Wollt ihr es wirklich wissen?
Ganz sicher?
Okay, hier ist die Handlung, ganz wertfrei: Serienkiller bringt gern junge , alleinstehende Frauen um. FBI-Agent konnte ihn bisher nicht kriegen und ist nun ein nervöses, medikamentenabhängiges Wrack und zieht von L.A. nach Chicago, um mal seine Ruhe zu haben.
Doch dem Killer macht es ohne ihn keinen Spaß und so folgt er ihm nach Chicago und fordert ihn heraus, indem er ihm Fotos der nächsten Opfer zusendet, ihm unbekannte Frauen, die die Polizei dann bis neun Uhr abends desselben Tages finden muß. Am Ende muß der Killer sterben.
Ich glaube nicht, daß ich hier vielen die Überraschung verderbe, wenn ich den Schluß verrate, denn kaum jemand wird diesen Film im Kino sehen. Aber es gibt ja noch Videos.
Daher meine Warnung: Dieser Film ist scheiße!!!
Nicht im Sinne von schlecht, aber noch ganz lustig, weil er eben so schlecht ist. Nein, dieser Film ist Zeitverschwendung, und zwar jede Minute (Sekunde, etc).
Und nun die Urteilsbegründung im Einzelnen:
Die Schauspieler - James Spader gibt das FBI-Wrack, völlig auf Spritzen und Tabletten. Der beste Eindruck, den er machen kann, ist sein optischer. Er sieht aus, als hätte er sechs Tage durchgesoffen und gefixt und dabei jegliche Emotion eingebüßt. Dementsprechend leidenschaftlich ist auch sein Spiel, so emotional wie eine Brotdose und so schwungvoll elegant wie der Kölner Dom. Da stellt sich die Frage, ob er für den Dreh zurechtgemacht wurde, oder ob er tatsächlich ohne Schminke ausgekommen ist. Man entwickelt zu keiner Zeit irgendein Gefühl oder jegliche Identifikation mit dieser Figur und es ist schon eine besondere Leistung, so etwas ganz zu vermeiden. Aber na ja, für die erste Hauptrolle seit langem tut man ja so manches (für den Gehaltsscheck auch.)
Keanu Reeves gibt in der Rolle des Killers den Gegenpart und ist sichtlich überfordert. Oder unterfordert? Wer weiß? Es ist ja bekannt, daß er nicht der ausdrucksvollste Schauspieler ist, aber derart fehlbesetzt war er schon lange nicht mehr. Hin und wieder blitzt in seinen Handlungen eine Marotte auf, die wohl charakteristisch sein soll, aber immer nur lächerlich bzw. lachhaft wirkt. Den gesamten Film über wirkt er so bedrohlich wie mein guter, alter Steiff-Teddybär und macht allen Teppichmilben höllisch Angst. Ist ja klasse, wenn man mal den Bösen spielen darf/will, aber muß dann ein Zwölfjähriger das Drehbuch schreiben?
Vielleicht würgt er sich ja auch nur so orientierungslos durch die Gegend, weil der Regisseur immer die Videos für seine Band DogStar (oder so ähnlich) dreht, und er dem noch einen Gefallen schuldig war.
Marisa Tomei ist ebenfalls komplett fehlbesetzt als Psychiaterin. Falsch geschminkt (sieht sehr teigig aus)und irgendwie zu jung, gibt sie so denkwürdige Sätze von sich wie "Und was denken sie, was das bedeutet?" und schaut dann wieder Spader an, als sei er ein pflegebedürftiges Hundebaby. Zwischen den beiden entwickelt sich nicht die geringste Chemie, nicht mal ein Hauch einer Beziehung und deswegen hätte sie zum Schluß ruhig auch noch draufgehen können.
Ernie Hudson hat tatsächlich gar nichts zu tun als Polizist (hat der Gute ein Abo für diese Rolle?), kann so aber auch nichts falsch machen.
Einzig einige Punkte macht Chris Ellis als Führer der Polizeieinheit, der einige Bonmots dem Geschehen zufügt, aber keine wirklich entscheidende Bedeutung hat. Bei ihm hat man jedoch wenigstens das Gefühl, er würde arbeiten und habe sich auch mit dem Charakter beschäftigt und so kann man sich nur an ihn am nächsten Tag noch einigermaßen erinnern.
