düster-schmuddelige, gleichzeitig aber beinahe poetisch anmutende Grundstimmung erzeugen. Dazu zählt ebenfalls die Musik, die die Szenen passend unterstützt.
Abgesehen von den guten Hauptdarstellern Angie Dickinson, Nancy Allen und Michael Caine, die ihre Rollen allesamt sehr souverän erledigen, muß man De Palma vorwerfen, daß die Handlung zum Ende hin - nach dem Mordanschlag auf Liz im Zug - an Spannung und auch ein wenig an Reiz verliert. Das „Whodunit“-Spiel ist schnell beendet, denn schon relativ früh kann der aufmerksame Zuschauer voraussehen, wer der Mörder der armen Kate gewesen ist. Viele Momente lassen ihn erahnen, z.B. die Anrufe, die Elliott bekommt, und das künstlich wirkende Gesicht der Täterin. Insofern kann das Ende nicht wirklich überraschen; allerdings vermute ich auch, daß De Palma den Effekt der Überraschung nicht unbedingt anwenden wollte, zu aufdringlich sind seine über den Film häppchenweise ausgebreiteten Hinweise. Es ist hauptsächlich der bereits angesprochene Soundtrack, der der nicht mehr sonderlich spannenden Auflösung im Psychiatriezimmer des Doktors etwas Nervenkitzel verleiht.
Fehlen darf abschließend natürlich auch nicht De Palmas typische Traumsequenz, die bereits „Carrie“ und „Teufelskreis Alpha“ vollendeten und beinahe den Höhepunkt darstellten. Hier kann der Regisseur noch einmal beweisen, daß er es versteht, dem Zuschauer gehörigen Nervenkitzel zu verpassen und hinters Licht zu führen. Der Täter bricht aus der Psychiatrie aus und dringt heimlich in das Haus der Millers ein, in dem gerade Liz unter der Dusche steht. Zufällig entdeckt diese dessen weiße Schuhe und versucht fortan verzweifelt, den Eindringling außer Gefecht zu setzen. Diese Szene baut enormen Suspense (Hitchcock läßt grüßen!) auf, kann jedoch nicht verhindern, daß sich der Zuschauer nach Ende des Traums fragt, welchen Sinn die letzten Minuten überhaupt noch haben. Aus welchem Grund setzt De Palma denn noch diesen Traum an das Ende? Lediglich, um den Filmgucker verstört aus dem Kinosaal zu entlassen? Man weiß es nicht. Das ist eben typisch Brian De Palma!

Fazit: Brian De Palma versteht es erneut, den Zuschauer mit einer Fülle von hitchcockschen Zitaten an den Sessel zu fesseln, scheitert aber erneut an dem ganz großen Wurf, indem er den Figuren zu wenig Raum und dafür seinen mit Sicherheit wunderschönen, teilweise aber auch ziemlich selbstverliebt anmutenden Bildern den Vortritt läßt. Mit denkwürdigen Momenten, jedoch von einem formvollendeten Meisterwerk weit entfernt. 8/10.

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