So enttäuscht bin ich sei 1999 nicht mehr aus einem Star-Wars-Film nach Hause gekommen. (1999 war ich aber so entsetzt, dass ich die Episoden II und III gar nicht mehr auf der Leinwand ansah, sondern wartete, bis ich irgendwo günstige DVDs abgreifen konnte.)
Vorweg: Ich bin wirklich unvoreingenommen ins Kino gegangen, wusste um die geteilten Meinungen und sah dies mehr als gutes Zeichen, da auch viel an Episode VII rumgemeckert wurde, der mich aber in seiner ganzen Nostalgie und Wiederholung ganzer Elemente bestens unterhielt. Und auch nicht alles an "The Last Jedi" ist negativ zu bewerten. Ich bin auch hier stellenweise gut unterhalten worden, wenn es um Kämpfe und Luftgefechte geht. Das schreibt allerdings jemand, der Popcorn-Kino für einen abwertenden Begriff hält und sich niemals einen „Transformers“-Film ansehen wird, also demnach auch nicht auf Effektgewitter und Tamtam aus ist. Ich sehe es so: Die Effekte sind mir nicht negativ aufgefallen oder haben den Film zerstört wie in den Prequels. Bietet der Film aber mehr als annehmbare Visualisierungen? Episode VIII müsste für mich also entweder die Nostalgiekeule schwingen oder er müsste neue und interessante Impulse setzen, die sich in das Star-Wars-Universum einfügen und einen durch Spannung und Kurzweile packen.
Da Möglichkeit 1 bewusst weggelassen wurde und nur vereinzelt Bezüge zu den Originalen eingebaut werden, bleibt noch Möglichkeit 2. Jedoch ist das größte Manko dabei definitiv die Lauflänge von zweieinhalb Stunden (!), worin ein Fehler der Produktion besteht und zudem auch klar das grundsätzlich fehlende Gefühl Rian Johnsons für seinen Film sichtbar wird. Ich lege mich darauf fest, dass er eine Fehlbesetzung für das Franchise ist. Der Spagat zwischen dem Öffnen der Erzählung und dem Schließen von Erwartungslücken ist keine leichte Aufgabe, aber so unentschlossen wie Johnson hier vorgeht, wundert es mich, dass der pingelige Großkonzern nicht schon wieder eine Umbesetzung und Umarbeitung vorgenommen hat.
Alle Storyelemente scheinen viel zu lose miteinander verwoben und beinahe episodisch, wobei mich der Verlauf einzelner Episoden teils gar nicht interessierte, da sie tatsächlich unnötig für den Handlungsbogen waren.
******** Ab hier: SPOILER!!!! *********
Der Handlungsteil, der sich auf dem Schlachtschiff der Rebellen abspielt, wirkt soviel kleiner und unbedeutender, als es die Originalfilme vor 37 Jahren vorgaukeln konnten. Die Bedrohung der Rebellenflotte durch die Sternenzerstörer wirkt so kleinlich und an den Haaren herbeigezogen, dass dieses zentral gestellte Handlungselement nicht geeignet ist, den Film im Kern zu tragen und Spannung zu generieren.
Hinzu kommt, dass die Charaktere einfach keine so bindende Wirkung erzielen, dass man nicht wirklich mit ihnen mitfiebert, obwohl ja zum Beispiel Carrie Fisher mit an Bord ist. Aber trotz einer deutlich gesteigerten Leistung Fishers merkt man ihr die lange Abwesenheit vom Spielen deutlich an. Das oder die permanente Dröhnung des Cocktails von Beruhigungsmitteln und Kokain. Dass sie wie Mary Poppins vom Tod zum Leben durchs All fliegt, ist dann nur ein Tiefpunkt, der beim durchgehenden Flug unter Radar kaum mehr ins Gewicht fällt. Angesichts des traurigen wirklichen Ablebens Fishers fragt man sich, wie das Drehbuch für Episode IX dies hinbiegen will. Aber da ja offensichtlich kein Wert mehr auf vernünftige Bücher gelegt wird, ist man da seitens Disney bestimmt unbesorgt.
Bei den anderen Figuren sieht es leider nicht besser aus.
