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Ein dreifacher Shitberger

"I, Tonya" ist der beste MTV-Film, der gar keiner ist. Eine eiskalte und bitterböse Demontage des American Dream und eines der vitalsten Biopics seit ewigen Zeiten. Geht ab wie ein Zäpfchen, gönnt keine Atempausen, egal ob man Asthma hat oder nicht. Zudem ist er überraschend rührend und verständnisvoll für seine geschundene Protagonistin, was letztendlich den entscheidenden Stoß geben wird, der "I, Tonya" zu einem modernden Klassiker avancieren lassen kann. Die Passagen auf dem Eis sind spektakulär, aber nicht ausschlaggebend. Der "Vorfall" rund um den berüchtigten Anschlag auf Tonyas ärgste Konkurrentin ist lediglich die Spitze des Eisbergs. Viel mehr geht es um eine bestimme Epoche, Person, ein Lebensgefühl und eine Lebenslüge. Um Stürze und Schläge, Dummheit und Naivität, Liebe und Leidenschaft, Wahrheit und Lügen, Vorurteile und Hintergründe, Möglichkeiten und Endpunkte. Eine zeitlose Geschichte, mal voller dunklem Humor und mal gefüllt mit ganz bitteren Wahrheiten, mal "Fargo" und mal "Goodfellas". Ein Warnschuss an ein Land, das den Schuss eh schon lange nicht mehr hört. Euphorie und Nachdenklichkeit verlassen Arm in Arm das Kino.

"I, Tonya" geht lang, fühlt sich aber kurz an. Er fühlt sich locker flockig an, hinterlässt jedoch tiefe Kratzer. Er scheint umso heller, desto mehr Schatten erscheinen. Boshaftigkeit gibt es gar nicht mal allzu viel, Ahnungslosigkeit und hohle Birnen dafür umso mehr. Satirische und schmerzhaft ehrliche Unterhaltung vom Feinsten, die die Zeit vergehen lässt wie im Flug. Der Soundtrack ist fast schon zu vollgepackt mit legendären Songs, von denen sich einer nach dem anderen in den Vordergrund drängt. Fast eine Art "Suicide Squad"-Effekt. Margot Robbie beweist einmal mehr, dass ihre Schönheit nur von ihrem Talent und Ehrgeiz getoppt wird. Und die Relevanz dieses traurig-wahren "Märchens" wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nur noch steigen. "I, Tonya" ist eine Chinaböller mit ADS, bis in die Nebenrollen grandios besetzt. Klarer einen Oscar verdienen als Allison Jenney kann man nicht und wenn selbst der Winter Soldier heiß aufspielt, dann weiß man, dass der Film etwas ganz Besonderes ist. Amerika kommt nicht drum herum, seine Helden fallen zu sehen. Und genießt jede Sekunde der Show. Lehrreich und stylischer als die selbstgeschneiderten Kostüme der aus der Bahn geworfenen Eisprinzessin. Spuckt Blut, hat blaue Flecken, Fragen bleiben offen, Standpunkte unklar und Erzähler alles andere als verlässlich. All das macht "I, Tonya" zu einem Highspeed-Puzzle der böseren Sorte.

Fazit: der coolste Eislauffilm, der je gedreht wurde?! Direkt, sauschnell, schelmisch und hundsgemein wenn er will. Zudem der perfekte aktuelle amerikanische Alptraum. Margot Robbie beweist sich als nicht nur heiße sondern ebenso enorm begabte Zukunftssicherung Hollywoods und die Geschichte ist unglaublicher, als man sie je hätte schreiben können. Kufen waren nie schärfer!

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