Franks Bewertung

starstarstarstar / 6

0-5 Sterne für den Film, gefolgt von dem "Härtegrad" auf einer Skala von 0-10

04.09.2018
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Review

von Frank Trebbin

April, 1945. Der Gefreite Willi Herold ist desertiert und findet bei seiner Flucht die wärmende Uniform eines Hauptmanns. So gewandet, scharrt er schnell weitere versprengte Soldaten um sich, die auf Herolds Verkleidung und Auftreten reinfallen. Doch was anfangs nur eine Charade werden sollte, um dem Krieg zu entkommen, verwandelt sich schnell in ein monströses Theater, denn als die illustre Truppe im Lager II, einer Sammelstelle für Deserteure ankommt, hält man den Hauptmann für das angekündigte Schnellgericht. Unter dem Erwartungsdruck aber auch angestachelt die die neue Machtfülle, die niemand ernsthaft hinterfragt, wird Herold zum hundertfachen Mörder…

Kritische, erschütternde, aufwühlende Filme über den Krieg hat es ja schon einige gegeben. Eins hatten aber alle gemein: auf die eine oder andere Weise dienten sie vornehmlich auch zur Unterhaltung ihres zahlenden Publikums. So obskur, so verstörend, so bitter-böse und so gegen jede Erwartung gebürstet wie in „Der Hauptmann“ hat man allerdings einen Kriegsfilm noch nie gesehen. Hollywood-Heimkehrer Robert Schwendtke erzählt darin die wahre Geschichte des „Henkers vom Emsland“ aus den letzten Kriegstagen, die weder heroisch noch hoffnungsstiftend ist (also die üblichen melodramatischen Zusätze) und die lediglich das knallhart zeigt, was der Krieg wirklich aus Menschen macht: ein Panoptikum aus Bestien, unter denen es nur Verlierer gibt. Zudem gibt „Der Hauptmann“ durch den mikroskopischen Blick auf den Fall Herold auch die Möglichkeit, zu verstehen, wie die deutsche Tötungsmaschinerie funktionieren konnte. Durch Bürokratie, durch System, durch das absolute Abschalten von Menschlichkeit und durch blinden Gehorsam gegenüber der Uniform. Was (allerdings nur kurz) als tiefschwarze Köpenickiade aufflackert, mutiert mit jeder Minute Laufzeit zu einem immer unangenehmer werdenden Film“erlebnis“, das sich schlussendlich als ein sehr, sehr kluges Kunstwerk entpuppt, das stilistisch schwer zu greifen und inhaltlich irgendwo mit „Der Untertan“, „Aus einem deutschen Leben“ und „Die 120 Tage von Sodom“ verwandt ist. Die von Florian Ballhaus eingefangenen Schwarz-Weiß-Bilder, die die Ungeheuerlichkeit des Kleider-machen-Leute-Stoffes noch stärker hervortreten lassen, und der gleichsam unpassende wie doch stimmige Industrial-Soundtrack mit verfremdeten Schlagern aus jener Zeit werden neben den durchweg überzeugenden schauspielerischen Leistungen lange ich Erinnerung bleiben – obwohl man sich Robert Schwendtkes „Der Hauptmann“ eigentlich nicht so schnell wieder aussetzen würde wollen. Bildformat: 2,35:1. Mit Max Hubacher, Milan Peschel, Frederick Lau, Waldemar Kobus, Alexander Fehling, Samuel Finzi u. a.

Ab 07. September 2018 auf Blu-ray, DVD und digital.

© Selbstverlag Frank Trebbin

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