Die Figuren und ihre Motivation:
Die Figuren sind tatsächlich so papierflach, wie es sich kein TV-RTL-Weltpremieren-Mittwochabend-Movie je trauen würde, sie auf den Schirm zu bringen. Emotional den Zuschauer total kalt lassend, fehlt Wärme, Mitgefühl und sogar Interesse für sie und den Film total. Man erfährt tatsächlich nie, warum Keanu Reeves so gerne Frauen ermordet, nur daß er ein Soziopath ist(und das stand vermutlich im Lexikon unter Serienkiller). Er benutzt immer eine Klaviersaite. Warum? Keine Ahnung.
Klar, er macht sein Spielchen mit dem Polizisten, aber das kann ja nicht der Ausgangspunkt gewesen sein. Hat Reeves Probleme? Klar hat er die, sonst wäre er kein Killer, aber sonst hat sich offenbar niemand beschäftigt(und tut es dann im Film auch nicht). Polizeiakten zu diesem Fall gibt es hier genug, nur Psychologen und Profiler, die hat man wohl lieber aus dem Fall rausgehalten.
Spaders Agent hat auch keine größere Tiefe, als die, daß seine Freundin bei der Killerjagd in L.A. ums Leben gekommen ist und das mehr durch seine Schuld, als durch die des Killers. Das definiert einen Charakter natürlich vollends, logo. Er räumt seine Wohnung deswegen nicht auf, geht immer nur ins gleiche Restaurant und seine lebenswichtige Migränemedizin ist ganz unten in einer Schublade versteckt, die aussieht wie bei Junkies unterm Bett. Noch Fragen?
Das Drehbuch:
Wie gesagt hat man sich hier wohl nur mit der Ausgangsposition beschäftigt. Sagte der Produzent zum Autor: Beschreiben sie den Film mit einem Satz, ich habe wenig Zeit. Darauf der Autor: Polizist und Serienkiller liefern sich ein Duell um das Leben junger Frauen. Darauf der Produzent: Gut, schreiben sie das. Aber kein Wort mehr!
Und weil Phantasie ja offenbar anstrengt, hat man sich an einer interessanten, raffinierten, verwinkelten, manchmal überraschenden Story gar nicht erst versucht. Reicht doch auch so.
Ganz erlesen wird es gegen Ende, wenn man eh schon die Geduld verloren hat und die Kontrahenten aufeinander treffen. Da muß Reeves dann so was sagen wie: Schön, daß du gekommen bist und wir uns endlich sehen. Willst du'n Bier? Und Spader starrt daraufhin aus seinen Augenringen, als wüßte er auf solch beknackte Sätze nichts zu erwidern, was er dann auch nicht richtig tut. So gibt es nicht mal einen verbalen Schlagabtausch, als die Gelegenheit mal da ist, sondern die Figuren wandern nur nebeneinander her.(Aber wenigstens haben wir hier die seltene Gelegenheit, über einen Schwachpunkt zu lächeln.)
Weitere eklatante Schwächen sind das Fehlen der technischen Notwendigkeiten bei der Polizei und logische Schwächen. Da werden Suchblätter in einer Mall verteilt, während das Opfer nebenan im gläsernen Fahrstuhl steht und der Hauptdarsteller genau in ihre Richtung blickt. Da wird in dieser Mall wie blöd gesucht, aber es wird nicht geprüft, ob es dort ein Fotogeschäft gibt, wo, wie man weiß, die Frau aufgenommen wurde. Ach, was soll ich noch meckern, ihr wißt schon...
Dialoge/Monologe/innerer Monolog:
Dialoge finden hier nur sehr selten statt und wenn, dann unterhalten sich Nebenfiguren. Des Killers Opfer sind meist geknebelt, der Polizist ist sediert, die Psychiaterin hat nichts zu sagen, da kommen halt keine pfundigen Wortgefechte zusammen. Stattdessen immer mal wieder mentale Wiederholung unwichtiger Zitate und ein innerer Monolog Spaders am Anfang, der am Ende wiederholt wird, ohne da irgendeinen Sinn zu machen (auch eine Leistung!!!).
