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„Hass und Liebe!“

Anlässlich des Tags der deutschen Einheit 2017 hatte die öffentlich-rechtliche ARD die Komödie „Willkommen bei den Honeckers“ nach einem Drehbuch Matthias Pachts produziert. Die Regie führte Philipp Leinemann („Die Informantin“) für diesen Spielfilm, der reale Ereignisse aus der Nachwendezeit zum Vorbild hat: Jene um den „Bild“-Schmierfinken Mark Pittelkau, der Anfang der 1990er unbedingt Journalist bzw. das, was er dafür hält, werden wollte und dafür jegliche Moralvorstellungen über Bord warf: Er erschlich sich das Vertrauen des ehemaligen DDR-Oberhaupts Erich Honecker, um diesen in seinem chilenischen Exil zu besuchen und aus dem Material einen Exklusivbericht zu fertigen, mit dem er sich in Springers Hetzpostille einzecken sollte.

„Was’n jetzt so verkehrt an Kellnern?“

Für diese Komödie wurde aus Mark Pittelkau Johann Rummel (Maximilian Meyer-Bretschneider, „Mängelexemplar“), die Zeitung wird namentlich nicht erwähnt. Rummel eröffnet den Film zunächst aus dem Off, Musik der damaligen Zeit ertönt. Rummel verdingt sich als Kellner und schmuggelt sich mit einem Kollegen zum blonden Volksmusik-Barden Heino (Heinz Georg Kramm, „Blau blüht der Enzian“). Anschließend erreicht ihn die Nachricht: Honecker (Martin Brambach, Dresdner „Tatort“) wird ausgeliefert. Er will unbedingt „Journalist“ werden und schleimt sich per Briefpost bei Honecker ein, dem gegenüber er sich als Bewunderer und Jungkommunist ausgibt. Nach sechs Monaten erhält er als Antwort eine Autogrammkarte. Zudem wird er vom Verlag des Käseblatts verarscht, ein anderer hat seine Artikelidee umgesetzt. Während Freundin Jenny (Cornelia Gröschel, „Königin der Nacht“) noch wegen des Briefs grollt – ihr Bruder wurde beim illegalen Grenzübertritt getötet –, kommt Honecker in Moabit in Untersuchungshaft. Auch Rummels Kumpel hat moralische Skrupel, dennoch geben sich beide einem Vertrauten des ehemaligen Staatsratschefs als „Bund der Jungkommunisten“ aus und suchen den ehemaligen DDR-TV-Propagandisten Karl-Eduard von Schnitzler (Bernd Stegemann, „Kolle - Ein Leben für Liebe und Sex“) auf, bei dem sie sich mit dem Singen von Arbeiterliedern einschleimen. Weiterer Briefverkehr mit „Honni“ findet statt, bis sein Kumpel schließlich nicht mehr mitmachen will, Rummel jedoch regelrecht besessen von seiner fixen Idee ist.

„Hier schleichen jede Menge Journalisten rum. Die sind wie Aasgeier!“

Kurz nachdem Honecker bereitgewesen wäre, Rummel zu empfangen, wird er aus der U-Haft entlassen und reist nach Chile zu seiner Frau Margot (Johanna Gastdorf, „Das Wunder von Bern“) aus. Dort zeigt er Journalisten die gefälschten Fotos Rummels, dessen Eltern entsetzt reagieren. Weitere Briefwechsel werden fleißig aus dem Off zitiert; mittlerweile hat sich Rummel Honeckers Vertrauen vollständig erschlichen und auch andere getäuscht: So sucht Konrad Kiebick (Uwe Preuss, „SMS für dich“) von der „Kommunistischen Zukunftspartei Deutschlands“ den Kontakt zu den vermeintlichen Jungkommunisten. Schließlich geht der Plan auf: Rummel reist fürs Boulevardblatt nach Chile und bekommt ein Volontariat zugesichert. Vor Ort empfängt ihn Margot mit wachem, kritischem, skeptischem Blick und gezielten scharfen Nachfragen. Erich hingegen wirkt wie ein Tattergreis.

