Es klingt so schön hochtrabend, wenn die abstruse Ideentombola eines Films als protoreligiöse Allegorie verkauft wird. Als intellektuelle Auseinandersetzung mit dem geistigen Überbau oder philosophischen Fundament unserer Spezies. Und wenigstens viele Amerikaner fühlen sich zudem angesprochen, wenn eine der Hauptdarstellerinnen, gefragt nach dem offenbar nicht leicht zu erschließenden Sinn des dem völlig verwirrten Publikum Vorgesetzten, mit Bibelbezügen um sich wirft. Sie selbst spiele nämlich Gaia. Und ihr Filmpartner Gott. Das muss einem schon gesagt werden, denn so ganz von allein kommt da eigentlich niemand drauf. Vor allem niemand, der den Film gesehen hat. Aber es tut eben gut, wenn man als verkopfter Filmfreund bisweilen ernst- oder hart rangenommen wird. Dann ist auch gar nicht weiter schlimm und schnell vergessen, dass die zwangsverfütterte Allegorese von sich aus nicht zu erkennen war und auf einer Marketingveranstaltung nachgereicht beziehungsweise vorgekaut werden musste. Wie hätte man denn übrigens als aufmerksamer Beobachter auch nur einen einzigen klaren Gedanken fassen sollen - auf dieser spätestens an in ihrem Ende den Magen umdrehenden Achterbahnfahrt durch die selbstzweckhafte Abstraktion?
Ein Dichter (Javier Bardem) lebt mit seiner wesentlich jüngeren Frau (Jennifer Lawrence) abgeschieden in einem monströsen Haus. Eines Tages klopft ein Fremder (Ed Harris) an die Türe, der sich in der Adresse geirrt hat. Doch statt den Unbekannten weiterzuschicken, lädt der Hausherr den Mann zum Bleiben ein. Sehr zum Leidwesen seiner Frau, die gern unbelästigt ihre Ruhe hätte. Als kurz darauf auch noch die Ehefrau (Michelle Pfeiffer) des Fremden und deren erwachsene Kinder aufschlagen und sich weigern zu gehen, beginnt die Hausfrau zu verzweifeln. Doch die für sie äußerst unangenehme Situation ist erst der Beginn einer wahren Orgie an Hausfriedensbrüchen, denn bald muss sich die werdende (titelgebende) Mutter auch der ihrem Mann nachstellenden, äußerst aggressiven Fans erwehren. Ihr Leben gerät so vollkommen aus den Fugen. Auch deshalb, weil der Poet nicht nur nichts gegen die Eindringlinge unternimmt, sondern die häusliche Apokalypse förmlich heraufbeschwört. Warum er das tut, weiß Gott allein.
Es sind wirklich grandiose Leistungen, die Javier Bardem, Ed Harris, Michelle Pfeiffer und auch Jennifer Lawrence hier vollbringen. Ihr (Kammer-)Spiel ist wunderbar leichtfüßig, zieht ins Geschehen, wirkt authentisch. Und macht beinahe vergessen, dass alles drum herum völlig künstlich ist. Die bemühte Sinnbildlichkeit, das sich einstellende Theater, die Beziehungen der Figuren miteinander. Nichts davon überzeugt bei näherem Hinsehen, sondern drängt sich geradezu als gezwungen auf. Und das ist unangenehm. Sicher, Darren Aronofskys „mother!" ist filmgewordene Ungemütlichkeit. Das soll so sein. Ein bisschen wie einst bei Rob Reiners Verfilmung von Stephen Kings „Misery" (1991). Doch entwickelt sich Aronofskys Autorenkino beileibe nicht zu einer nachvollziehbaren Parabel auf den Umgang der Menschheit mit ihrem Zuhause (sic!), sondern fällt dem Irrsinn zum Opfer. Das interpretative Moment der Geschichte ist dabei nur vom Kontext gelöste Ideenschau und Selbstschutz zugleich. Denn ähnlich wie beim Schaffen David Lynchs sollen wirre Einfälle als Impuls zum Grübeln animieren. Nur bitte nicht zu viel denken beim Nachdenken, sonst verpufft der leicht zu durchschauende Effekt mit den sich unter der Lupe im Nichts auflösenden orphischen Versatzstücken, okkulten Bildern und konstruierten Inkarnationen. Je interpretativer Aronofsky seine Anspielungen hält und je nebulöser er seine Analysen formuliert, desto unangreifbarer macht er seinen Film. Das ist strategisch geschickt, für den wachen Geist aber auf Dauer ermüdend. Was ist das für ein Pulver, das Jennifer Lawrence da täglich schlürft? Wem nutzt der Husten von Ed Harris? Und warum fressen Apostel Babys? Vielleicht kann man sich in einer ruhigen Minute, entspannt seine Hostien knabbernd, dazu warme Gedanken machen. Die Frage ist nur, ob die dann genauso fruchtbar sind wie Mutter Erde.
Während man dabei zusieht, wie „mother!", analog zum Domizil des Künstlers und seiner Frau, unter der Last der Metaphern allmählich zusammenbricht, darf man sich übrigens ruhigen Gewissens ein wenig an der Dreistigkeit der Geschichte delektieren. Und die wiederum speist sich vornehmlich aus der Aufdringlichkeit der Besucher, die stellenweise komödienhafte Konturen annimmt. Inmitten des sich anbahnenden Beziehungsdramas erwischt man sich dabei, die schnodderige Penetranz aller Akteure (ausgenommen der jungen Frau in ihrer Passion) zu bestaunen. Oder wenigstens unterhaltsam zu finden. Hier offenbart Aronofskys Film seine einzige Stärke: die Intensität seiner Charaktere. Die Präsenz seiner Darsteller. Aus deren Professionalität zieht „mother!" seine Kraft und seinen potentiellen Unterhaltungswert. Schade, dass diese Energie nicht genutzt wird, sondern ungedämmt dem Haus, der Geschichte, dem Vorhaben verlorengeht.
Darren Aronofskys „mother!" bietet nur bedingt ungetrübtes allegorisches Vergnügen. Dem Wesen der Entropie gleich, entwickelt die Geschichte allerdings eine immer stärkere Tendenz zur Unordnung. Und das ist irgendwo schon Entertainment, bleibt aber letztlich weniger substanziell, als es gehandelt wird. Der Weg aus der bequemen Abstraktion führt über die bittere Erkenntnis, dass hier Spannung auf Pump produziert wird. Man wartet und wartet auf die zündende Idee, die alles zuvor Gesehene legitimiert. Auf einen gewieften Kniff, der Verständnis, Ein- und Nachsicht böte. Doch sieht man sich vom Meister einstiger Großtaten - wie „Requiem for a Dream" (2000) oder „Pi" (1998) - auf der Suche nach Erleuchtung allein gelassen. Aronofsky streift mit seinem Weglassen von Fassbarem den Bereich der abstrakten Kunst. Es ist schon Kunst, was er hier vorstellt. Aber womöglich keine, die die Mühe wert wäre, sich den Kopf zu zerbrechen. Von der Implosion der Zweisamkeit über die Dekonstruktion der Menschheit - Überstilisierung ist jedenfalls garantiert. Ein wenig Großtuerei auch. Und ganz vielleicht darf man sich am Ende der sperrigen Geschichte, nachdem man sich von der zwingenden Genialität der biblischen Gleichnisse erholt hat, die Frage erlauben: Was in Gottes Namen soll das?