Review

„Jud Süß“ ist einer der berühmtesten Filme die zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland entstanden. Den Hintergrund lieferte eine bereits mehrfach interpretierte Geschichte, als Vorlage diente eine Erzählung von Wilhelm Hauff. Auch Lion Feuchtwanger schrieb 1925 einen gleichnamigen Roman, seine Version gilt aber als nicht einflussreich für die Verfilmung von 1940. Als Regisseur wurde Veit Harlan verpflichtet, der bereits seit mehreren Jahren der Haus- und Hof-Regisseur von Joseph Goebbels war und mit diesem auch eine enge persönliche Bekanntschaft/Freundschaft führte. Obwohl Fritz Hippler die meiste Zeit über für die Regierung der wichtigste Filmpolitiker war und auch die Zensur ausländischer Filme kontrollierte, so inszenierte Veit Harlan mit Meisterwerken wie „Die Goldene Stadt“ oder auch „Kolberg“ aber ganz klar die hochwertigsten Spielfilme der NS-Zeit.

Harlan erweist sich als großartiger Regisseur, was sich überdeutlich in seiner genialen Schauspielführung zeigt. Alle Darsteller werden perfekt in Szene gesetzt, Harlan kitzelte Höchstleistungen aus jedem einzelnen heraus. Ferdinand Marian wurde gezwungen die Hauptrolle zu spielen, nachdem bereits Größen wie Gustaf Gründgens oder Emil Jannings abgelehnt hatten. Marian schafft es aber den Produzenten ein Schippchen zu schlagen indem er seinen Charakter mit viel mehr Ambivalenz und Wärme darstellt als geplant war. Seine charismatische Darstellung des Juden Oppenheimer wird natürlich kaschiert mit allen erdenklichen Mitteln, fraglos bleibt seine Figur aber die schillerndste im gesamten Film und Marians Leistung bleibt im Gedächtnis. Auch Werner Krauß ahnte vielleicht die möglichen, verheerenden Konsequenzen für seine spätere Karriere, die ein solch aggressiver Film wie „Jud Süß“ mit sich bringen konnten und versuchte durch einen Trick seiner Mitarbeit an dem Projekt zu entgehen: Er stellte als Bedingung für seine Beteiligung die Forderung jede männliche jüdische Nebenrolle zu übernehmen. Zu seiner Überraschung willigte Goebbels ein und so verkörpert Krauß zwei Figuren – mehr hat das Drehbuch im Endeffekt gar nicht vorgesehen.

„Jud Süß“ gehört zum Genre des Historienfilms und es ist wohl allgemein bekannt, das solche Filme stets historische Fakten mit allerlei hinzu gedichteten Nebenhandlungen erweitern und teilweise auch grob verfälschen. Im hier vorliegenden Fall nutzt man die historische Figur des Joseph Süß Oppenheimer: dieser war der Finanzberater des Herzogs Karl Alexander von Württemberg. Als der Herzog starb, viel Oppenheimer einer hinterhältigen Intrige zum Opfer, für die sich seine Feinde den Antisemitismus innerhalb des Volkes zunutze machten. Nicht nur in literarischer Form hatte man die Geschichte interpretiert, bereits 1934 gab es eine britische Adaption des Stoffes, die es allerdings nie zu Berühmtheit brachte. Und alles was einen guten Genrefilm ausmacht, vereint Regisseur Harlan in einer politischen Allegorie: Prunkvolle Ausstattung, die aufgrund der farblosen Bilder nicht richtig zur Geltung kommt und authentische Kostüme vermitteln eine glaubwürdige Optik, auch Frisuren, Kulissen und die Ausdrucksweise in den Dialogen fügen sich nahtlos in das Gesamtbild ein.

Mit großem Geschick lenkt das Drehbuch durch manipulative Charakterisierungen den Zuschauer gegen die Juden, insbesondere gegen den Hauptcharakter Oppenheimer und funktioniert mit seinen indirekten Botschaften wesentlich besser als der kurz danach veröffentlichte Pseudo-Dokumentarfilm „Der Ewige Jude“. Der Antisemitismus wird in einer ansprechenden Rahmenhandlung subtil vermittelt indem man clever die angestammten Sehgewohnheiten der Deutschen als Plattform nutzte, Goebbels sah im Film das wohl wichtigste Propagandainstrument neben dem Radio und so konnte Harlan auf ein üppiges Budget zurückgreifen, sowie auf die fähigste Leute innerhalb der damaligen deutschen Filmindustrie. Hier findet keine bloße Hetzjagd auf einen x-beliebigen Juden statt, das Drehbuch nimmt sich viel Zeit Joseph Oppenheimer in ein denkbar schlechtes Licht zu rücken, die Verzweiflung die Marian in der Titelrolle zum Ausdruck bringt nimmt man ihm jederzeit ab. Das angestrebte eindimensionale Bild des jämmerlichen und verlogenen Juden wirkt letztlich aber komplexer als angestrebt, obwohl sich Goebbels vergeblich bemühte dies im bei der Schnittarbeit auszugleichen. Zu erwähnen ist auch die bittere Tragik mit der Rabbi Loew das Schicksal der Juden prophezeit, eine eindrucksvolle Szene. Als abschließende Sequenz zeigt man die spektakuläre Hinrichtung Oppenheimers und suggeriert dem Zuschauer, dass der Straftäter hier seiner gerechten Strafe ausgeliefert wird, die mit großem Ernst vorgetragenen Schlussworte sprechen dann schließlich auch eine deutliche Sprache. Abschließend wird gewarnt vor den Gefahren, welche die Juden der Gesellschaft bringen können – anhand eines historisch schwer verfälschten Falles wird also durch „Jud Süß“ beim Zuschauer eben jener Weg geebnet den „Der Ewige Jude“ nur wenig später gehen sollte. Hier bleibt es noch dem Publikum überlassen wem die Sympathien nun geschenkt werden und so kam es das Marian für seine Darstellung größere Popularität genoss als die restlichen Schauspieler. Was in „Jud Süß“ provoziert wird, sollte in „Der Ewige Jude“ schließlich gefordert werden – aufrechter Hass gegen die Juden und die Rechtfertigung des Holocaust.

Fazit: Filmhistorisch enorm wichtige Propaganda, die ihren Zweck zur damaligen Zeit vollauf erfüllt hat und eine einzigartig interessante Reputationsgeschichte hat. Außerdem überzeugt „Jud Süß“ nahezu auf der ganzen Linie, von einigen Längen einmal abgesehen kann der Film selbst heute noch durchweg unterhalten und fesseln. Während „Der Ewige Jude“ mit seiner direkten Offenheit völlig den Vorstellungen Hitlers von guter Propaganda entsprach, so ist „Jud Süß“ ganz klar ein Film im Stil von Joseph Goebbels. Die angewandte propagandistische Funktion erfüllt eher unterschwellig ihren Zweck und serviert ihre Botschaft nicht mit dem Holzhammer.

8,5 / 10

Details
Ähnliche Filme