Review

kurz angerissen*

Selbst wenn sie versuchen, ihrer Natur zu entkommen... Slasher schlachten eben nun mal Dinge aus. Im durchaus ambitionierten "Motorrad" ist es das ikonische Bild des anonymen Motorradfahrers, der sich in der Filmgeschichte stets als silhouettenhafte, bedrohliche Erscheinung am Horizont gefiel. Regisseur Vicente Amorim setzt sie also entsprechend exzessiv in Szene und reitet regelrecht auf den stummen Drohgebärden der Unbekannten herum. Das alte Verschwinden-von-einer-Sekunde-auf-die-nächste-Spiel, das viele Geistererscheinungen - und natürlich Batman! - perfektioniert haben, wird in Dauerschleife wiederholt, möglich gemacht durch Kamerafahrten, die den panischen Kopfbewegungen der Opfer folgen und die Angreifer so für Sekundenbruchteile aus den Augen verlieren. Sind die Erscheinungen in Schwarz dann doch mal im Bild, verschmelzen sie mit den höchsten Erhebungen der brasilianischen Kiesel- und Schiefergebirge. Dabei lassen sie weder Identität noch Motivation erkennen, doch dafür gibt es an ihrem Ziel keinerlei Zweifel: Die Gruppe junger Biker, die sich in ihr Revier verirrt hat, muss sterben.

Hervorhebenswert ist es, dass es nicht etwa ein einzelner Psychopath in Lederkluft auf die Gruppe abgesehen hat, sondern ein ganzes Rudel, das zahlenmäßig in etwa ebenbürtig erscheint. Alleine mit dieser Konstellation offenbart Amorim seine Motivation, den augenscheinlich schichten Aufbau eines gewöhnlichen Slashers mit einem metaphysischen Unterbau zu versehen, kann man den Kampf der einen Gruppe gegen die andere doch als psychologische Spiegelung verstehen, mit der die Figuren quasi gegen sich selbst antreten. Dazu werden allerdings innerhalb der Gruppe nicht ausreichend Charakteranalysen ausgestreut und durch Konflikte gebündelt. Das Interesse des Zuschauers für das Schicksal der Figuren bleibt weitestgehend flach; es fällt schwer, Sympathien oder überhaupt irgendeine Form emotionalen Bezugs zu ihnen aufzubauen, denn wenn sie nicht gerade munter Klischees abarbeiten (was nicht zuletzt auf die hübsche Außenseiterin mit Insider-Kenntnissen zutrifft), handelt es sich bei ihnen einfach um leere Hüllen.

Ob, wann und wie es die einzelnen Mitglieder der Gruppe erwischt, wird daher weniger zur Frage der Sorge als vielmehr danach, wann der Action-Horror-Hybrid wohl endlich wieder einen seiner beiden Genre-Joker aus dem Hut zaubert. Gestorben wird dann immerhin recht abwechslungsreich und vor allem nicht ganz wehrlos, da auf beiden Seiten Verluste zu verzeichnen sind. Die ausgeblichene Optik, die andeutungsweise schon ins Schwarzweiß übergeht, lässt allerdings wenig Freude an potenziellen Farbklecksern wie Blut und Feuer aufkommen. Der hohe Kontrast schärft immerhin den Blick auf die staubig-steinige Umgebung, der den Boden besonders hart und das Wasser besonders klar erscheinen lässt. Er steigert das Mittendrin-Gefühl, hat im Endeffekt aber auch seinen Anteil daran, dass die Geschehnisse unter dem Strich völlig kalt lassen.

Respekt dafür, dass "Motorrad" ohne Frage anders ist als andere seiner Art, aber aus dem angedeutet psychologisierten Ansatz hätte man viel mehr herausholen müssen.

*weitere Informationen: siehe Profil

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