Die Weimarer Republik befand sich 1923 in einer tiefen Krise: Die Hyperinflation strebte ihrem Höhepunkt entgegen, gegen Reichskanzler Wilhelm Cuno wurde deutschlandweit gestreikt und im September wurde der Ausnahmezustand verhängt, im Oktober putschten die Faschisten der Schwarzen Reichswehr und Stresemann schuf die rechtlichen Grundlagen für eine „legale Diktatur“. Teilen der damals über einen großen Rückhalt in der Bevölkerung verfügenden Kommunisten war es endgültig genug: Am 23. Oktober probten sie in Hamburg (und Schleswig-Holstein) den Aufstand, indem sie insgesamt 24 Polizeireviere stürmten, um an weitere Waffen zu gelangen. Außer in Barmbek, Eimsbüttel und Schiffbek wurde der Aufstand schnell niedergeschlagen. Gerade im Arbeiter-Stadtteil Barmbek jedoch wusste man große Teile der Bevölkerung hinter sich, die unterstützend eingriffen. Geschickt: Nachdem die Kunde durchgedrungen war, dass die Lage aussichtlos sei, verließen die Aufständischen nachts heimlich ihre Stellungen und ließen so die am nächsten Morgen attackierende Polizei auflaufen.
Von der rund 14.000 Mitglieder starken Hamburger KPD beteiligten sich gerade einmal 300 Menschen aktiv. Die Hintergründe sind unklar: Es gibt die Annahme, dass diejenigen, die radikal vorpreschten, die Parteiführung zum Handeln zwingen wollten. Dem gegenüber steht die These, dass es sich um eine Art Testlauf für eine gesamtdeutsche Revolution gehandelt habe: Wären aus den Revolten Massenaufstände resultiert, hätte sich die KPD von ihrer militärischen Seite gezeigt. So aber hielt sie sich zurück, um schadlos zu bleiben. Die Klassenverräter von der SPD jedoch entsolidarisierten sich in der Folge von der KPD mit den bekannten Folgen.
Da über die spannenden damaligen Ereignisse recht wenig aus erster Hand dokumentiert war, gaben der NDR und die Deutsche Film- und Fernsehakademie 1971 diesen Dokumentarfilm in Auftrag. Das Buch stammt von Reiner Etz, Gisela Tuchtenhagen und Klaus Wildenhahn, welcher auch Regie führte. Der Film ist aufgeteilt in die drei Teile „Erinnerungen“, „Lieschen Müllers Geschichte“ und „Barmbek: Der Aufstand wird abgebrochen“, was sicherlich allein schon seiner Länge von fast zwei Stunden geschuldet war. Das Besondere: Man lässt in erster Linie die Aufständischen von damals zu Wort kommen, die man an verschiedenen Orten – zu Hause, in der Kneipe etc. – aufsuchte und die ihre Sicht der Dinge, auf die damaligen Umstände, ihre Beweggründe und die Folgen so schildern, wie ihnen die Schnäbel gewachsen sind. Die älteren Herrschaften und manch Dame sind wunderbar authentisch und ungekünstelt und erlauben einen Einblick in eine heute unvorstellbare Zeit, in der Deutschland Europas stärkste kommunistische Partei beheimatete und die Bezeichnung „Kommunist“ noch kein politischer Kampfbegriff war, um den politischen Gegner zu diffamieren. So bekommt man nach und nach ein Gefühl dafür, was die Menschen damals umtrieb und wie unbedarft man zuweilen an die Sache heranging. Man erfährt aber auch erschütternde Geschichten von Armut und Not, aus Zuchthäusern und KZs, von der Schande Nazi-Deutschlands und der allgemeinen Diskreditierung kommunistischer Bestrebungen – seit damals hat sich eben eine Menge geändert.
Der Film bewertet nicht und zeichnet auch nicht streng chronologisch die Geschichte des Aufstands nach o.ä., sondern porträtiert viel mehr jene Männer, die sich damals beteiligten. Entweder bringt man schon ein gewisses Vorwissen mit oder aber man wird durch den Film neugierig und informiert sich anschließend. Angereichert wird die Dokumentation durch Texttafeln und Informationen aus dem Off, aus dem auch aus Literatur zum Thema zitiert wird. Etwas spröde wirkt der Schwarzweiß-Film mit seinem mitunter schwierig zu verstehenden Ton heutzutage schon, das rohe Erscheinungsbild verstärkt jedoch den Eindruck der Unverfälschtheit. Am Ende lädt er zu Gedankenspielen ein: Was wäre, wenn es anders gekommen und die Revolten zum Volksaufstand geführt, die Kommunisten schließlich die Geschicke der Republik geleitet, die Sozialdemokratie überflüssig gemacht und die Faschisten konsequent ausgelöscht hätte? Wäre uns ein Weltkrieg erspart geblieben? Wäre es direkt zum Kalten Krieg übergegangen, der irgendwann zum heißen geworden wäre? Oder hätte man früher oder später ähnliche Fehler wie die DDR begangen? Die Protagonisten dieses Films jedenfalls haben sich nicht verbiegen lassen, auch nicht von Repression, Faschismus und Antikommunismus und ihnen zuzuhören ist eine interessante Erfahrung.
P.S.: Für die Einordnung/Überprüfung der historischen Fakten erwies sich die deutsche Wikipedia als überaus hilfreich.