Brian De Palmas edler Suspense-Reisser „Dressed to Kill“ ist auch heute noch eine der Referenzen im klassischen Psychothriller-Genre und gehört zur obersten Riege von amerikanischer Seite aus. Mit deutlichen, aber nicht unbedingt nachgemacht wirkenden Anleihen bei Hitchcock spannt der Regisseur hier mal wieder den Bogen fast bis ins Unerträgliche.
Die alternde Mutter Kate Miller (gegen das Altern immun: Angie Dickinson) ist frustriert. Zuhause läuft im Bett mit ihrem langweiligen Gatten nichts spannendes mehr, und auch ansonsten ist ihr Leben nicht gerade erfüllt. Rat sucht sie bei ihrem Psychotherapeuten Dr. Elliott (mit Agentenblick: Michael Caine), mit dem sie nicht nur über ihr braches Sexleben quasselt, sondern es am liebsten auch mit ihm wieder aufblühen lassen würde. Doch der Psychiater lehnt ab, und Kate stürzt sich schließlich in ein Taxi zu einem Fremden. Als sie das haus des Lovers jedoch verlässt, wird sie im Fahrstuhl von einer blonden Frau mit einem Rasiermesser aufgeschlitzt (uncut ein wahrhaft krasser Kill!). prostituierte Liz (Nancy Allen) wird Zeugin des Mordes. Als sie vom Sohn der Ermordeten vor der Killerin gerettet wird und die Polizei mal wieder im Dunklen tappt, gehen beide zusammen auf eigene faust der Spur nach. Und die führt direkt in den Patientenkreis von Dr. Elliott...
...aber so weit muss es erstmal kommen, ohne dass die Nägel schon alle abgekaut sind. De Palma spannt den Zuschauer seines nicht unerotischen Thrillers nämlich verdammt lange auf die Folter, bis es mal richtig zur Sache geht. Alleine Kates ewiger Gang durch ein Kunstmuseum lässt uns schon wie auf heißen Kohlen sitzen, während die übergeniale Kamera durch die Museumsgänge schwirrt. Dabei arbeitet der Mastermind mit zu diesem Zeitpunkt doch ziemlich ungewöhnlichen Techniken, um den Thrill noch rafffinierter rüberkommen zu lassen, beispielsweise mit Splitscreen oder diversen kurzen Einblendungen kurz vorher geschehener Ereignisse. „Dressed to Kill“ ist derart kunstvoll gefilmt, dass einem die vereinzelt eingestreuten Gewaltszenen schon fast wie fehl am Platze vorkommen, doch so verfehlen sie ihre Wirkung umso weniger. Hinzu gesellt sich ein einprägsam-klangvoller Sounstrag aus der Feder von Pino Donaggio, der dem Ganzen noch mehr Raffinesse und Stil verleiht. Doch weichzeichnerisch ist der Film mit Sicherheit nicht: auch düstere Schauplätze und vor allem fast schon surreal anmutende Traumszenen mit brutalem Einschlag gesellen sich zum Gesamtbild, sodass unterm Strich ein vielschichtiger, bis ins Unerträgliche spannender Suspenseknaller übrig bleibt, von dem ein Hitchcock nur hätte träumen können – den eigentlich stellt in diesem Falle der „Schüler“ das Vorbild schon fast in den Schatten. Auch wenn dem Film aus den Endsiebzigern oft Ideenklau und zu heftige Zitirerei vorgeworfen wurde, ist er meiner Meinung nach durch und durch eigenständig und überzeugt vor allem mit eigener Note!
Insgesamt neben den Unbestechlichen und Scarface einer der besten Filme von Brian De Palma und auch heute noch einen Blick ins Nachtprogramm wert. Leider ist die 18er-DVD von MGM de facto geschnitten, doch seltsamerweise liegt im Free-TV ein unzensiertes Master vor, was der Unrated Fassung entspricht und auch immer fleißig ausgestrahlt wird (?). Für Thrillerfans der alten Schule definitiv ein Mustsee.