Was es bedeutet Mensch zu sein... und Kinofan
"Blade Runner 2049" ist ein außergewöhnlicher Film. Außergewöhnlich gut. Außergewöhnlich schwer. Außergewöhnlich vorbelastet. Außergewöhnlich schön. Außergewöhnlich kritisch beäugt.
Was Denis Villeneuve mit der Fortsetzung eines der wichtigsten Science-Fiction-Filme aller Zeiten hier auf die Beine gestellt hat, bis in die kleinste Filmpore, kann man nur als herausragende Errungenschaft bezeichnen. Eine Wohltat vor allem für die eingefleischten Fans des Originals. Kein Film für riesige Zuschauerzahlen, doch das war das Original zum Release ebenfalls ganz und gar nicht. Umso mehr Respekt geht an alle Beteiligte, dieses Ding so groß und teuer und ambitioniert und mutig aufzuziehen. Nach so vielen Jahren, in so große Fussstapfen. "Blade Runner 2049" wird anecken und langweilen, enttäuschen und verstören. Doch für mich ist er ziemlich eindeutig der beste Film des Jahres, der einzige den ich mir mehrmals im Kino angeschaut habe. Er war auch mein heisserwartester Film des Jahres und es ist mir noch nie passiert, dass dieser dann im Endeffekt auch mein Lieblingsfilm wird. Nun ist dieser Fall kaum noch zu vermeiden. "Blade Runner 2049" brodelt und brütet unter seiner Oberfläche die ganze Zeit, mäandert wundervoll erfrischend umher. Vollkommen gegen gewohnte Sehgewohnheiten oder Hollywood-Höhepunktstakkatos. Er erweist seinem Vaterfilm Ehre und schließt Kreise äußerst elegant und beeindruckend. Ein Meilenstein in vielerlei Hinsicht, der über die kommenden Jahre und Jahrzehnte genauso wachsen und Wurzeln schlagen wird, wie Ridley Scotts ikonischer Vorgänger. Dennis Villeneuve hat nun mit Chtistopher Nolan wohl klar den Status des bedeutendsten aktuell arbeitenden Regisseure inne. Und nun schon zwei Sci-Fi-Schwergewichte unter seinem Gürtel.
In "Blade Runner 2049" kann man sich schnell verlieben. Vor allem als Fan des Originals. In kaum eine Welt wird man so unausweichlich eingesaugt. Staubig. Schmutzig. Schockierend realistisch. Wenn auch wohl zum Glück noch nicht 2049. Zur Story muss und sollte man kaum etwas verraten. Es geht um einen Policeofficer, der Replikanten ausschaltet und den seine eigene Vergangenheit einholt... also sehr ähnlich wie in Teil 1. Und doch anders, dunkler, weitergedachter. Ryan Gosling macht seine Sache mit beeindruckendem Understatement (wie so oft) stark, Harrison Ford und das Wiedersehen mit alten Bekannten wird so einige Augen feucht werden lassen. Es geht um tiefenphilosophische Fragen, zu denen jeder seine eigenen Antworten finden muss. Jede der Figuren und jeder der (hoffentlich) selbstdenkenden Zuschauer. Denn vorgekaut wird hier rein gar nichts. Die Details und Immersion des Los Angeles von 2049 sind einfach atemberaubend. Ab dem ersten Erklingen des mächtigen Soundtracks war ich in dieser Welt, in der man eigentlich gar nicht sein will. Und doch jeden Frame genießt. Audiovisuell setzt dieser nischige Flüsterbombast neue Benchmarks. Jeden seiner Milliarden Cent sieht man dem Mammutwerk an. Eine wunderbare Weiterführung von und Verbindung zur Sci-Fi-Legende von 1982. Fans können aufatmen und werden ekstatisch reagieren. Zumindest die meisten. Szenen wie der wohl seltsamste und romantischste Dreier der Filmgeschichte oder Harrison Fords Gesichtsausdruck bei einem unerwarteten Wiedersehen, gehen nicht spurlos an einem vorbei. Und wenn man sich so in einem Film verliert, dann macht einem sogar die extrem lange Laufzeit nichts aus. Ganz im Gegenteil. Es gibt viel zu entdecken. Der Wiederguckwert ist hoch. Eine der besten und passendsten Fortsetzungen der Filmgeschichte. Chapeau und Danke!
Fazit: vielleicht das beste Sci-Fi-Epos der 2010er. Auf Augenhöhe mit dem Vorgänger. Größeres Lob geht nicht. Alle Erwartungen erfüllt. Neon-Melancholie, die einem die Sprache verschlägt. Traurig. Überwältigend. Düster. Romantisch. Ein philosophisches Schwergewicht im Blockbuster-Gewand. Klasse entgegen der Masse.