Internet is just for porn
Kurzfilm-Filmer Adriano Giottis bisher einzige mehr oder weniger abendfüllende Produktion ist das Erotikdrama „Sex Cowboys“ aus dem Jahre 2016, eine kleine Independent-Produktion, die der Italiener mit Handkameras und Laiendarsteller(inne)n umsetzte.
Das Punk-Pärchen Marla (Nataly Beck’S) und Simon (Francesco Maccarinelli) ist relativ frisch zusammen, schwer verliebt und sexuell miteinander äußerst aktiv. Die traute Zweisamkeit wird jedoch jäh von Geldproblemen getrübt; Marlas Vermieter droht, die seit Monaten ausbleibenden Mietzahlungen einzutreiben bzw. seine Mieterin vor die Tür zu setzen. Die Liebenden kommen auf die Idee, per im Internet verbreiteten Videos Voyeure an ihrem Sexleben teilhaben zu lassen und daraus Einnahmen zu generieren. Anfängliche Bedenken Marlas scheinen schnell zerstreut und die Anlaufschwierigkeiten hat man bald hinter sich gelassen. Mit der Zeit erfüllen sie immer ausgefallenere Kundenwünsche, was jedoch langsam problematisch wird und ihre Beziehung belastet. Als ein Mann für ein hübsches Sümmchen Sex mit Simon erwerben will, ist für Marla eine Grenze erreicht. Dennoch nimmt er den „Job“ an, erledigt ihn aber widerwillig und brutal. Marla trennt sich daraufhin von Simon…
Für den wie mit einem Handy gefilmt aussehenden Film dürfte man sehr bewusst das Erscheinungsbild von im Internet angebotenen Amateurpornos gewählt haben, sind diese doch Thema der Handlung. Oder auch nicht, denn vielmehr geht es um die Personen, die diese verwirklichen, um ihre Beweggründe, ihre Erfahrungen und darum, was all das mit ihnen und ihrer Beziehung macht. Denn was damit beginnt, einem befreundeten Paar ein erstes Video vorzuführen und sich Meinungen und Tipps einzuholen, wird schließlich zur Zerreißprobe für die Partnerschaft. Dass die Handlung mit vielen freizügigen Sexszenen einhergeht, ist obligatorisch, wobei es tatsächlich gelingt, die Geschichte nicht allzu alibihaft erscheinen zu lassen. Der Aufhänger des Films dürfte auch aufgrund seines realen Hintergrund neugierig machen, denn tatsächlich wimmelt es im Netz nur so vor Amateurpornos und deren Vermarktungsversuchen, und dürfte manch exhibitionistisch veranlagtes Paar (oder auch Einzelperson) bereits mit dem Gedanken gespielt haben, aus der eigenen Sexualität Kapital zu schlagen.
Innerhalb des dramatischen, von Akustik-Folk- und eruptiven Punksongs musikalisch untermalten Sujets problematisiert die Handlung dieses Phänomen, u.a. indem die tätowierte Spanierin Marla als psychisch stark vorbelastete Figur gezeichnet wird, die Monologe hält bzw. zu ihrem verstorbenen Freund spricht, was sie vor Simon geheim hält, und sich im Borderline-Stil die Haut aufritzt. Dies reißt der Film jedoch lediglich an, erzählt es nicht aus und lässt es im Vergleich zu den den Film dominierenden Sexszenen wie eher unmotiviert eingestreute Küchenpsychologie erscheinen, deren intendierte Aussagekraft fraglich bleibt: Ist Marla nur aufgrund ihrer psychischen Probleme eine freizügige, Sexvideos zustimmende Punkerin? Oder hat sie nur deshalb ein Problem damit, dass Simon gegen Geld gleichgeschlechtlichen Sex vollzieht? Oder soll beides gar nichts miteinander zu tun haben? Eine eindeutige Antwort bleibt der Film schuldig und somit in seinen Ansätzen interessant, letztlich aber dann doch relativ oberflächlich. Amateurporno-Voyeure und Freunde engagierter Laienmimen dürften nichtsdestotrotz ihre Freude am authentisch anmutenden Spiel Natalys und Francescos haben.