„Warum lassen die mich nicht in Frieden sterben?“

Der Anblick Gastdorfs und Brambachs als Ehepaar Honecker wirkt zunächst bizarr, wenngleich Gastdorf mit grauer Perücke eine gute, glaubwürdige Margot gibt. Brambach, einer der für die Besetzung älterer Sachsen dankbarsten TV-Schauspieler, wurde ebenfalls auf alt getrimmt und erinnert zunächst an Olli Dittrich, findet sich jedoch durchaus respektabel in seine Rolle irgendwo zwischen Realismus und Parodie ein. Wenngleich es sich nominell um eine Komödie handelt, geht es hier nicht um Karikatur und Overacting, nicht darum, ihre Figuren lächerlich zu machen. Erich Honecker ist vielmehr mitleiderregend, wird dann jedoch als eiskalt dargestellt, sobald es um die Mauertoten geht. Eine heimlich mitgeschnittene Tonbandaufnahme entpuppt sich als total verrauscht, als Rummel eine Deutsche im Restaurant kennenlernt, betrinkt er sich mit ihr und verpennt, und seine Zeitung besteht partout auf einem gemeinsamen Foto mit Genosse Erich, vor dem sich dieser konsequent sträubt. Letztendlich bekommt er den schwerkranken alten Mann doch noch überredet und so zu seinen Aufnahmen. In letzter Sekunde überführt Margot ihn, er entkommt ihr jedoch.

Leinemann erzählt die Geschichte aus Rummels Perspektive. Ob er es dabei darauf anlegte, in erster Linie für diesen Empathie zu erzeugen, mit ihm mitzufiebern, weiß ich nicht. Sollte dies der Fall gewesen sein, hat es bei mir nicht funktioniert. Doch ich bezweifle das. Erich Honecker wird gerade anfänglich ständig als Schwein und Verbrecher beschimpft, von Leuten, die Grund haben, sauer auf ihn zu sein. Auf mich wirkte der anfänglich mit einigem Archivmaterial wie „Tagesschau“-Ausschnitten arbeitende Film gerade mit seinem Ende nachdenklich, er stimmte mich für eine Komödie ungewohnt melancholisch. Rummel fand kein Monstrum vor, sondern einen alten, kranken Mann. Das Monstrum war (und ist) Rummel selbst. Zu lachen gibt es – vom gelungenen Sternfrucht-Gag einmal abgesehen – nicht viel.

Pittelkau war damals nicht etwa in die Privatsphäre der Honeckers eingedrungen, um investigativ Informationen von gerechtfertigtem, besonderem öffentlichem Interesse zu beschaffen, an die es anders kein Herankommen gab, sondern einzig und allein, um seine eigene verabscheuungswürdige Karriere voranzutreiben, indem er einem Revolverblatt hilft, die Auflage zu steigern und den Profit zu erhöhen. Demgegenüber erscheint Honecker wie ein wehrloses Opfer, dem übel mitgespielt wird, weil man sein Vertrauen auf übelste Weise missbraucht. Der eitle Fatzke Pittelkau rühmte sich öffentlich immer wieder mit seiner Honecker-Homestory und auch damit, dass seine Verstöße gegen den Pressekodex hiermit verfilmt wurden, er den Drehbuchautor mit Informationen versorgen durfte. Ob der hier vermittelte Eindruck der Honeckers ihm in seiner persönlichen Verblendung bewusst ist, weiß ich nicht; ob es eine gute Idee ist, ein ehemaliges, relativ mächtiges deutsches Staatsoberhaupt in einer solchen zutiefst menschlichen Opferrolle zu zeigen, weiß ich ebenfalls nicht und ich halte es nach wie vor für möglich, dass meine Lesart des Films nicht die intendierte ist. Ich würde den Filmemachern aber zutrauen, diese bewusst diffus gehalten und den Film zu einem ambivalenten Erlebnis gemacht zu haben. Wer gänzlich naiv und unbedarft an ihn herantritt, wird ihn möglicherweise dann doch als Verfilmung eines listigen Streichs und verdiente Abrechnung mit einem betonköpfigen Stalinisten empfinden.

Pittelkau ist der Inbegriff eines ehr- und rückgratlosen Schleimers, eines gewissenlosen Karrieristen, eine verachtenswerte, ekelerregende Type. Dies formuliert „Willkommen bei den Honeckers“ nie aus. Diese Erkenntnis bleibt dem Publikum überlassen.

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