Review

Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass auch ich anfangs nicht etwas skeptisch war, ein Horror-Slasher mit einer PG-13 Freigabe in Amerika, bzw. mit einem FSK12 Flatschen in Deutschland dachte ich mir, das kann doch nichts Gescheites sein, oder etwa doch? Der interessante Titel Happy Deathday, ein einladender Trailer und einige wohlwollende Kritiken brachten mich dazu, dem kurzweiligen Genremix aus Science-Fiction, Mystery, Horror und Komödie eine ernsthafte Chance zu geben, was ich rückblickend betrachtet in keinster Weise bereue. Happy Deathday (2017) funktioniert mit seiner Zeitschleifenhandlung,  seinem intelligent verworrenen und sukzessive aufdeckenden Krimi-Plot und seiner gefällig aufspielenden Hauptdarstellerin prächtig, auch wenn nicht immer jede Wendung sitzt und manche Logikdiskrepanzen den Sehgenuss ein wenig trüben. Das weltweite Kinopublikum war jedenfalls begeistert und schenkte dem nur 4,5 Millionen Dollar teuren Happy Deathday mit 125 Millionen Dollar Umsatz das Vertrauen, ein weiteres Indiz dafür, dass wenn die Story fesselt, spannende Slasherunterhaltung nicht immer vor Blut triefen muss.

Ursprünglich war Happy Deathday bereits 2007 als Half to Death angekündigt, in welchem Megan Fox (Transformers) die Hauptrolle spielen sollte, das damalige Projekt wurde aber eingestampft. Fast 10 Jahre später bekam der Regisseur Christopher Landon das Skript von Scott Lobdell in die Hand und war von der Idee eines Mädchens, dass in einer Zeitschleife gefangen ist und ihren eigenen Mord auflösen muss so fasziniert, dass er es an Jason Blum von Blumhouse Productions sendete, der grünes Licht gab und den Deal mit Universal Pictures perfekt machte. Natürlich ist die Pointe mit dem immer wieder erlebten Tag nicht neu und neben dem im Film  genannten Und täglich grüßt das Murmeltier (1993) wurde dies auch in vielen anderen Streifen wie 12:01 (1993); Edge of Tomorrow (2014) oder A Day (2017) behandelt, durch die nicht zu übersehende Kreuzung mit dem Scream Franchise konnten aber neue Akzente gesetzt werden. Die zickige Studentin Tree (Jessica Rothe) wird an ihrem eigenen Geburtstag von einem maskierten Killer brutal erstochen. Das Ende? Nein, denn die "Bilderbuchbitch" wacht nach dem Ableben jedes Mal wieder am Morgen des selben Tages im Bett von ihrem Studienkollegen Carter Davis (Israel Broussard) auf und durchlebt ihren Birth- und  Deathday immer wieder von vorne. Verzweifelt versucht sie den Mörder zu entlarven und ihrem Schicksal zu entkommen....

Ich kann Christopher Landons Faszination für die facettenreiche Geschichte durchaus nachvollziehen. Die Vorstellung, dass eine in einem Zeitstrudel gefangene Person seine eigene Liquidation durch Nachforschungen zu verhindern versucht hat auch mich in ihren Bann ziehen können. Landon lässt den Handlungsstrang bis zu Trees Abschlachtung einmal durchlaufen und stellt die attraktive Protagonistin dem Publikum als oberflächlich, egoistisch, lügend, betrügend und arrogant vor, was einerseits für wenig Mitleid beim Zuschauer für das Ableben des durchtriebenen Luders sorgt, andererseits aber auch genügend potenzielle Täter für die spannende Suche nach ihrem Mörder liefert. Als Trees Handywecker klingelt, sieht anfangs alles nur wie ein intensiver Albtraum aus, doch schon schnell erkennt sie durch immer offensichtlicher werdende Déjà-vus, dass sie ihren Todestag immer wieder und wieder erlebt und sie nichts dagegen machen kann, außer vielleicht mit akribischer Detektivarbeit die Identität ihres Schlächters zu ermitteln. Dabei verändert Landon geschickt in seiner intelligenten Erzählstruktur von Wiederkehr zu Wiederkehr nur kleine Mosaiksteinchen, was den Wahnsinn und die Verzweiflung der  jungen Frau zum Greifen nahe bringt.

Die Ermittlungsmethoden wissen größtenteils zu überzeugen und Happy Deathday scheut sich auch nicht, seine Betrachter auf falsche Fährten zu locken, was mit einigen überraschenden Plot-Twist's unterhaltsam und zufriedenstellend gelingt und zusätzlich mit witzigen Seitenhieben auf seine Vorbilder verfeinert wird. Vor allem die Entwicklung zur finalen Auflösung des wahren Attentäters und dessen Motive gestaltet sich durch alternative Lösungsansätze und raffinierte Wendungen mitreißend und teilweise auch herrlich selbstironisch, während gewalttechnisch die Grenzen der FSK 12 Freigabe so gut es geht ausgelotet werden. Ein paar kurze blutige Einstiche, etwas CGI-Lebenssaft und eine den Umständen entsprechende, ausgiebigere Abrechnung mit dem Killer gibt es für die "Gorehounds" zu bestaunen, ansonsten wird auf durch Jump-Scares unterstrichene Schockeffekte und auf die menschliche Vorstellungskraft gesetzt. Dank der überaus spannenden und flüssigen Inszenierung des Katz- und Mausspiels mit so gut wie keinen Langweilpassagen habe ich persönlich auch keine  exorbitante Schlachtpalette vermisst, da der Film eher auf den psychologischen Thrill und die Innovation setzt, als auf übertriebene Brutalitäten.

