„Nach ihren Bettabenteuern in Afrika und Asien ist die farbige Emanuelle als Fotoreporterin in Amerika unterwegs, um Millionäre "aufs Kreuz zu legen" und über deren "perverses" Sexualverhalten zu berichten. Am Ende gibt sie ihren Job auf, wird aber von ihrem Freund an einen Stammeshäuptling in der Südsee verkauft.“ schreibt User uk501 in der OFDB. Im Prinzip hat der Mann ja Recht, aber ich würde diesen dritten offiziellen Teil der Serie vielleicht gar nicht mal als direkten inhaltlichen Nachfolger der beiden schokoflockigen Vorgängern sehen, bei denen außer etwas Rumgevögel eigentlich nichts Wesentliches passiert ist. Viel eher fällt mir SKLAVENMARKT DER WEISSEN MÄDCHEN ein, den Onkel Joe ein Jahr später, wieder mit dem Ehepaar Gemser/Tinti, gedreht hat. Diese Verquickung aus Weltreise, Softsexer und schockierenden Szenen scheint mir, auch wenn die letzte Sichtung von SKLAVENMARKT einige Jahre her ist, so ähnlich, dass ich fast vermuten möchte, das D’Amato sein eigenes Konzept so gut gefallen hat, dass er sich quasi selbst kopiert hat.
Die rasende und unerschrockene Reporterin Emanuelle hat sich dieses Mal auf Reportagen spezialisiert, die im Graubereich zwischen Misogynie und hemmungslosem Sex angesiedelt sind. So recherchiert sie hier bei einem Millionär der sich einen eigenen Harem unterhält, in einem Bordell für notgeile Damen in welchem dann gut gebaute Zuchthengste zur Befriedigung der weiblichen Libido herumlaufen, oder in der dekadenten Oberschicht des venezianischen Adels. Emanuelle selber behält dabei immer die Kontrolle über ihr eigenes Sexualleben, und wird so zur Chronistin einer unter dem Begriff „befreit“ laufenden Sexualität, die wie die Jahrtausende zuvor bereits auf Unterdrückung und Ausbeutung basiert, und jetzt nur eben modisch gelabelt wird. Die logische Fortführung dieser Zwangssexualität ist dann allerdings etwas, was Emanuelle und der Zuschauer in solch einem Film nicht erwarten würden: Die körperliche Zerstörung von Frauen zum Zwecke der Befriedigung der männlichen Lust. Das Drehen und Zeigen von Snuff-Filmen, einmal um die ausübenden Männer(? Eigentlich eher Bestien …) zu befriedigen, aber auch um an Gefühlsarmut leidende Single-Damen aufzugeilen. Und auch wenn uns klar ist dass wir hier erstklassig inszenierten Filmaufnahmen beiwohnen, so sind diese Bilder doch schockierend und alles andere als sexy.
Trotzdem, was …IN AMERICA Filmen wie etwa dem genannten SKLAVENMARKT voraus hat, ist diese besondere Stimmung, die ich so oft in den Softsexern der Mitt-Siebziger verorten kann, und die dieses Flair von Freiheit und Dolce Vita vermittelt. Die Hauptfiguren lassen sich durchs Leben treiben, und auch wenn sie für ihre Kohle arbeiten müssen, so ist es doch immer ein Job der sie ausfüllt, der ihnen Befriedigung verschafft, und sie mit allerlei interessanten Männlein und Weiblein zusammenführt. Mehr als nur ein Hauch von Lässigkeit schwebt durch diese Filme, und macht sie, vor allem auch aus heutiger Sicht, zu einem Dokument einer Zeit, in der offensichtlich Leichtigkeit und Freizügigkeit die herrschenden Merkmale der selbständig(!) arbeitenden Klasse waren. Das Leben genießen können, Sex haben mit wem und wann man möchte, Partys, exotische Länder, mondäne Einrichtungen, und nie das Gefühl von Stress, Arbeitsdruck oder dem Gefühl, noch schnell die Mails checken oder den Gewinn vervielfachen zu müssen. Ob das wirklich so war kann ich nicht beurteilen, aber so wird es vermittelt …
