kurz angerissen*
Dass unter all den gescheiterten DC-Comicverfilmungen ausgerechnet "Wonder Woman" viel beachtet wurde, gereicht der Filmbiografie über ihren Erfinder natürlich zum Vorteil. Man kann es der Außenpräsentation inklusive Poster und Filmtitel, die ungeübten Beobachtern ein typisches Sequel versprechen (jetzt mit noch mehr Wonder Women!), kaum verdenken, dass sie sich an den Kinoerfolg anheften. "Professor Marston and the Wonder Women" wird von vielen Zuschauern nun wohl konsumiert wie eine Dokumentation zum Film mit Gal Gadot im Bonusmaterial der DVD.
Doch auch wenn die erste Einstellung einen Böllerwagen voller Comics zeigt... die Handlung des sehr wohl filmischen und in keiner Weise dokumentarischen Biopics geht weit über die weibliche Superheldin aus dem Titel hinaus, ja sogar weit über das Leben ihres Schöpfers William Marston. Es zeigt allerdings, welche gesellschaftlichen Kräfte hinter dem simplen Tuschestrich eines vermeintlich so banalen Comicheftchens tatsächlich walten. Seinen Schwerpunkt legt das Drehbuch darauf, Verbindungen zu ziehen zwischen gesellschaftlichen Umständen, den sich daraus ergebenden sozialen Fesseln, der Kollision dieser Fesseln mit individuellen Bedürfnissen, bevor am Ende der Kette der unbedingte Willen zur Emanzipation entsteht, der sich mit Synergie-Effekten nicht nur in Wissenschaft (Erfindung des Lügendetektors) und Kunst (Erfindung einer Comicfigur) entlädt, sondern nicht zuletzt auch im Ausleben geheimster Fantasien.
Ein Anspruch auf historische Korrektheit besteht schon deswegen nicht, weil Marston und seine Gespielinnen, der Konstellation nach ein infernales Trio im Grunde wie aus der Villain-Abteilung eines Comics, erfrischenderweise nur Nebendarsteller in ihrer eigenen Geschichte sind. Im Fokus steht das engstirnige Amerika der 40er Jahre, einer Welt aus kleinen Häusern mit Gärten auf symmetrischen Grundstücken, bewohnt von klassischen Familien mit Vater, Mutter, Kind. Entsprechend leistet man es sich, die ungewöhnliche Beziehung zwischen Marston, seiner Frau und seiner Assistentin zu einem Akt sexueller Befreiung auszugestalten, der sich gegen alle Widerstände durchsetzt. Regisseurin Angela Robinson treibt Luke Evans, Rebecca Hall und Bella Heathcote dazu an, dieser Interpretation strikt zu folgen, auch wenn historische Berichte mitunter andere Zustände überliefern, da seitens Marston viel Druck und Zwang eingeflossen sein soll.
Dies zu ignorieren, ist dann legitim, wenn eine Figur nicht Zentrum der Betrachtung ist, sondern lediglich ein Instrument, um auf andere Dinge hinzuweisen. Und gerade das beherrscht "Professor Marston and the Wonder Women" brillant. Denn niemand, der diesen Film gesehen hat, wird anschließend im Medium Comic nur noch reine Bespaßung für Kinder und Erwachsene sehen.
(7.5/10)
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