Auch wenn die oberste Prämisse derlei Slasherunterhaltung bestimmt nicht auf Logik ausgerichtet ist,  verzettelt sich Landon leider ab und an beim zusammensetzten der Puzzleteile und vergisst seine Ausführungen auf Nachvollziehbarkeit und Plausibilität zu überprüfen. Wissen Sie, was ich zuerst getan hätte, wenn ich an Trees Stelle gewesen wäre? Richtig, ich hätte dem Mörder die Maske vom Gesicht gerissen, aber das wäre anscheinend zu einfach gewesen... Außerdem würde mich brennend interessieren, warum bzw. weshalb gerade bei mir immer wieder auf den Reset Knopf gedrückt wird, die angedeutete These mit dem schlechten Charakter erscheint mir persönlich doch etwas sehr weit hergeholt. Des weiteren kann nur Tree die Ereignisse vom wiederholenden Tag abspeichern, weswegen sie Carter ja auch immer wieder aufklärt. Auf einmal tut sie das, wie an Alzheimer erkrankt, aber plötzlich nicht mehr. Trotzdem versuchen sie, als wären sie beide in der Zeitschleife gefangen,  das Rätsel gemeinsam zu lösen. Der Verdächtigenzettel müsste streng genommen ebenso jeden Tag neu geschrieben werden, doch auch hier sieht man Tree, wie sie an unterschiedlichen Tagen am gleichen Stück Papier weiter arbeitet. Ja, bei genauerem Hinsehen gibt es ein paar Ungereimtheiten, der Unterhaltungswert wird aber zumindest für mich noch verschmerzbar reduziert.

Jessica Rothe verkörpert ihr Dilemma jedenfalls ausgezeichnet, ihr gelingt es, dass Publikum auf ihre Seite zu ziehen, obwohl sie alles andere als ein Engel ist. Sie ist oberflächlich, sie ist egoistisch, sie lügt und betrügt, sie behandelt ihre Mitmenschen von oben herab. Doch Hand auf Herz, wer von uns ist schon perfekt und hat keine zweite Chance verdient? Rothe verändert ihre Einstellung zum Leben und zu ihrer Umwelt und zeigt, dass es nie zu spät ist um sich zu ändern. Außerdem überzeugt sie mit ihrem Kampfgeist, ihrer Energie und ihrem unerschöpflichen Tatendrang, eine richtige Powerfrau mit Leib und Seele. Rothe zur Seite gestellt wurde Israel Broussard, dessen Figur Carter Davis alle Vorurteile eines typischen Verlierers bestätigt. Unscheinbares Äußeres, versteckte Intelligenz, spießige Klamotten und Studentenbude, er hilft der eingebildeten Beauty Queen zuerst ungebeten, bevor sie sich dann klischeegetreu in ihn vergucken darf.  Die weiteren Rollen wurden ebenfalls schablonenhaft ausgelegt und werden von solide agierenden Darstellern gespielt:  Die unterdrückte Mitbewohnerin Lory (Ruby Modine), die heimliche Affaire, der schöne, verheiratete Lehrer Gregory (Charles Attken) der geheimnisvolle Serienmörder John Tombs (Rob Mello) oder auch die beste Freundin Danielle (Rachel Matthews), sie alle tragen ihren Teil zu einem insgesamt überzeugend auftretenden Ensemble bei.

Es war klar wie Wodka, dass nach dem sensationellen Erfolg von Happy Deathday (2017) kurz darauf eine Fortsetzung mit Happy Deathday 2U (2019) nachgeschoben wurde, welche mit einem globalen Kinoerlös von 65 Millionen Dollar zwar deutlich hinter dem Original blieb, sein Budget von 9 Millionen aber trotzdem versiebenfachen konnte, von daher steht einem eventuell dritten Teil nichts im Wege. Happy Deathday bedient sich storytechnisch frech bei bekannten Klassikern wie Und täglich grüßt das Murmeltier und Scream  und bietet ungeahndet von nicht ganz zu Ende gedachten Argumentationen und Logikdiskrepanzen frischen, unkonventionellen Horrorspaß mit einer interessanten Geschichte, unvorhersehbaren Kehrtwendungen, kniffligen Entwicklungen, einer feurigen Hauptdarstellerin und einer Prise augenzwinkerndem Humor, da er sich nicht all zu ernst nimmt. "Was ich wirklich wissen möchte ist, wie haben Sie es herausgefunden? "Weil du mich schon mal getötet hast!" " Dann muss ich es wohl noch einmal machen" MovieStar Wertung: 7 von 10 Punkte.


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