Leider, aber so ist nun einmal der Lauf der Dinge, wird die Gruppe von Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges zusehends kleiner. Umso erfreulicher, dass es Dokumentarfilmer Claus Räfle gelang, vier von ihnen ausführlich zu interviewen und auf deren Ausführungen hin eine Mischung aus Doku und Spielfilm zu kreieren, die eine ungewöhnliche und gleichermaßen spannende Perspektive der damaligen Judenverfolgung vermittelt.
Rund 7000 Juden tauchten während des Nazi-Regimes unter, doch nur 1500 von ihnen erlebten das Ende des Krieges. Unter ihnen vier Berliner: Cioma Schönhaus fälscht Pässe und kommt zwischenzeitlich in einer Werkstatt unter, Eugen Friede mutiert über Umwege zum Widerstandskämpfer, Ruth Gumpel tarnt sich als Kriegswitwe und arbeitet als Dienstmagd bei einem Wehrmachtsoffizier, während Hanni Lévy mit blondierten Haaren zur Arierin wird und sich regelmäßig ins Kino traut…
Zunächst irritiert die Mischung aus Zeitzeugenberichten und Spielfilmmaterial ein wenig, zumal es sich um vier Einzelschicksale handelt, die auf den ersten Blick nicht viel miteinander verbindet. Doch daraus erwächst ein unerwartet harmonischer Erzählfluss, denn Räfle setzt das Erzählte unmittelbar in Filmform um, was größtenteils fließend ineinander übergeht und den Berichten einen recht dynamischen Anstrich gibt.
Das wirkt umso authentischer, da die geistig noch fit anmutenden Zeitzeugen sehr lebendig von ihren Erlebnissen berichten, während ihren Gesichtern jede Emotion abzulesen ist. Jedes Lächeln, jede inne haltende Geste zeugt von intensiv erlebten Momenten, aber auch von Situationen, die Spannung generieren. Denn nicht selten begab man sich, teils aus Unwissenheit, teils aus jugendlichem Leichtsinn in prekäre Situationen, etwa, indem eine Tasche im Bus vergessen wird oder Anspielungen auf braune Augen mit verräterischen Reaktionen quittiert werden könnten.
Zwar sind die Spielfilmelemente nicht frei von Mankos, da einige Dialoge etwas hölzern vorgetragen werden und nicht alle Szenen für das jeweilige Schicksal entscheidend sind, doch die großartige Ausstattung und der nicht minder stark ausgearbeitete Score kaschieren einige Schwachstellen.
Claus Räfle gelingt somit ein wunderbares Plädoyer für die Menschlichkeit innerhalb einer grausamen Zeit und zollt dem Mut zum Widerstand Tribut. All jenen Menschen, die Menschenleben retteten uns sich damit selbst in Lebensgefahr brachten. Und, wie eine Zeitzeugin hinsichtlich ihrer Ausführungen im Ausland bemerkt, dass es auch „andere Deutsche“ gab.
Knapp
8 von 10