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Eine Frau wird vergewaltigt, und hinterher heißt es, dass sie es ja nicht anders wollte. Dass sie eine Nutte sei, die es sowieso mit jedem treibe. Dass der Sex einvernehmlich war. Und alle glauben dem Mann. Nichts Neues in unserer Zeit, was aber den Umstand an sich nicht besser macht: Ein Mensch wird Opfer eines Verbrechens, und alle schießen sich auf das Opfer ein, während der Verbrecher ungeschoren davon kommt, gar in bestimmten Kreisen möglicherweise noch zum Helden stilisiert wird, weil er es der Schlampe ja mal ordentlich besorgt hat.
Der Kunststudentin Noelle passiert genau dieses, sie wird auf einer Party vergewaltigt, und als sie von dem Typen Tage später verlangt dass er sich bei ihr entschuldigt, fragt er bloß blöde „Für was? Dir hat es doch auch gefallen.“ Das Ende dieses Gesprächs ist allerdings nicht so, wie der Typ es sich vorgestellt hat, liegt er doch tot am Boden. Nach dem ersten Schock stellt Noelle fest, dass sie nicht das einzige Vergewaltigungsopfer ist, dem nicht geglaubt wird. Und dass andere Frauen, namentlich eine Selbsthilfegruppe, eher auf Kosmetiktipps und Briefe-an-den-Kongress-schreiben glaubt. Noelle macht das, was ihr der gesunde Menschenverstand vorgibt: Sie macht die Täter zu Opfern. Zu toten Opfern …

In den allermeisten Fällen sind Rape and Revenge-Filme von männlichen Regisseuren inszeniert und bedienen entsprechend auch die männlichen Rachephantasien: Die Frau zieht möglichst knapp bekleidet los und legt möglichst blutig Männer um. In der Realität sieht das ein wenig anders aus, doch dazu später mehr.
Natalia Leite hat als Frau da prinzipiell erstmal eine andere Sicht. Eine, die der weiblichen Seele und ihrer Sensibilität entsprechend mehr Raum gibt. Die Einsamkeit des Opfers, die Bloßstellung, die Scham, und der bittere Schlag der Erkenntnis, dass es anderen Frauen auch so geht, diesen Momenten gibt Leite viel Raum, und die in jeder Beziehung umwerfende Francesca Eastwood kann diesen Raum für die Darstellung der vielen überbordenden Gefühle auch großartig nutzen. Diese Männer-sind-Schweine-Haltung kann nachvollzogen werden, genauso wie die Extremisierung Noelles glaubhaft und Stück für Stück nachvollziehbar ist.

Aber leider wird Francesca Eastwood trotzdem sexy angezogen wenn sie auf Mordtour geht, und leider gewinnt am Ende die männliche Sicht (des Produzenten?), dass Verbrechen nunmal gesühnt werden müssen. Sehr schade, denn gerade ein Ende, welches vergewaltigten Frauen mehr Stärke und mehr Selbstbewusstsein gegeben hätte, wäre stimmiger gewesen und hätte eben dieser anderen, dieser weiblichen Sicht auf das Thema Rape and Revenge, einen runden Abschluss gegeben.
Denn nehmen wir einmal an, eine Frau wird vergewaltigt, sinnt auf Rache und will ihrem Peiniger Übles antun. Wird sie sich in ein knappes Tanktop werfen, ultrakurze Shorts anziehen und mit dem Vorschlaghammer losziehen, um dann mit einer Schweiß- und Schmutzschicht überzogen am Ende dazustehen wie ein feuchter Traum eines Gonzo-Fetischisten? Wohl eher nicht, die "Arbeitskleidung" des Rachefeldzuges wird sicher eher unauffälliger sein. Doch diese Accessoires bedienen zuvorderst männliche Fantasien, die ganz klar aus der BDSM-Ecke kommen, zumindest was die Optik angeht. Ich glaube nicht, dass die weibliche Rachefantasie diesbezüglich mit erotischen Kleidungsstücken konform geht. Und ART OF REVENGE, so stark er auch ist, bietet hier eben leider auch wieder diese männliche Komponente, Francesca Eastwood in Tanktop und Shorts zu zeigen. Ich schäme mich ja an der Stelle schon fast, aber sie macht in diesen Sachen echt was her, und die wunderschöne Frau wird so zusätzlich auch noch zu einem Fetischobjekt. Was aber der feministischen Grundtendenz des Films leider ein wenig entgegen läuft.

So bleibt eine äußerst beeindruckende Hauptdarstellerin in Erinnerung, genauso wie eine starke und oft hypnotische Inszenierung, die vor allem die stillen Momente betont, und über die schönen Bilder und den eindringlichen Soundtrack das Seelenleben einer gequälten Frau erst so richtig sichtbar macht. Ein wenig mehr Konsequenz (bzw. möglicherweise ein Directors Cut) wäre hier ausgesprochen wünschenswert! Aber bis dahin ist ART OF REVENGE ein Rape and Revenge-Film der ein klein wenig anderen Art, einer sensibleren Art, und auf jeden Fall eine Sichtung wert.

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