Die Ausstattung:
Lachhaft! Entweder war Reeves so teuer oder der Ausstatter hat zu viele schlechte Filme gesehen und davon dann zuwenig behalten. Da haben wir eine Psychiatriepraxis, die aus einem einzigen Zimmer besteht, einem Schreibtisch, zwei Stühlen und drei (unverschließbaren) Aktenschränken. Da haben wir die Wohnung des abgewrackten Polizisten, die sehr wenig Möbel beinhaltet, dafür umsomehr bemühte Unordnung. Da haben wir Opferwohnung, die sich in Details stark ähneln. Da haben wir keine computertechnische Bearbeitung von Fotos bei der Polizei (die Aufnahmen werden lediglich vergrößert!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!). Da haben wir eine Telefonaktion, bei der acht oder mehr Polizisten Schulter an Schulter an einem Konferenztisch sitzen und gleichzeitig in das jeweilige Telefon sprechen, so daß man eigentlich sein eigenes Wort nicht verstehen dürfte.
You got the Joke?
Der Schnitt/Die Kamera:
Hier war kein Künstler am Werk, sondern ein biederer Handwerker. Wenn das (Musik-)Videofilmerschnitte sein sollen, dann ist damit kein Award zu gewinnen. Der Cut trägt wesentlich dazu bei, daß man sich beim Betrachten fühlt wie ein Bustourist auf einer Schlaglochpiste. Hier holpert einfach alles.
Als Ersatz gibts aber unterschiedliche Aufnahmeformen zu sehen, körnige Bilder wie durch eine Videokamera, wenn man durch Reeves Augen blickt und schmierige (bzw. verwischte) Aufnahmen, wenn es um Spaders Vergangenheit geht. Die körnigen Bilder sind sinnlos, da Reeves keine Kamera hat und die schmierigen werden so oft wiederholt, daß sie nur noch nerven. Ansonsten ist die Kamera hier wieder schön statisch und so einfallsreich wie eine Schulklasse Tiefschläfer.
Die Musik:
Spitze, Leute! Hin und wieder klingt da doch wirkich ein klasse Song auf und da und dort ist auch der Originalscore von Marco Beltrami zu hören. Schade nur, daß er fast in KEINEM Fall zu der jeweiligen Szene passen will. Das hat nicht nur der unfähige Schnitt verhunzt; wer hier unterlegt hat, gehört gefoltert. Erhöht das Sehvergnügen natürlich enorm, wenn Bild und Musik offensichtlich asynchron laufen und wirken.
Die Action/Der Showdown:
Viele hysterisch heulende Polizeiautos und diverse überflüssige Crashs, die schon bei Starsky und Hutch lächerlich gewirkt hätten, machen noch keinen Actionfilm. Es wird viel verfolgt und hinterhergelaufen (meist in düster-diffusen Hinterhof/Slumecken, wo es keine Drehgebühr kostet), ohne daß je was für die Handlung dabei herauskommt und das alles ist von einer Güteklasse, die man schnell wieder vergißt. Zum Schluß gibts die große Konfrontation, statisch, stückhaft, ungelenkig. Eine malerisch schlechte, computeranimierte Explosion und ein Höhepunkt, der keiner ist, weil keiner weiß, warum Reeves im entscheidenden Moment wartet, bis Spader ihn anschießt. Vielleicht ist er so nett und will verbrennen, was er dann ja auch tut.
Die Regie:
Diese Kaspernase (aka: Joe Charbanic), die das hier verbrochen hat, müßte lebenslänglich Spielfilmverbot bekommen. Allein die Frechheit, während einer Autoverfolgungsjagd mit Streifenwagen unter der Hochbahn von Chicago, ein Manöver fahren zu lassen, daß in Ausführung, Wirkung und Einstellung samt und sonders aus "Blues Brothers" geklaut ist, verdient zwanzig Stockhiebe auf die nackten Fußsohlen.
Wo immer er jetzt gerade sein mag, laßt ihn da nicht weg.
Und gebt ihm nichts zu tun.
Und nicht so viel zu essen.
Und auf gar keinen Fall irgendwelches Geld, damit er noch mal so was verbrechen kann.
Fazit: Ganz klarer Fall von Pupillenvergewaltigung und absolut qualitätsfrei. Und scheiße. (1,5/10)