Flieg ruhig zu hoch, kleiner Vogel!
"Lady Bird" hat es als US-Kritikerdarling beim normalen, erst recht deutschen Publikum nicht leicht. Man schafft sich kaum schneller Feinde und voreilige Gegenpositionen, wie wenn man von der Presse einhellig gefeiert wird und z.B. monatelang 100% auf Rotten Tomatoes hat. Leider muss man zu dieser angesagten Anti-Alles-Entwicklung sagen. Denn "Lady Bird" ist ein wirklich starker Film über Mütter, Töchter, das Erwachsenwerden und das Finden der eigenen Identität. Intim und groß zugleich. Greta Gerwig hat von Baumbach und Allen wirklich erstaunlich gelernt. Denn in dieses Baby hat sie eine Menge Herzblut und eigene Erfahrungen gesteckt. Das ist keine Minute zu übersehen. Die Geschichte über eine rebellierende und nicht immer leichte Teenagerin in den letzten Highschooljahren hat so viel ruhige und glaubhafte Momente, schrullige aber nie überzogene Figuren, einen Blick für die besonderen Details, dass man der jungen Regisseurin nur gratulieren kann. Ich kann es kaum erwarten, zu sehen, was sie als nächstes macht. "Lady Bird" wird jedenfalls schwer zu toppen.
Keineswegs erfindet die kurzweilige Geschichte über das Aufwachsen in Sacramento sein Subgenre neu. Es gibt Jungs. Es gibt Drogen. Es gibt Bälle. Es gibt Zickereien. Es gibt Krisen. Es gibt Eltern. Alles war schon da, von "Pretty in Pink" bis "Perks of Being A Wallflower". Nur Gerwig spielt ihre Karten anders. Ehrlicher. Nuancierter. Cleverer. Weiser. "Lady Bird" strahlt eine Ruhe und Gelassenheit aus, wie man sie ganz selten aus Hollywood sieht. Selbst im Indiebereich. Über mittlerweile bekannte junge Gesichter wie Chalamet oder Hedges freut man sich, doch den Ton gibt natürlich Saoirse an. Die Kleine ist und bleibt eine Wucht. Alles was sie anfasst wird Gold. Jeder Film wird durch sie aufgewertet. Egal ob kleine Gesten oder große Dramen (oder welche, die man als Teenager so einschätzt), nichts wirkt aufgesetzt oder einstudiert. Den viel zu kurzen Film (da man von den liebgewonnenen Figuren gerne mehr sehen würde) durchzieht eine Spontanität und Leichtigkeit, wie man sie weder proben noch lernen kann. Ohne die Melancholie und Tiefgründigkeit zu vergessen. Und ganz nebenbei werden die frühen 00er Jahre herausragend zum Leben erweckt. Ich glaube von Gerwig wird man hinter der Kamera vielleicht noch mehr hören als bisher davor. "Lady Bird" ist ein Ausrufezeichen aus dem Zucker namens Leben.
Fazit: das (Solo-)Regiedebüt von Greta Gerwig ist gefühlvolles, ehrliches und fantastisches Coming-Of-Age-Kino, dass man nicht nicht mögen kann. Saoirse Ronan wird jedes Jahr besser. Man weiß kaum wie. Und sie ist nur die Sahne auf der Torte. "Lady Bird" ist jedes Warten wert. Kino-Understatement der Extraklasse. Sofortiger Klassiker!