Oscar Isaac geht mir persönlich so tierisch auf die Nerven, zumindest in der deutschen Übersetzung, dass ich beinahe enttäuscht war, dass seine Figur Poe Dameron den ganzen Zinnober überlebt. Sag noch einmal so exaltiert "Kumpel" und ich breche dir die Beine... In dieser Figur manifestiert sich gewissermaßen die ganze Unfähigkeit der Autoren, die sich doch wirklich trauen, ihr Deine-Mutter-Witze in den Mund zu legen. Nach drei Minuten fürchtete man schon, dass es mit einem erhofften Meilenstein nichts werden würde.
In der extrem langen Laufzeit kommt es dann mittendrin zu vollkommen unmotiviert scheinenden Szenen, die als Schlüsselszenen gemeint waren, aber keine klare Herleitung aus dem Drehbuch erfahren. So erledigt Finn Captain Phasma in einem recht kurz ausgefallenen Kampf, obwohl dieser Figur im Vorgänger und im Marketing eine deutlich schwerwiegendere Rolle zugedacht wurde. Und dann stirbt auch noch der Oberbösewicht, ohne dass der Hintergrund dazu wirklich ausgedeutet würde. War das jetzt von langer Hand geplant? Oder ist das alles eine spontane Eingebung? Ich kann diesen blassen Hanswurst Kylo Ren auch nicht recht ernst nehmen, er wirkt, wie im Film selbst beschrieben, wie ein Junge mit einer Maske (die er dann wenigstens abnimmt). So viel nicht Nachvollziehbares trotz einer Laufzeit von 150 Minuten: Das ist Totalversagen! Hier hatte man kein gutes Händchen für Figuren und ihre Entwicklungen. Auch General Hux wirkt den ganzen Film über wie ein Volltrottel, den ich als Synchronregisseur knallhart mit sächsischem Dialekt hätte sprechen lassen.
Laura Dern ist in ihrer Rolle als Admiral Holdo so gewollt undurchsichtig, dass darin die ganze Unfähigkeit der Autoren zur Gestaltung eines den Zuschauer mitnehmenden Spannungsbogens ersichtlich wird. Flickwerk! Wenn man es nötig hat, die Spannung in seiner Story durch ein solch konstruiertes Spiel zu generieren, sollte man das ganze Drehbuch besser noch einmal von vorne beginnen. „Kohäsionslos im Weltall“ hätte der Arbeitstitel für die dem Film zugrundeliegende Drehbuchfassung sein können.
Das im zweiten Plot-Teil verlaufende und seit zwei Jahren nach dem Cliffhanger erwartete Jedi-Training löst den durch Episode VII gewollten Mythos um Luke Skywalker dann leider etwas billig auf, indem dieser sich vor Rey wie ein beleidigtes Schulmädchen in einer Hütte versteckt. Wer denkt sich denn so einen Blödsinn aus? Hier verschenkt der Film ein so großes Potenzial das Alte mit dem Neuen zu verknüpfen, dass es wirklich ärgerlich ist, wie unbedacht Johnson und seine Crew an Autoren hier vorgegangen sind. Als Mark Hamill hätte ich mich sehr geärgert, nicht aus Eitelkeit, sondern aus Wut auf eine schiefe und kaum nachvollziehbare Darstellung einer Figur, die erst am Ende des Films so eingebaut wird, wie es charakterlich zu den Originalteilen passen würde. Und selbst da macht man nicht halt vor lächerlichen Witzen... Da wird großspurig nach einem überstandenen Angriff die Schulter vom Staub befreit: Der Regisseur ist offensichtlich etwas ... zurückgeblieben und dumm. Entschuldigung, aber anders vermag ich meine Einschätzung gerade nicht zu formulieren. Realistisch gesehen bedient Johnson hier wohl nur die Anforderungen für den Bereich „Humor oder was wir dafür halten“ des Disneykonzerns, der sein Kernpublikum ja bekanntlich mit Michael Bay teilt.
Warum Yoda dann zwischendrin auftaucht, wird auch nicht so wirklich klar. Wieder: Flickwerk! Allerdings ist der Jedi-Meister technisch sympathisch umgesetzt worden, was aber nicht über die Selbstzweckhaftigkeit der Szene hinwegtäuschen kann. In dem insularen Teil der gleich einem frankenstein'schem Ungetüm zusammengesetzten Geschichte hätte man durch Konzentration auf Wesentliches bestimmt allein schon 5-10 Minuten Film einsparen können. Pointieren ist Johnsons Sache nicht.
