Deutschland, ein paar Wochen vor Ende des 2. Weltkriegs. Ein Mann rennt durch den Wald. Eine zerlumpte Uniform, nur noch einen Stiefel, dreckig, und vor allem eines: Angst. Nackte, tierische Angst. Hinter ihm ein Fahrzeug mit Soldaten die ihn jagen, die auf ihn schießen. Doch der Mann schafft es zu entkommen. Als er weitergeht stößt er auf ein leeres Auto. Darin: Eine Uniform. Die Uniform eines Hauptmanns. Sogar die Stiefel passen. Und auch Essen findet er! Die Uniform zieht er an, sie ist sauber und wärmt! In der Uniform fühlt er sich wohl. Da kann er so tun, als ob er seine Häscher erschießt. Dann kommt ein anderer Mann die Straße entlang. Ob der Herr Hauptmann wohl steckengeblieben ist? Er kann den Wagen wohl auch loskriegen. Soll er? Er macht, und schon hat der frischgebackene Hauptmann einen gläubigen und untertänigen Fahrer. Man fährt in den nächsten Ort, in die Wirtschaft. Dort gibt es Schweinebraten, aber selbstverständlich nur eine Notschlachtung. Ob der Herr Hauptmann vielleicht was möchte …? Nachts muss er sich den Schweinebraten dann verdienen: Mit Fackeln stehen die Eingeborenen vor seinem Fenster. Sie haben einen Plünderer gefangen. Der Herr Hauptmann soll ihn erschießen. Der Herr Hauptmann erschießt den Plünderer …
Man fährt zu einem Hof, wo Deserteure und Plünderer die Bauern terrorisieren. Der Herr Hauptmann nimmt die zerlumpten Gestalten gnädig auf – ab sofort nennt man sich Kommando Herold, und man ist auf der Jagd nach Fahnenflüchtigen, nach Plünderern, nach allen, die die Wehrkraft untergraben.
Man kommt in ein Lager, wo Deserteure gefangen gehalten werden. Die Lagerleitung möchte gerne reinen Tisch machen, kann aber nicht, weil die Gefangenen der zivilen Justiz unterstehen, und nicht der SA. Ob der Hauptmann nicht vielleicht …? Der Herr Hauptmann kann, und wie! Der Herr Hauptmann Herold hat Macht. Der Herr Hauptmann Herold hat einen Sonderbefehl von oben. Von ganz oben. So richtig ganz oben. Der Herr Hauptmann Herold verbreitet den Tod …
Mein Gott, ist das düster und nihilistisch. Menschen werden hier nicht einfach nur getötet, sie werden geschlachtet. Aus der Massenexekution von Fahnenflüchtigen wird im Handumdrehen ein Gemetzel, bei dem zum Schluss sogar noch einer in die Grube muss zum Gnadenschuss geben. Kipinski zum Beispiel, einer von Herolds Männern. Der haut einfach nur drauf. Immer und immer wieder. Der hört nicht mal auf wenn man ihm es befiehlt, der haut einfach weiter drauf. Ein Tier. Ein blutiges und schuldiges Tier. Und alle hängen an den Lippen des Hauptmanns, denn der ist derjenige, der ihnen einen Grund zum Leben gibt. Der ihre Existenz mit Sinn füllt. Und zu dem sie aufschauen können, denn er ist der Herr Hauptmann …
Beängstigend die Vorstellung, dass es damals, kurz vor Kriegsende, wirklich so war. Entsetzlich das Wissen, dass die Geschichte, bei allen Ausschmückungen, wahr ist, und die Geschichte des sogenannten Henkers vom Emsland nacherzählt, der im April 1945 Tod und Schrecken verbreitete. Und schier unerträglich die Szenen im Abspann, wenn die in “Standgericht Herold“ umbenannten Männer in Filmklamotten und Filmauto durch das heutige Görlitz fahren und Passanten mit vorgehaltener Waffe kontrollieren und berauben.
Man könnte noch einiges schreiben. Dass der Film chronologisch gedreht wurde, was die Schauspielerleistungen zusätzlich befeuert hat. Dass der Soundtrack aus einer Mischung aus Industrial und alten Schlagern besteht. Dass Florian Ballhaus hiermit in die Fußstapfen seines genialen Vaters tritt und sie mehr als ausfüllt. Dass die Sichtweise des Films, nämlich die Ereignisse aus der Sicht der Täter zu zeigen, überraschende und schockierende Einblicke zeigt. Und dass ich hier einen Film sah, dessen Intensität selten ist. Hauptdarsteller Max Hubacher erzählt, was für ein beklemmendes Gefühl es war, vor einer Gruppe polnischer Statisten zu stehen, mit dem Finger auf einen zu zeigen, und zu wissen dass der jetzt gleich getötet wird. Und dass er sich bewusst wurde, was für ein Machtgefühl die Täter damals in diesem Augenblick hatten. Wie ein Rausch …
Düster und nihilistisch. Eine unbedingte und absolute Empfehlung für alle, die es dreckig und böse mögen …