Auf den ersten Eindruck überträgt ..IN AMERICA durchaus diese gleiche Stimmung wie die ersten beiden BLACK EMANUELLE-Filme oder eben so manch anderer mehr oder weniger einfältig wirkende Sexfilm dieser Zeit, aber Joe D’Amato wäre er nicht er selbst, wenn er nicht ähnlich wie bereits im Vorgänger EMANUELLE NERA: ORIENT REPORTAGE Szenen einbauen würde, die dieses schoko-flockige Wohlgefühl untergraben würden. Waren es im Film zuvor noch ein Kampf Mungo gegen Schlange sowie eine überhaupt nicht erotische sondern ernst gemeinte Vergewaltigung Emanuelles, so entführt uns D’Amato hier in die Abgründe des Snuff-Films. Was an dieser Stelle vielleicht ein wenig aufgesetzt und gezwungen klingen mag, aber D’Amato schafft es fast mühelos, den Übergang von friedlichen Szenen in einem Bordell (ernst gemeint) zu ultrabrutalen Darstellungen schrecklichster Folter hinzubekommen. Dieser allmähliche Abstieg von der flirrenden Orgie in Venedig bis zu den Grausamkeiten in einem offensichtlich lateinamerikanischen Söldnerstaat ist langsam und allmählich in Szene gesetzt, und überzeugt gerade dadurch, dass er nicht so unvermittelt in diese an sich doch relativ heile Welt einbricht. Nicht als Bruch daherkommt, sondern in einem fließenden und kaum merklichen Übergang inszeniert wird. Fast unmerklich schafft D’Amato es, einen Übergang zwischen Bordell und Zerstörung herzustellen, und damit auch gleichzeitig eine Brücke zwischen diesen Begriffen herzustellen: Die Mädchen beim Millionär und die Hengste auf der Frauenranch werden letzten Endes seelisch genauso zerstört wie die Frauen im Snuff-Lager, nur dass dies an den erstgenannten Orten, bedingt durch die lässige Stimmung die dort herrscht, niemandem auffällt. Die Ausbeutung und die Demütigung ist die gleiche, genauso wie bei der Orgie in Venedig, bei der zwar jeder freiwillig mitmacht um seine Lust zu stillen, aber wenn man ehrlich ist doch auch wieder dem Gruppenzwang unterliegt. Hier einen Zusammenhang herzustellen, und diesen Zusammenhang in einem, allgemein als dümmlich konnotierten, Softsexfilm so zu verstecken, dass man darüber nachdenken muss, das muss man auch erst einmal bewerkstelligen. Oder interpretiere ich da zuviel in den Film? Das glaube ich nicht, ich persönlich halte D’Amato schon lange für vollkommen unterschätzt, zumindest was seine Arbeiten bis Ende der 70er angeht. Man halte sich bloß einmal die oben angeführte Aussage “… Sex haben mit wem und wann man möchte …“ vor Augen, und vergleiche sie mit dem Inhalt dieses Films: Haben die Stuten auf der Millionärs-Farm denn freie Wahl bei ihrem Sexualpartner? Oder die Hengste im Bordell? Ganz zu schweigen von den bemitleidenswerten Geschöpfen im Folterlager? D’Amato konterkariert seine eigenen Filme und führt den Zuschauer zu dem Schluss, dass diese Art Film eigentlich nur eine einzige große Verarsche ist …
Der selbstironische Schluss mit dem Filmteam und dem Ende des Paradieses, der Feststellung, dass alles hier gezeigte nur Fassade ist, und die hier (im Film!!) dargestellte Ausbeutung sich selber ad absurdum führt, ist dann ein relativ gelungenes Ende unter einem Film, der die in jeder Hinsicht dunklen Seiten menschlicher Sexualität ziemlich perfekt bebildert und damit kokettiert, dass er ja eigentlich nur Filmbilder in einem Film zeigt, also eine Fassade vor einer Fassade aufbaut. Und dazu passt dann auch das für den Zuschauer unbefriedigende Ende, dass der Redakteur der Zeitung die Reportagen Emanuelles nicht veröffentlicht, weil seine Zeitung zum Teil demjenigen Senator gehört, der hier als Ausbund der Grausamkeit gezeigt werden würde. Und die Hand, die einen füttert, beißt man bekanntlich nicht. Dann ist es schon klüger das Maul zu halten und solche Praktiken gar nicht erst zu erwähnen. Genauso wenig wie seit Jahrtausenden akzeptierte Dinge wie Bordelle …