Der Nebenplot um den Versuch, wieder einmal das empfindliche Zentrum des Feindes zu treffen, verläuft dann leider auch vollkommen unmotiviert und hält eine Casinoszene bereit, die irgendwie sämtliche Stimmung, die man sich mühsam aus einzelnen Referenzen bis dahin zusammengesucht hatte, wieder zerstört. Musikalisch versucht man den Ton von 1977 und 1983 zu treffen, optisch dienten die Dreißiger-Vierzigerjahre als Blaupause. Das in Verquickung mit Figuren, die mehr einem Harry-Potter-Film entsprungen zu sein scheinen, schlägt so aus der Spur, dass der Zuschauer nur ahnen kann, was das Ganze denn soll. Zumal die Szene inhaltlich überflüssig ist, da die Motivation der Figuren, dort überhaupt einzukehren, sich im Laufe der Handlung schlichtweg erledigt. Wegen Falschparkens! Ohne Witz! Hier könnte man dem modernen und so zeitgenössischen „Sprech“ des Films folgen und fragen:
„Kommt schon! Echt jetzt?“
Die Sequenz mit den Renntieren und ihren Kinderjockeys, oder was immer die auch sein sollten, wirkt so eingeschoben, dass es einfach falsch erscheint, eines dieser Kinder am Ende als den Anknüpfungspunkt für weitere, vermutlich unzählige Geschichten zu setzen. Hier hat sich "Die letzten Jedi" bereits so weit vom Star-Wars-Feeling entfernt, dass einem der Schluss relativ egal ist, bzw. herbeigesehnt wird. Natürlich kann man mit Blick auf die angesprochenen Sequenzen auch die enthaltene Kritik auf die soziale Ungerechtigkeit und Habgier in unseren Gesellschaften loben, aber mal ehrlich: Das wäre dann das Niveau eines fortgeschrittenen Anfängerkurses für Autoren. Rückblickend betrachtet kann man tatsächlich diesen ganzen Erzählstrang weglassen, es würde ungelogen am Verlauf der Haupthandlung nichts ändern. Dann könnte man auch die Rolle von Benicio del Toro einsparen. Eventuell hat er eine Wette und damit einen Einsatz im Star-Wars-Universum gewonnen und wurde kurzerhand hinzugeschrieben. So wirkt es.
Warum sich J.J. Abrams mit Rey, Keylo Ren, Snoke, Finn, Leia und dann auch Luke so viele Figuren zurechtlegte und diese dann teils so unberücksichtigt blieben, wird auch immer ein Geheimnis der Kräfte bleiben, die Rian Johnson das Zepter in die Hand gaben. Leider haben sie wirklich einen unterdurchschnittlichen Regisseur und Autor und einen Menschen ohne Überblick über sein Schaffen und Wirken eingestellt. "The Last Jedi" wirkt fast so, als hätte man einen blutigen Anfänger auf die Sache losgelassen und ihn von jeder Rechenschaftspflicht befreit.
Der Endkampf, der dann nach einem Plottwist auf irgendeinem fremden Planeten stattfindet, verläuft auch wieder vollkommen höhepunktslos und ohne jede sich ergebende Spannung. Warum nicht angesichts der in der Handlung aufgemachten Bedrohungssituation früh der Plan gefasst wird, sich auf den verlassenen Stützpunkt zurückzuziehen, um ein tragendes Spannungsmoment zu erzeugen und dem Zuschauer ein engeres Verhältnis zum Ort des Showdowns zu ermöglichen? Das weiß Johnson allein. So wirkt besagter Showdown einfach hinzugeklatscht, wenngleich auch hier die Optik wieder stimmt... , wenn man diese Eisfüchse außen vor lässt.
Auch hier muss dann wieder die Abrissbirne herhalten, als ein Held sich zu opfern droht, aber dann gerettet wird, indem man sich aus den besseren Motiven für ihn opfert. Das ist vollkommen überflüssig und lediglich ein krampfhafter Versuch, irgendwie die Figuren und den bruchstückhaften Plot miteinander zu verweben und dabei dramatisches Moment zu erzeugen und in alledem sehr durchsichtig.
Und warum man dieses rote Salz aufwirbelt? Keine Ahnung. Aber wenn man schon ohne Hoffnung kämpft, gegen das Drehbuch und die Monsterkanone vom Todesstern, dann eben optisch schick...
