Nach 5 Jahren Gefängnis darf Mark Rodríguez (Jesús Lloveras) als titelgebender Freigänger zum ersten Mal ein Wochenende "draußen" verbringen - als erstes reißt er sich eine Bedienung in einem Irish-Pub auf, mit der er tags darauf leicht verkatert in seinem alten Golf II erwacht. Aber eigentlich möchte er die Zeit nutzen, seinen Bruder zu besuchen, den er lange nicht gesehen hat. Der aber schmeißt ihn raus, nachdem er ihm bittere Vorwürfe gemacht hat, daß er die verstorbene Mutter alleine bis zum Ende pflegen mußte. Also liefert Mark seinen One-Night-Stand Mia (Sara Casasnovas) im Irish-Pub ab, als er kurz darauf Zeuge wird, wie in der Nähe ein Geldtransporter brutal überfallen wird. Zunächst entsetzt nimmt er jedoch sofort die Verfolgung der Räuber auf - er hat einen Plan...
Daß man auch ohne großes Budget ein einigermaßen spannendes Roadmovie drehen kann, beweist die spanische Produktion Tercer grado, die ganz auf den Charakter des Hauptdarstellers Jesús Lloveras (der auch am Drehbuch mitschrieb) zugeschnitten ist: Wer ist dieser Mark, der sich in seinem tiefergelegten, getunten (Fast-)Oldtimer hinter dem Sportlenkrad an die Fersen zweier brutaler, bewaffneter Killer heftet, wohl wissend, daß er sich damit in der kurzen Zeit, die ihm "draußen" zur Verfügung steht, in größte Gefahr begibt? Selbst eine Polizeikontrolle, bei der er als ehemaliger Drogendealer erkannt wird, können ihn nicht von seinem Plan abbringen. Ist er der toughe Typ, wie er nach außen hin wirkt, oder hat er einen weichen Kern, z.B. als er sich von seinem Bruder widerstandslos hinauskomplimentieren läßt oder im Gespräch mit Mia seine Strafe als verdient bezeichnet? Die Zwiespältigkeit, wie man seinen dargestellten Charakter einschätzen soll, beschäftigt den Zuschauer den ganzen Film über - eine überzeugende Leistung von Jesús Lloveras. Seine sexy weibliche Begleitung Mia dagegen bleibt vollkommen statisch und hat auch nur wenig Screentime.
Einige kleinere technische Unzulänglichkeiten, wie z.B. eine zertrümmerte Heckscheibe, die weder beim Grenzübertritt noch sonst irgendwann auffallen, oder der Umstand, daß der später angeschossene Mark sich nur eine einzige Kugel einer (offensichtlich) ganzen Ladung Schrot im Rücken notdürftig herausoperieren läßt, lassen den Erzählfluß nicht ins Stocken geraten - später allerdings entwickeln sich die Ereignisse etwas zu glatt und damit streckenweise unglaubwürdig, beispielsweise, wenn der seltsamerweise barfuß agierende Freigänger gleich ein ganzes Rudel Verbrecher problemlos aufmischt. Trotz alledem kann man dem Film stets gut folgen, nie verliert das Drehbuch den roten Faden und auch, wenn dem Roadmovie am Ende storytechnisch etwas die Luft ausgegangen scheint (auf ein spektakuläres Finale wird zugunsten einer ebenso lahmen wie klischeehaften Schlusszene verzichtet) weiß Freigänger über weite Strecken mit einfachen Mitteln zu überzeugen. 6 Punkte.