Review

Die Weltgeschichte als absurde Komödie
Eine Review voller persönlicher Interpretationen und massiver Spoiler

Stell Dir vor, Du bist auf der Trauerfeier für jemanden, den Du gar nicht kanntest. Und sollst plötzlich eine Rede halten. Dann merkst Du, dass Du nur ein Nachthemd anhast. Darren Aronofskys MOTHER! ist – zumindest über weite Strecken – ein filmischer Alptraum in der Form einer absurden Komödie, eines Boulevardstücks, in dem immer neue Überraschungsgäste an die Türen klopfen und der Zuschauer sich mit der völlig überforderten Jennifer Lawrence mitten im Geschehen befindet und den Mund gar nicht mehr zubekommt bei all den Ungeheuerlichkeiten, die hier vor sich gehen. Und dann ist da noch diese unterschwellig geheimnisvolle Atmosphäre, die verschwörerische Vertrautheit des Hausherr mit seinen Gästen, die Andeutungen und Symbole, das Geheimnis im Keller und das merkwürdige Etwas in der Toilette.

Lange lässt uns der Film im Dunkeln, wohin die Reise geht, die ersten beiden Drittel sind dadurch hoch spannend, die Beziehung zwischen Mann und Frau bieten zusätzlichen Zündstoff – nach BLACK SWAN liegt die Vermutung nahe, dies könnte Aronofskys ROSEMARY’S BABY werden. Doch MOTHER! will viel mehr sein als ein gewöhnlicher Psychothriller, ist eher eine Fortführung von THE FOUNTAIN als von BLACK SWAN. Man braucht sich nur die Rollennamen des Films auf der imdb-Seite des Films (oder im Abspann) ansehen und man ahnt, dass die Ambitionen hier deutlich größer sind. MOTHER! ist ein Film, der so bedeutend sein will, der sich für so wichtig hält, dass er ein Ausrufezeichen verdient hat. Fangen wir also noch einmal an.

Stell Dir vor, Du renovierst ganz alleine das Haus, richtest alles schön her und dann fallen ein Haufen Fremde ein und machen alles kaputt. So ähnlich muss sich doch eigentlich Mutter Erde fühlen, dachte sich wohl Darren Aronofsky und machte einen Film daraus. Ganz so simpel ist MOTHER! natürlich nicht. Aber fast.

Dass Aronofsky bei der NOAH-Recherche vielleicht etwas zu tief in die Bibel geguckt haben mag, scheint in den ersten beiden Drittels des Films noch subtil durch. Ein „Paradies“ wollte sie mit dem Haus errichten, so die „Mother“, die von Javier Bardems „Him“ immer wieder „my goddess“ genannt wird, und als sie sich nach den ersten Verwüstungen des Hauses ans Aufräumen macht, meint sie lapidar, sie werde sich mal um die „Apokalypse“ kümmern. Dass die beiden ungebetenen Gäste („Man“ und „Woman“) sich in ihrem Paradies ziemlich daneben benehmen und deren jüngerer Sohn einen Brudermord begeht – all das lässt sich noch als interessante Allegorie lesen.

Spätestens im viel zu langen letzten Akt jedoch, als Militärs, Mädchenhändler und Demonstranten das Haus einnehmen und man mit Jennifer Lawrence durch die Räume zappt wie durch einen Nachrichtensender, wenn ER kultisch von seinen Anhängern verehrt wird und das Haus vollhängt mit seinen Götzenbildern, dann fühlt man sich nicht, wie vielleicht von Aronofsky beabsichtigt, vom Bildersturm überwältigt, sondern schlichtweg von der Botschaft überrannt. Das ist prätentiöses Filmemachen auf – zugegebenermaßen – höchstem Niveau.

Ein Film, der einen noch lange beschäftigt, im Guten wie im Schlechten.

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