Interessanterweise nimmt sich Johnson einige Kritikpunkte vor, die Episode VII hervorgerufen hatte. So wird, wie angedeutet, Keylos Maske weggelassen, die ohnehin nur als plumper Versuch, eine Figur ähnlich zu Darth Vader zu installieren, verstanden wurde.
Zudem wird Keylo kritisiert, dass er im Schwertkampf gegen eine totale Novizin verloren habe; eine Tatsache, die sich den Vorstellungen jahrelangen Trainings für die Schwertschwinger in unseren Köpfen folgend so natürlich nicht erschließen lässt und bei Fans der Serie wegen der fehlenden Logik auch kritisiert wurde. Beide Schwachstellen des Vorgängers werden hier nun von Snoke kritisiert. Fragt sich nur, wer diesen Part nach dessen Ableben im nächsten Film übernimmt. Er hätte viel Screentime...
******** SPOILERENDE *********
Fazit:
Rian Johnson ist nicht in der Lage, seine verteilten Handlungsstränge zu einem schlüssigen, stimmigen und die Fans zufriedenstellenden Film zusammenzufügen. Der gesamte Bogen zerfällt in Einzelteile, die in sich wiederum vereinzelte Momente aufweisen, die einen versöhnlich stimmen können, jedoch für sich genommen auch unausgewogenes Flickwerk sind. Vier oder fünf gute Szenen, die es ja definitiv gibt, retten noch lange keinen 150-Minuten-Film über die Ziellinie.
Der zwanghafte Wille Johnsons, der Geschichte neue Impulse zu geben und dabei aber auch die Fanbase nicht zu verärgern, ist permanent sichtbar, führt aber zu einem unentschlossenen Film, der zwar auf kommende Teile verweist und sich damit in der Tradition von "Das Imperium schlägt zurück" sieht, aber niemals dessen narrative Dichte und Dramaturgie erreicht. Hätte man einzelne Charaktere anders eingebaut oder dargestellt (v.a. Luke) und hätte man die Handlungselemente verdichtet und gut 30 bis 40 Minuten herausgenommen, wäre der Film mit Blick auf die Hauptfiguren als unterhaltsamer Mittelteil einer Trilogie tauglich gewesen. So graut es mir fast ein wenig davor, ihn vor der Fortsetzung nochmals sehen zu müssen. Der letzte Beitrag „Rogue One - A Star Wars Story“ macht im direkten Vergleich die Schwächen von „The Last Jedi“ nochmals überdeutlich.
Ganz nebenbei: John Williams war auch schon mal besser drauf. Da der Ton auf den fertigen Film gelegt wird, möchte man ihm aber auch keinen allzu großen Vorwurf für seinen unmotivierten Score machen.
Allerdings besteht ja immer die Möglichkeit, in der Unmittelbarkeit des Eindrucks fehl zu urteilen. Eventuell hätte ich mich 1980 ähnlich zum zweiten Teil geäußert. Allein: Ich bezweifle das... Ich bin wirklich sehr enttäuscht worden, obwohl ich mir (bis auf die quasi angekündigte Jedi-Ausbildung) wirklich nichts ausgemahlt oder erhofft habe. Rian Johnson und Disney haben es so richtig verbockt und können sich qualitativ lediglich vor die hundsmiserablen Episoden I und II setzen. "Die letzten Jedi" verweilt für mich damit auf Augenhöhe mit "Die Rache der Sith", einem Film, dem ich bis heute nicht viel abgewinnen kann. Dort lag es an wirklich schlechtem Schauspiel (Hayden Christensen), peinlichen Dialogen (George Lucas) und einer nicht glaubwürdigen, die Computer überfordernden Filmwelt (ILM). Hier liegt es allein an einem schlechten Drehbuch und einer schlechten Regie (beides Johnson). Ich wünsche mir ein sofortiges Remake/Reboot dieses Teils - Eine Sache, die mir heutzutage schon fast möglich scheint. Warum immer mindestens 10 Jahre warten? Erase and rewind.
P L E A S E !
Hatte ich trotz der Einfallslosigkeit noch 7 Punkte für „Das Erwachen der Macht“ und wegen einer Topinszenierung 8 Punkte für „Rogue One“ übrig, so sind es hier wegen der angesprochenen groben Mängel tatsächlich nur noch 4 von 10 Punkten. Ich hätte so gerne mehr gegeben, aber „Mittelteil!“ als Ausrede für diesen unausgegorenen Film lasse ich nicht gelten...